Shouting Silence

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Dr. Jones

„Wie geht es dir heute?", fragte ich den Jungen vor mir.

Ich sah ihn an und versuchte Blickkontakt mit ihm aufzubauen. Ethan jedoch sah wie versteinert auf seine Finger und zuckte nur leicht mit den Schultern als Antwort.

Wie so oft hatte er wieder einen blassen, ja fast bläulichen, Unterton auf der Haut. Seine tiefen Augenringe ließen das matte Schimmern seiner Augen hervorstechen und hinterließen den Eindruck einer schlaflosen Nacht, welches die feinen roten Adern bestätigten.

Es war offensichtlich für uns beide eine sehr schlaflose Nacht. Immer noch hallten Olivia's Worte in meinem Kopf. Die ganze Nacht lang konnte ich sie nicht aus meinem Verstand verbannen. Jedes Mal wenn ich über etwas anderes nachdachte, schlichen sich ihre Worte wieder an mich ran.

„Letztens meintest du, dass dich jemand zu etwas gezwungen hat. Erinnerst du dich noch?"

„Dr. Jones, nur weil ich in einer Nervenanstalt bin heißt es noch lange nicht das ich dement bin.", zischte er auf einmal.

„Ja, ja natürlich tut mir leid.", entschuldigte ich mich. Kurz sah er mich genervt an, ehe er sich wieder umdrehte und zum Fenster schaute.

Krampfhaft versuchte er einen Punkt zu visieren, doch seine Augen wanderten immer hin und her. Als würde er versuchen seine Trauer zu unterdrücken.

„Ich denke ich muss Ihnen keine weiteren Details geben. Das hat doch Olivia bereits ziemlich gut geschafft.", sagte er mit einem eher traurigem Unterton, dennoch hörte man seine deutliche Wut durch.

Mir war klar dass ich sein Vertrauen missbrauchte. Es war auch selbstverständlich so zu reagieren, wenn man denkt einer Person vertrauen zu können, aber dann sieht, wie sie einen hintergeht.

„Ethan, hör zu es tut mir wirklich wahrhaftig leid. Ich hatte nie die Absicht dich zu verletzten.", entschuldigte ich mich wahrheitsgemäß. Es hat mir wirklich leidgetan, denn ich denke dass keiner so etwas verdiente.

„Schon Okay. Ich bin das gewöhnt.", sagte er nur knapp ohne mich eines Blickes zu würdigen.

Es war schrecklich dies aus seinem Mund zu hören. Auch wenn ich nun wusste, wie seine Vergangenheit aussah, nahm es mich immer noch aus einem, mir unerklärlichen Grund, mit.

Jedoch hatte ich den seltsamen Verdacht dass das nicht alles war.
Irgendetwas sagte mir dass das nicht die ganze Geschichte war. Dass mehr hinter diesem traurigen Gesicht steckte.

„Ethan, kann es sein dass du auch wegen etwas anderem hier bist.", fragte ich, worauf sich seine
Finger in den grauen Stoff seines Pullovers krallten.

Wieder sah er zu Boden und hielt gewaltsam an den Ärmel seines Oberteiles fest. Sein Gesicht jedoch spiegelte Gelassenheit wieder.

„Was ist der eigentliche Grund?", fragte ich, denn ich bemerkte dass mich mein Gefühl nicht täuschte.

„Um es zu verstehen, müssten Sie die ganze Geschichte hören Dr. Jones."

Er lehnte sich zurück und sah mir trocken in die Augen.

„Dann lass es mich verstehen Ethan.", sagte ich mit einer weichen Stimme, welches er aber nur mit einem Kopfschütteln beantwortete.

„Du weißt Ethan, du kannst mir alles anvertrauen. Wenn du dazu bereit bist natürlich. Du kannst hier loslassen, deinen Gefühlen freien Lauf lassen.", lächelte ich ihn warmherzig an.

„Wissen sie Dr. Jones, manchmal ist loslassen nicht die beste Entscheidung."

„Wieso denn?", fragte ich mitfühlend.

R.E.M. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt