Langsam schlich ich dem widerlichen Gestank nach, welcher mich letztendlichzur Küche führte. Der Gestank war beißend, weswegen ich mir angewidert die Nase zu hielt. Als ich dann die Küche betrat und erblickte wer dort saß, riss ich erschrocken die Augen auf und ein panischer Schrei entwich meiner Kehle. Mein Mund wurde auf der Stelle trocken, wobei mich ein hitziges Gefühl überfiel.
Denn vor mir saß niemand geringeres als meine betrunkene Mutter höchst persönlich.
Nach meinem Schrei gab es kein Entkommen mehr, da mir nun ihre ganze Aufmerksamkeit galt. Oder jedenfalls zu wie viel sie im Stande war. In einer gekrümmten Position saß sie auf einen unserer Stühle und goss sich in ein wertvoll aussehendes Glas einen neuen Schluckbrauner klarer Flüssigkeit rein. Ihre früher so strahlenden Haare glichen nun einem Filzklumpen und ihre Augenringe schienen stetig zuwachsen. Außerdem trug sie eine alte Jeans, auf welcher sichtbare Flecken prangten. Ihr Shirt hob sich nicht besonders von der Hose ab. Denn auch ihr Shirt galt schon lange nicht mehr als sauber und ich schien mich zu erinnern, dass ich es war, welche ihr dieses Shirt angezogen hatte. Man muss wissen, dass wir hier schon eine längere Zeit lebten.
Nach meinem Schrei funkelte sie mich böse mit ihrenAugen an. ,,Valerie!'',flüsterte sie leise, sodass ich es kaum verstand.
,,Was machst du hier'',fragte ich sie selbstsicher und richtete meinen wütenden Blick auf sie. ,,Schau mich nicht so an, als wärst du etwas besseres'',zischte sie und fasste sich dabei mit ihrer linken Hand an ihren Kopf. Zu meiner Überraschung brachte sie einen verständlichen Satz zustande.Plötzlich stand sie abrupt auf, was mich zumzusammenzucken brachte. Ein verschwommenes Gefühl breitete sich in meinem Magenbereich aus. Ein Gefühl welches ich noch nie zu vorgefühlt hatte. Aber ich konnte sagen, dass es kein gutes Gefühl war.
Mit schnellen Schritten kam sie auf mich zu. Doch ich war wie erstarrt.
Ich hatte die völlige Kontrolle über meinen Körper verloren. Vor mir blieb sie stehen und griff nach meinem Handgelenk. Sobald sie es umfasst hatte, quetschte sie mein Handgelenk schmerzhaft zusammen.
,,Jetzt hör mich mal zu. Ich lass niemanden so mit mir umgehen! Niemand verlässt mich einfach und nimmt mir dann meine Kinder weg'',schrie sie laut, bevor sie mich vollerwucht gegen die Wand drückte. Erneut musste ich zusammenzucken vor Schmerz. Augenblicklich wurde ich wieder von der Vergangenheit eingeholt. Von der Vergangenheit vor welcher ich versuchte wegzurennen.
Ich hatte Angst. Panische Angst. In diesem einen Augenblick wünschte ich mir nur eins. Ich wünschte mir irgendjemand würde zufällig vorbeikommen. Ich hoffte tatsächlich, dass das Schicksal auf meiner Seite wäre.
,,Bitte lass mich los'',gab ich mit einer leisen verweinten Stimme von mir. Doch so bald ichauch nur ausgesprochen hatte, warf sie mir einen erneuten bösen Blick zu, ehe sie mir mit der flachen Hand eine harte Backpfeife verpasste. Danach folgten weitere Schläge. Da ich nicht wusste, was ich tun sollte, ließ ich alles über mich ergehen. Mit den Armen versuchte ich mein Gesicht zu schützen.Große Tränen rollten über meine Wangen, sodass ich den salzigen Geschmack meiner Tränen schmecken konnte. Wie eine Wilde schlug sie auf mich ein. Es war kein Hass, sondern pure Verzweiflung die ich spürte.
Sie war mit sich selber am äußersten Rand der Verzweiflung. Sie wusste nicht weiter und das brachte sie um die Besinnung. Doch wie aus dem Nichts, hörte sie plötzlich auf. Irritiert sah ich durch meine verweinten Augen hoch. Mein Rücken schmerzte gleichermaßen wie meine Arme und der restliche Körper.Als ich aufblickte, sah ich wie meine Mutter von Louis zurückgehalten wurde. Meine Mutter wollte laut Schreien, doch Louis hielt ihr den Mund zu. Mit seinem linken Arm umfasste er ihren Bauch sowie ihre Arme und mit der rechten Hand hielt er ihren Mund zu.
Schmerzvoll rappelte ich mich auf und lehnte mich gegen die Wand,gegen welche mich meine Mutter vor zwei Minuten noch gedrückt hatte. ,,Alles OK Valerie?'',fragte Louis mitfühlend und sah mich liebevoll an. Als wäre das Schicksal auf unserer Seite, öffnete sich in diesem Augenblick die Haustür und mein Vater trat mit Jane ein. Er trug einen dunkelblauen Anzug, welchen ihn seriös wirken ließ. Jane hingegen trug wie immer ein viel zu kurzes Kleid mit einem viel zu großen Ausschnitt. Sobald er uns erblickte, entglitten ihm alle Gesichtszüge. Hecktisch rannte er zu uns dreien rüber und baute sich vor Caron auf. ,,Was machst du hier?'',schrie er laut und wütend, sodass mir seine Stimme eine Heiden Angst einjagte.
Damit Caron antworten konnte, nahm Louis seine rechte Hand von ihrem Mund. ,,Ich
hole meine Kinder, welche du mir weggenommen hast'',schrie sie wie eine verrückte, sodass mir erneut die Tränen in die Augen traten.
Es war wie ein böser Albtraum. Ein Albtraum der nicht enden wollte. Augenblicklich galt die Aufmerksamkeit meines Vater mir. ,,Was ist hier passiert Valerie?''.
Seine Stimme klang misstrauisch gleichermaßen wie verschreckt. Als ich ihn jedoch direkt ansah und er meine Verletzungen wahrnahm, entwichen ihm erneut die Gesichtszüge.
,,Caron ich habe dir eine friedlich Scheidung angeboten und nicht bei deinem Alkoholproblem eingegriffen. Ich habe dich in ruhe gelassen. Aber du tauchst hier auf und schlägst dein Kind?'',fragte er wütend, wobei er sich immer mehr vor ihr aufbaut. Ich kannte meinen Vater zwar wütend, jedoch hatte ich ihn noch nie so wütend erlebt.Grob packte er Caron am Arm und entriss sie somit Louis Händen. Daraufhin zog er sie unsanft zur Haustür. Riss die Tür auf und drängte sie nach draußen. Wütend schrie er, ,,Wenn du noch einmal hier auftauchst oder Valerie oder Noah belästigst oder auch nur berührst, landest du in der Entzugsklinik''.
Nachdem er seinen Satz beendet hatte, schmiss er die Tür zu, was mich zum zusammenzucken brachte.
Nachdem die Tür ins Schlossgefallen war, drehte er sich um und rannte zu mir. ,,Geht es dir gut?'' Sein Blick war liebevoll und gleichzeitig besorgt. Im nächsten Augenblick ließ ich mich einfach in seine Arme fallen und weinte. Mein Schluchzen war laut, aber es war mir egal. Ich war glücklich und traurig zugleich.
Ich war glücklich das es vorbei war und traurigdas alles so enden musste. Denn meine Traumblase von einer glücklichen Familie war schon lange geplatzt. ,,Dad ich hatte solche Angst'',schluchzte ich und kuschelte mich noch enger an seine Brust an. Erschrocken von meinen Worten sahen wir uns beide an. Ich nanntemeinen Vater nie 'Dad'. Es war etwas vertrautes und dieses Vertrauen besaß ich nicht in meinen Vater. Jane und Louis standen nur wie erstarrt da und wussten sich nicht zu helfen.Nach dem Vorfall verzog ich mich schnell in mein Zimmer. Sobald ich mein Zimmer erreicht hatte, ließ ich mich erschöpft auf mein Bett fallen. Ich spürte wie meine Muskulatur sich langsam entspannte und eine heiße Träne über meine Wange rannte. Noch nie zuvor hatte ich mich je so schwach und hilflos gefühlt. Ich bemerkte, dass ich erneut anfing zu schluchzen. Ich versuchte es zu unterdrücken, jedoch umso mehr ich versuchte es zu unterdrücken, desto mehr tat es mir weh.
Plötzlich wurde jedoch meine Tür geöffnet, Louis trat in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Erst blieb er einfach nur an der Tür stehen und sah mich mitleidig an. Es ließ mich noch elender fühlen, als ich mich ohnehin schon fühlte.
Nach ein paar Minuten in dener nur so da stand und mich betrachtete, kam er langsam auf mich zu und setzte sich zu mir aufs Bett.Erneut sagte er nichts. Auf einmal rückte er näher und nahm mich in seinen Arm. Augenblicklich schlug mein Herz schneller und eine wohlige Wärme breitete sich auf. Kaum hörbar winselte ich ein leises, ,,Danke'',ehe ich meine Augen schloss und wenig später in das Land der Träume eintrat.

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Lügenmeer
Ficção AdolescenteValerie Black. Ein Mädchen, dessen Familie zerbrach. Ihre Mutter wurde Alkoholikerin und ihr Vater war nie zuhause. Ihre beste Freundin stand ihr zur Seite, aber was ist, wenn sich auf einmal wieder alles ändert? Eine neue Stadt, ein neuer Umkreis u...