Thread of Life

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Dr. Jones

Ein komisches Piepsen ließ mich kurz auf zucken. Erneut ertönte dieses seltsame Geräusch doch anders als vorhin stoppte es plötzlich.

Ich versuchte meine Augen aufzumachen aber dies gelang mir nicht beim ersten Versuch, denn ein grelles Licht schlich sich durch meine Wimpern. Blinzelnd versuchte ich es nochmal und spürte dabei wie sich mir eine harte und unbekannte Oberfläche in die Wange drückte.

Nach einigen Minuten hörte ich wieder dieses seltsam nervige piepsen und ruckartig riss ich die Augen auf. Augenblicklich hob sich mein Kopf, aber das starke Licht blendete mich. Mit zugekniffenen Augen hielt ich mir die Hand vors Gesicht und spürte ein leichtes brennen in meiner linken Wange.

Als sich meine Augen an das Licht gewöhnten realisierte ich das dieses nervige Piepsen nur das Zwitschern eines Vogels war, der es sich auf einem Ast vor dem Fenster gemütlich machte.

Verwirrt sah ich jedoch das Fenster an. Das war nicht mein Schlafzimmerfenster. Zerstreut und definitiv desorientiert sah ich mich im Zimmer um, ehe ich bemerkte dass ich mich immer noch im Therapieraum befand.

Ich muss wohl gestern während der Recherche eingeschlafen sein.

Sofort machte sich das brennende Gefühl in meiner Wange wieder bekannt. Umgehend wurde mir auch klar warum, denn mein Gesicht machte Bekanntschaft mit meiner Tastatur als ich schlief.

Mit meinen Fingern an der Wange stand ich gähnend auf. Geradewegs zum Mitarbeiterabteil ging ich durch die Tür und steuerte dort auf die naheliegende Toilette.

Gähnend betrachtete ich mich vor dem kleinen Spiegel. Mit meinen Händen versuchte ich meine Frisur halbwegs ordentlich aussehen zu lassen und kniff mir etwas in die Wangen um von den Augenringen abzulenken.

Zu meiner Rechten befand sich neben dem Waschbecken ein kleines Regal, welches mit allen möglichen Hygieneprodukten gefüllt war. Dies war ein Lebensretter für die Nachtschichtarbeiter und wie es aussah auch für mich.

Kurz bückte ich mich um, um ans unterste Fach ran zu kommen. Mir eine Zahnbürste und Zahnpaste nehmend stand ich wieder aufrecht vor dem Spiegel und riss die Verpackung auf. Als diese weg war, legte ich die Zahnbürste erst etwas unter kaltem Wasser. Danach drückte ich eine angemessene Menge Zahnpasta auf die Borsten, nur um sie wieder kurz unter Wasser zu halten, und schließlich wie an jedem anderem Morgen die Zähne zu putzen.

Unbekümmert sah ich zu, wie sich der Zahnpasta Schaum vor meinem Mund bildete, doch plötzlich erinnerte ich mich an das gestrige Ereignis.

Kurz stoppte ich, aber das Ereignis als Einbildung abstempelnd ignorierte ich es. Genauso wie die Tatsache, dass es mein Name war der geschrien wurde und widmete mich wieder meinen Zähen. Beim Ausspucken der Zahnpasta waren die roten Spuren im weißen Gemisch nicht zu übersehen. Zahnfleischbluten, es wird mich vermutlich bis ans Lebensende verfolgen.

Mit frischem Atem entsorgte ich dann die billige Zahnbürste, sowie die Verpackung im Mülleimer neben der Tür und ging in die Cafeteria gegenüber.

Es war knapp vor sieben Uhr und die meisten Mitarbeiter hatten erst um acht Schicht. Darauf gefasst alleine in der Cafeteria zu sein ging Ich schnurstracks zum Kaffeeautomaten quer durch den Raum. Vorm besagten Automaten blieb ich stehen und war kurz davor mir ein Haselnusscappuccino zu nehmen, doch dann fiel mir auf dass ich meine Tasche mit dem Geld im Sitzungsraum liegen ließ.

„Dr. Jones? Was machen Sie so früh hier?", vernahm ich plötzlich eine Stimme hinter mir.

Mich umdrehend entdeckte ich das lächelnde Gesicht von Olivia.

„Olivia, dasselbe könnte ich Sie auch fragen?", lachte ich, als ich sie in ihrer normalen Alltagskleidung sah. Es war eine Seltenheit sie ohne ihre weißen Hosen und dem violetten Oberteil zu sehen.

Lachend stand sie in der Türschwelle und erst jetzt bemerkte ich, wie klein sie eigentlich war.

„Na was denken Sie denn wer hier alles aufräumt nach den Nachtschichten.", lächelte sie, als sie langsam auf einen der Tische zusteuerte.

Mit einem Grinsen schüttelte ich den Kopf und machte es ihr gleich. Auf dem unbequemen Stuhl lehnte ich mich nach vor und stützte meinen Kopf auf die Linke Hand, während meine andere auf dem Tisch ruhte.

„Sie überarbeiten sich Dr. Jones. Das ist Ihnen schon bewusst?", sah sie mich aus ernsten Augen an.

Seufzend nickte ich, denn sie hatte recht. Doch Ethan lässt mir keine andere Wahl.

„Lassen Sie mich raten, ist es Ethan der Sie so beschäftigt?"

„Ist es so offensichtlich?", hob ich die Augenbrauen.

„Wissen Sie, ich kenne mich zwar nicht aus mit ihrem Beruf, aber ich geben Ihnen einen Rat von Frau zu Frau.", fing sie an zu sprechen und rückte ein Stück näher zu mir.

Abwartend nickte ich und sah sie interessiert an.

„Egal wie schwer oder unüberbrückbar der Weg auch scheint, es gibt immer einen Weg hindurch. Wenn es keinen Weg hindurch gibt, dann suchen Sie einen anderen, und wenn Sie keinen anderen finden, dann machen Sie sich Ihren eigenen. Sie dürfen nicht aufgeben Dr. Jones.", hielt sie entschlossen ihre philosophische Predigt der Weisheit.

„Bauen Sie sich einen Weg wenn es sein muss, aber Sie dürfen nie den grünen Faden in Ihrem Leben verlieren.", lächelte sie mich solonisch an.

Doch ich konnte nicht anders als augenblicklich loszulachen und mein Gesicht in die verschrenkten arme zu vergraben.

„Was gibt es da zu lachen? Das war eben eine Lebensweisheit!", regte sie sich gespielt auf.

„Es heißt, nicht den roten Faden verlieren. Das Sprichwort handelt von einem roten Faden.", korrigierte ich sie, und kicherte, als ich ihren verwirrten Gesichtsausdruck sah.

„Was? Wieso, das macht ja keinen Sinn?", zog sie verdattert die Augenbrauen zusammen.

„Ich weiß es nicht. Ich habe das Sprichwort nicht erfunden, jedenfalls weiß ich, dass es ein roter Faden ist und kein grüner."

„Grün ist doch die Farbe der Sicherheit! Da macht es doch Sinn, wenn der Faden Grün ist.", rechtfertigte sie sich, konnte sich dabei aber kein Lachen verkneifen.

Einen Moment lang lachten wir vor uns hin, da wir realisierten, wie dämlich diese Konversation eben war.

„Ich bin immer noch der Meinung, dass ein grüner Faden mehr Sinn ergibt.", äußerte sie sich noch im Ausklang des Lachens, doch plötzlich brachte es mich zum Nachdenken.

Ein grüner Faden? Nicht den grünen Faden verlieren?!

Schlagartig fiel es mir wieder ein. Entgeistert riss ich die Augen auf und schlug überwältigt von meinem Gedächtnis mit der linken Hand auf den Tisch, welches Olivia ein erschrockenes Gesicht entlockte.

„Natürlich! Olivia, nicht den grünen Faden verlieren!", schrie ich ihr regelrecht entgegen und rappelte mich mit großem Grinsen auf.

„Genau, nicht den grünen Faden verlieren?", sagte sie aufmuntert, jedoch mit deutlicher Verwirrung und zerstreuter Miene.

„Sie haben so recht! Danke Olivia!", rief ich noch entgegen, bevor ich fluchtartig die Cafeteria und anschließend das Mitarbeiterabteil verließ.






thequiet_screamer💕🤟🏼

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