Dr. Jones
„Ich komme gleich zur Sache Dr. Jones. Sie werden sicher noch einiges erledigen müssen."
Die Lippen zusammen pressend strich ich mir mein Haar aus dem Gesicht und hinters Ohr.
„Na gut. Dann fang mal an, schätze ich?"
Wie letzte Woche platzte Ethan wieder fast fünfzehn Minuten zu spät in den Raum rein. Als ich ihn darauf ansprach, meinte er nur dass er noch etwas erledigen musste und ignorierte jegliche fragen die sein Zuspätkommen betrafen. Er lehnte einfach wieder am Fenster.
Mit gelassenen Bewegungen überkreuzte er sein rechtes Bein über sein linkes, die Unterarme beide am Rahmen des Fensters gelehnt und der Blick stets den üblichen Punkt visierend.
„Sehen sie diese Wolken? Wie sie sich immer dichter über den Himmel ziehen und einem die Sicht auf die Sonne versperren?", sagte er mit ziemlich rauer Stimme.
Ein kleines Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, als er kurz stoppte um die Wolken zu bewundern.
„Sie sind so riesig und dunkel im Vergleich zu uns. Fast schon gruselig wie undurchschaubar dicht und trotzdem so unfassbar weich und zart aussehend sie sind. Dabei können sie sogar bis zu tausend Tonnen wiegen. Irgendwie faszinierend, oder? Wie sie so schwerelos über den Horizont gleiten und dabei in gewisser Hinsicht tödlich sein können. Als wären sie dafür geschaffen dich, von ihrer Schönheit fasziniert, ins Verderben zu führen.
„Und was ist dieses Verderben genau?", fragte ich ganz Ohr.
„Finden Sie nicht auch, dass diese enormen grauen Dinger ein wenig an Rauch erinnern?", zeigte er auf die Wolken, während er sprach.
Leise lachte er kurz auf und sah zu Boden. Mit seiner Hand strich er sich über den Mund, als würde er versuchen das Lachen zu unterdrücken. Einen Augenblick lang verharrte er in seiner Position, ehe er sich schnell wieder dem Fenster widmete.
Seine Schläfe an das kühle Fensterglas gelehnt, malte er kleine imaginäre Kreise auf dem Glas. Fasziniert beobachtete er die kleinen Formen in Augenhöhe und hatte dabei wie ein Kleinkind den Mund leicht geöffnet.
„Also geht es ums rauchen?", ertönte meine Stimme nach einigen Sekunden der Stille.
„Nicht direkt.", sagte er knapp.
Abwartend sah ich ihn an, welches er anscheinend bemerkte denn er sprach sofort weiter.
„Jaxon, Sie wissen schon, der eine Junge von den Kassetten. Er hat geraucht."
„Viele Teenager in eurem Alter fangen an zu rauchen das ist nicht unübl,- Nein, nein." unterbrach er mich.
„Nicht er hat geraucht, sondern sein Körper. Im wahrsten Sinne des Wortes.", sagte er formlos.
„Jaxon hat die kleine Hütte hinter seinem Elternhaus in Feuer gelegt. Schade dass er nicht die Aussicht von außen genießen konnte. Hätte ihm sicher gefallen."
Aus heiterem Himmel blieb er in der Bewegung stehen. Seine Finger, die zuvor noch ganz locker am Fensterglas ruhten, bildeten sich zu Fäusten.
Aufgelöst und völlig verstört konnte ich meinen Blick nicht von ihm lösen. Er sah nun wieder starr aus dem Fenster. Es wirkte fast, als würde er nicht Blinzeln, nicht einmal sein Brustkorb bewegte sich.
Schon wieder streifte dieser komischer Kälte Schauer meine haut. Mein Körper war nahezu am Frieren und ich hatte das Gefühl kurz vorm zittern zu sein.
Die Luft war auf einmal ganz schwer und das dunkle Licht schien noch eine Nuance dunkler zu werden.
„Bald ist es soweit Dr. Jones."
„Was meinst du damit?", verwirrt sah ich ihn an.
„Bald ist es soweit."
„Ethan wovon redest du?", fragte ich nachdem ich immer noch nichts verstand.
„Es wird Sie eintreffen wie ein Schuss."
Kurz machte er eine Pause, ehe er weiter sprach.
„Im ersten Moment wird es weh tun. Es wird schmerzen, doch dann trifft die Taubheit ein. Ihr Körper wird immer kälter und kälter. Ihre Finger werden langsam blau, denn ihr Herz lässt immer weniger Blut durch die Adern fließen. Sie werden nicht einmal die Tiefrote Flüssigkeit Ihren Rücken runter laufen spüren. Denn jegliches Körpergefühl, egal in welcher Form, ist weg. Ihre Knie, die sie langsam aber sicher nicht mehr tragen können, lassen sie zu Boden fallen. Doch Ihre Augen sind immer noch offen. Auch wenn Sie schon lange reglos am Boden liegen, sehen Sie alles was um Sie herum passiert. Sie können aber nichts dagegen unternehmen. Sie werden das Blut in dem sie liegen sehen. Schmecken, wie es sich langsam durch Ihre Zähne und über Ihre Lippen einen Weg bis zum Boden macht. Aber Sie können nicht nach Hilfe schreien. Zu fasziniert von den dunklen Punkten, die immer wieder erscheinen und verschwinden. Genauso wie die Menschen in Ihrem Leben. Wie Ihre Freunde."
Er drehte sich um und sah mir emotionslos in die Augen.
„Es war Beatrice's letzte Erinnerung."
thequiet_screamer 💕🤟🏼
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R.E.M. ✓
Mystery / ThrillerWattys 2020 Winner- Mystery/Thriller Grausame und äußerst verstörende Geheimnisse lauern in der White Bird Psychiatry. Der Auslöser- Ethan Nolan. Doch ist er wirklich der wahre Grund für deine schlimmsten Alpträume? Genau diese Frage stellt sich...