Dr. Jones
Geduldig wartete ich in meiner Sitzgarnitur. Die Beine überkreuzt, wippte ich mit dem rechten Bein auf und ab. Ich beobachtete, wie sich das hellbraune Wildleder meiner Stiefel dabei in verschiedenste Falten legte.
Seit gestern Nacht konnte ich kein Auge zudrücken. Zu sehr beschäftigte mich der Gedanke dass Ethan womöglich mehr zu wissen schien als er zugab.
Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass er ein Mörder war und erst recht nicht ein Massenmörder. Dazu war er nicht imstande. Er hatte vielleicht des Öfteren seine Aussetzer und kann einem manchmal wirklich Angst einjagen, doch ich dachte nicht das er fähig war ein Menschenleben zu rauben. Er hatte doch ein gutes Herz, ganz tief zwischen dem ganzen Kummer und den Schmerzen die er versuchte zu überspielen. Zumindest hoffte ich das.
Die Wolken wurden immer dichter. Sie verfärbten sich in einem hellen jedoch relativ gedecktem Grau. Das Sonnenlicht hatte Schwierigkeiten durchzudringen und somit mussten die meisten Häuser in der Umgebung auf ihre Stromversorgung zählen.
Ein ziemlich gängiger und alltäglicher Ablauf des Tages, jedoch musste dieses Gebäude wieder herausstechen. Denn es wäre zu 'Strom-verbrauchend' das Gebäude vor siebzehn Uhr mit durchgehender Belichtung zu versorgen.
Also mussten räume ohne gute Belichtung auf Batterie betriebene Sparlampen hoffen. Solche, die auch in diesem Raum befestigt waren und welche man nur kurz drücken musste, um sie zu betätigen. Es wurde pro Wand eine dieser runden Dinger angebracht. Normalerweise benutzte man sowas nur in Hütten oder Kellern, doch ich schätze das hier ist nicht all zu sehr entfernt davon.
Manche der Patienten finden jedoch sehr großen Gefallen daran, denn permanent findet sich der Ein oder Andere Quälgeist der die Lampen an und wieder aus macht.
Etwas verwundert hob ich meinen linken Arm und blickte auf meine Uhr. Mittlerweile waren schon zweiundzwanzig Minuten vergangen.
Dies war sehr ungewöhnlich für ihn. Ethan kam nie zu spät.
„Na, was geht so Dr. Jones?!", stürmte plötzlich jemand durch die Tür.
Leicht erschrocken zuckte ich auf und blickte in mir mehr als bekannte Augen. Wenn man vom Teufel spricht.
Trotz seiner altersgemäßen lässigen Umgangssprache wirkte er sehr zurückhaltend und unmotiviert. Ich kann's ihm aber nicht verübeln, denn mir erging es nicht anders.
Die Tür zuschleudernd, schlenderte er anschließend zur Couch. Augenrollend löste ich mich aus meiner gemütlichen Position und wartete dass er sich setzte. Ethan jedoch, so undurchschaubar wie er nun mal war, ging an der Couch vorbei und stellte sich vors Fenster hin.
Gelassen lehnte er sich ans Fenster und schien mich zu ignorieren.
„Alles gut bei dir Ethan? Wie geht es dir heute, lange nicht mehr gesehen?", versuchte ich die Stimmung aufzulockern.
Verdutzt drehte er sich um.
„Wir hatten gestern erst eine Sitzung Dr. Jones.", sah er mich verstört an.Kurz schüttelte er den Kopf, ehe sich sein Blick wieder abwendete.
„Tut mir wirklich leid Ethan. Smalltalk ist nicht jedermanns Begabung.", lächelte ich verlegen. Kurz sah ich ihn an, doch er schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen, also schlug ich den schwarzen Notizblock auf und überlegte, womit wir anfangen könnten.
Doch ohne es zu wollen übernahm Ethan das Wort und bestimmte somit von selbst das Thema seiner heutigen Sitzung.
„Hören Sie dass, Dr. Jones?", sprach er leise und hob dabei den Finger, als würde er auf das Geräusch deuten.
Stirnrunzelnd sah ich auf den Boden in der Versuchung das besagte Geräusch zu hören.
„Tut mir leid Ethan, ich höre nichts.", gab ich nach einigen Momenten der Stille zu.
„Genau dass ist es ja Dr. Jones. Absolute Stille.", schmunzelte er.
„Und was willst du mir damit sagen?"
„Wundern Sie sich auch manchmal was passiert nachdem wir die Augen schließen?"
„Man schläft für gewöhnlich nach einer zeitlang ein.", meinte ich logisch nachdenkend.
„Das meinte ich nicht.", drehte er sich wieder um.
„Ich meinte wenn wir die Augen für immer schließen. Wenn wir aufhören unsere Lungen mit Sauerstoff zu füllen, das Gehirn die letzten Erinnerungen vor unserem inneren Auge abspielt und unsere Organe langsam beginnen in uns zu verfaulen."
„Ich vermute, dass wir uns dann bewusst werden dass unser Leben ein Ende hat und wir dann an einem besseren Ort gehen."
Abwartend sah ich ihn an und wunderte mich, worauf er damit hinaus wollte.
„Aber wo ist dieser Ort? Wo gehen wir hin wenn wir Tot sind Dr. Jones? Wohin gehen wir, während unser Körper im Erdboden verrottet und von Parasiten verzerrt wird? Woher wissen wir das wir unseren Körper nach dem Tod verlassen können? Ist es nur eine Geschichte, damit wir keine Angst vor dem Sterben haben? Denn es gibt doch keinerlei Beweise oder Begründungen, die uns mit Sicherheit sagen können dass wir an einem besseren Ort gehen. Wenn überhaupt, was wenn einige von uns an einem schlechteren Ort verbannt werden? Denken Sie, dass Sie in der Hölle landen?", sah er während seiner Erzählung gedankenverloren zu Boden.
„Ich weiß nicht so recht Ethan, darüber überlegen die meisten Menschen nicht wirklich."
„Aber ich schon. Wissen Sie, ich glaube ich werde in der Hölle landen.", sagte er leise und nickte dabei leicht lächelnd.
„Wieso dass den?"
Schulterzuckend hob er die Arme.
„Keine Ahnung ist nur so ein Gefühl, hab ich öfters. Keira hatte das auch manchmal."„Ach ja?", fragte ich überrascht.
„Oh ja, sie hat sich ständig diese Fragen gestellt. Ich wünschte ich könnte sie jetzt fragen."
„Was den Fragen?"
„Na, ob sie in die Hölle gekommen ist?", rollte er mit den Augen und drehte sich wieder zum Fenster.
Kurz sah ich um mich herum. Das war irgendwie zu erwarten.
„Darf ich fragen wie sie,- Ich weiß es nicht.", sprach er mir ins Wort. Mit gesenktem Kopf drehte er sich um und ging einige Schritte nach vor.
„Ich weiß nicht wo sie ist. Sie ist einfach verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.", spannte er seinen Kiefer an. Seine Adern stachen auf einmal wieder blau hervor und sein rechter Ringfinger begann plötzlich zu Zucken.
Ich wollte ihn noch fragen woher er das wusste, dazu gekommen bin ich aber nicht, denn er stürmte an mir vorbei und verließ, die Tür zuschlagend, den Raum.
Da hatte aber jemand die Kontrolle schneller als üblich verloren.
thequiet_screamer💕🤟🏼
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R.E.M. ✓
Misteri / ThrillerWattys 2020 Winner- Mystery/Thriller Grausame und äußerst verstörende Geheimnisse lauern in der White Bird Psychiatry. Der Auslöser- Ethan Nolan. Doch ist er wirklich der wahre Grund für deine schlimmsten Alpträume? Genau diese Frage stellt sich...