Chapter 2

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Und manchmal vermissen wir mehr, was hätte sein können, als das, was wirklich war.


Mason lief bereits zu seinem schwarzen Audi, während ich noch die Haustür abschloss. Unsere Eltern waren Anwälte und arbeiteten von früh bis spät abends. Meistens waren sie sowieso unterwegs, weswegen wir schon von früh an allein klarkommen mussten. Aber so schlimm war es gar nicht, wenn man daran gewöhnt war. Außerdem hatte ich ja auch noch Mason, der zwar manchmal nervte, aber trotzdem immer da war und auf mich aufpasste. Selbst heute noch.

Es war ja schon irgendwie süß, aber es konnte auch gewaltig nerven. Allein schon wenn das Thema Jungs aufkommt. Wenn es nach ihm ginge sollte ich bis ich verheiratet bin, nicht mit einem Jungen reden, geschweige denn mich von ihm berühren lassen.

Ich nenne das SABK. Stark ausgebildete Bruderkomplexe. Ein Hupen riss mich aus den Gedanken. Genervt drehte ich mich zu dem bereits brummenden Auto. Mit schnellen Schritten lief ich durch das nasse Gras und ließ mich auf den Beifahrersitz plumpsen. Mein Bruder war achtzehn und ging in die Zwölfte, während ich siebzehn war und in die elfte Klasse ging.

In der Schule gehen wir uns aus dem Weg, es sei denn jemand hatte etwas vergessen- meist Mason- wie sein Essen oder Geld. Aber es war okay. Schließlich hatten wir beide unsere Freunde und verbrachten den Rest des Tages zusammen. Mein Blick schweifte durch die ruhige Gegend.

Um diese Uhrzeit war noch nicht sonderlich viel los. Wir wohnten in einem stillen Viertel, in dem nichts außer private Wohnhäuser und ein kleiner Supermarkt waren. Weswegen wir auch einen längeren Weg in die Schule hatten, da wir erst in die nächste größere Stadt fahren mussten. Wenn mein Bruder mich nicht fahren konnte, nahm ich meistens den Bus und im seltensten Fall ging ich zu Fuß.

Da musste ich aber schon einen ziemlich guten Tag haben, denn es war eine Herausforderung eine halbe Stunde durchgehend zu laufen. Sportliche Aktivitäten und ich waren keine guten Freunde. Die Sonne schien durch die dunklen Wolken und bestimmt würde es bald anfangen zu regnen. Allmählich spiegelte das Wetter meine immer tiefer sinkende Stimmung wider.

»Wie lange hast du heute?« Unterbrach mein Bruder die Stille. Ich richtete meinen Blick auf ihn. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab. Er sagt immer, wenn ich ihn darauf anspreche, dass das ja große Arbeit wäre, sie so hinzukriegen, damit es so aussieht, als wäre er gerade erst aufgestanden. Angeblich stehen die Mädchen ja darauf. Ich weiß ja nicht, ob es immer so toll ist, wie ein wilder Pudel auszusehen.

Jungs sind schon eine komplizierte Spezies. Als ich ihn ansah, bemerkte ich, wie er mir fragende Blicke zuwarf. War irgendwas? Ich sah ihn perplex an, aber dann fiel es mir ein. Er hatte mir eine Frage gestellt. Aber welche? Ähh...ach ja er wollte wissen, wann ich heute Schluss habe.

»Um drei.« Antwortete ich knapp und er nickte. »Und du?« Fragte ich kurz darauf.                                    
»Halb eins. Du musst also Bus fahren, wenn das klargeht.« Ich nickte. Der Glückliche.

Es war sowieso schon eine Zumutung das wir an unseren ersten Tag nach den Ferien so lange hatten, geschweige denn überhaupt richtigen Unterricht. Ich bezweifle kein bisschen, dass wir die einzige Schule sind, die gleich so richtig durchstartet. Uns wurde sogar schon während den Ferien unser neuer Stundenplan mitgeteilt. Der nebenbei bemerkt auch nicht wirklich die Bohne war. Das war alles wirklich mehr als unfair.

Genervt stieß ich die Luft aus und lehnte meinen Kopf gegen die kalte Fensterscheibe, um die vorbeiziehenden Bäume zu betrachten.

Mason drückte währenddessen einen der tausend Knöpfe, von denen ich keine Ahnung hatte, für was welcher war, und kurz darauf kam eine ruhige Musik aus den Lautsprechern. Der Rest der Fahrt verlief still und ich wäre fast wieder eingeschlafen, hätte Mason nicht den Radiosender gewechselt, aus dem dann irgendwelche Rock-Musik kam.

Seitdem warf ich ihm andauernd Killerblicke zu. Wenn er dachte, dass er damit durchkommt, hatte er sich geschnitten. Was sowas angeht, war ich sehr nachtragend. Vor allem bei ihm, da es nicht das erste Mal war. Er wird schon sehen, was er davon hat. Hinter den blätterbehangenen Bäumen kam unsere Schule in Sicht.

Das triste Betongebäude, bei dem die untere Etage rot angemalt wurde, hatte sich kein bisschen verändert

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Das triste Betongebäude, bei dem die untere Etage rot angemalt wurde, hatte sich kein bisschen verändert. Jetzt weiß ich, was ich nicht vermisst hatte. Wie ich die Schule doch hasste. Das einzige was mich den heutigen Tag überstehen lässt, ist meine beste Freundin Claire. Wir hatten uns jetzt drei Wochen nicht gesehen und ich freue mich, denn ich hatte sie wirklich vermisst. Ihre fröhliche aufgeweckte Art konnte man einfach nur mögen. Wir kannten uns seit wir klein waren, da unsere Eltern schon vor unserer Geburt gute Freunde waren, was uns dann auch zu welchen gemacht hat. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich ihre vertraute Gestalt sah.

Claire stand wenige Meter vor dem Eingang und sah auf ihr Handy. Während Mason das Auto auf einen Parkplatz, in der Nähe vom Schulhof abstellte, verabschiedete ich mich schnell von ihm und sprang aus dem Auto. Ich warf den Rucksack über meine Schulter und sah mich kurz auf dem Schulhof um.

Ich hatte irgendwie ein seltsames Gefühl. Und mein Bauch kribbelte auch unangenehm ich wusste nur nicht wieso. Verwirrt hielt ich Ausschau nach Claire. Ich hatte sie doch gerade noch am Eingang gesehen. Als ich einen kurzen Blick auf mein Handy warf, zeigte die Uhr bereits Viertel nach acht. Es war also noch eine Viertelstunde Zeit, bis der Unterricht anfing. Ich atmete tief ein und blickte weiter über den Hof, der langsam voll wurde und auf dem sich Gruppen bildeten. Die typischen Gruppen halt.

Allerdings hielt ich bei einer mit zusammengekniffenen Augenbrauen inne. Es waren zwei Mädchen und drei Jungs die etwas abseits vor einem neuen Auto standen. Nicht nur das Auto, sondern auch sie selbst zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Aber ich hatte sie hier noch nie gesehen. Ich musterte sie alle genauer. Ich konnte nicht abstreiten, dass das was ich sah, nicht schlecht aussieht.

Jedoch standen zwei der wohl neuen Schüler mit dem Rücken zu mir. Der eine hatte schwarze, der andere braune Haare. Ersterer verstärkte mein Bauchkribbeln und sein alleiniger Anblick jagte kleine Blitze durch meinen Körper. Ich hätte ihn gerne noch weiter beobachtet, aber ich wurde mir der Situation bewusst, weswegen ich den Blick abwandte, da ich mir mittlerweile wie ein Stalker vorkam.

Ein letztes Mal, so schwor ich mir, blickte ich zu ihm. In dem Moment drehte er sich ruckartig um. Mein Atem stockte, während sich sein Blick in meinen bohrte.

soulmates - gefunden | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt