Dr. Jones
„Seit Kurzem habe ich ganz andere Wege gefunden meine Gefühle zu verarbeiten. Bessere Wege.", sprach das brünette Mädchen vor mir.
„Wirklich? Das freut mich. Wie denn, wenn ich fragen darf?"
Lächelnd lehnte ich mich in der Garnitur zurück während ich meine Brille abnahm.
„Durch viele Dinge, aber hauptsächlich habe ich die Kunst für mich gefunden. Wenn immer ich mich schlecht fühle, zeichne ich meinen Kummer davon.", lachte sie und spielte mit einer langen Haarsträhne.
Die Freude war ihr regelrecht im Gesicht geschrieben. Zwei dunkle, fast schon schwarze, Knopfaugen schienen förmlich zu funkeln, als sich das grelle Licht in ihnen reflektierte. Es hatte den Eindruck, als wäre es eines der seltenen echten Lächeln, das sich auf ihrem Gesicht bereitmachte.
Vor sich hin grinsend saß sie im Schneidersitz und analysierte ihre Spitzen. Sie waren etwas heller und rötlicher als am Ansatz, fast kastanienfarbig.
Ihr dichtes Haar schlich sich über ihre Schultern nach vorne und verdeckte dabei fast den kadmiumgelben Strickpullover.
„Das ist wirklich schön Alison. Du hast großartige Fortschritte gemacht in den letzten Monaten. Du kannst sehr stolz auf dich sein.", lächelte ich ihr warmherzig entgegen.
„Danke Dr. Jones.", bedankte sie sich, ehe ein zartes Rosa ihre Wangen beschlagnahmte.
Meine Brille zur Seite legend, überkreuzte ich die Beine und verschränkte meine Finger.
„Du musst dich nicht bei mir bedanken Alison, das war alles nur dein Verdienst. Du hast wirklich bewiesen, dass du wieder zu dir selbst finden konntest und das hat sich auch rum gesprochen."
Überrascht sah sie mich an.
„Wirklich?", fragte sie erwartungsvoll.„Weißt du, das sollte eigentlich eine Überraschung sein, aber ich habe gehört dass du so gut aufgefallen bist, dass du sogar in Kürze entlassen wirst.", sagte ich schmunzelnd.
Natürlich war keine echte Überraschung in Form einer Überraschungsparty oder jeglichem geplant. Tatsächlich war es den Leuten hier sogar ziemlich gleichgültig, ob ein weiterer die Klapse verlässt oder beitritt. Hauptsache das Geld stimmte, das war ihr einziges Motto.
Doch ich wusste wie sehr es diesen Menschen, die den Großteil ihres Lebens hier verbrachten, bedeutete und versuchte ihnen eine kleine Freude zu machen. Auch wenn es nur belanglose Worte waren.
„Echt? Ist das wahr Dr. Jones? Werde ich wirklich entlassen?", sprang sie plötzlich voller Vorfreude auf.
Das Lachen zurückhaltend, nickte ich und sah ihr frohmütig beim auf und ab springen zu.
„Ich kann es kaum fassen! Ich bin Ihnen so dankbar Dr. Jones!", kam sie auf einmal den Tränen nahe auf mich zu.
„Vielen Dank Dr. Jones.", umarmte sie mich hastig welches ich natürlich warmherzig erwiderte.
„Nichts zu danken Alison. Ich bin sehr stolz auf dich. Auch wenn ich nicht das Vergnügen hatte dich von Anfang an zu betreuen, durfte ich miterleben wie du in dieser kurzen Zeit zu einer sehr starken und furchtlosen Frau herangewachsen bist.", sagte ich wahrheitsgemäß nachdem wir uns voneinander lösten.
Kurz lächelte sie mich an, ehe sie schnell nach ihrem grauen Teddy griff, welcher während ihrem kleinen Freudentanz gegenüber auf dem Sofa liegen blieb.
„Wäre es in Ordnung, wenn ich heute früher Schluss mache? Ich möchte unbedingt mein Glück in neue Kunstwerke fassen."
„Aber natürlich. Geh nur.", sah ich sie zustimmend an und zeige mit einer Handbewegung auf die Tür.
Glücklich düste sie zu der braunen Tür, doch als sie beim Öffnen plötzlich stehen blieb, drehte sie sich wieder um.
„Man könnte sich keinen besseren Ersatz für Dr. Cooper wünschen.", sagte sie lächelnd und verließ anschließend mit einem kurzen winken den Raum.
In Gedanken versunken starrte ich jedoch noch eine Weile an die Tür.
„Zumindest eine Person, die so empfindet.", flüsterte ich mir selbst zu.
thequiet_screamer💕🤟🏼
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R.E.M. ✓
Mistério / SuspenseWattys 2020 Winner- Mystery/Thriller Grausame und äußerst verstörende Geheimnisse lauern in der White Bird Psychiatry. Der Auslöser- Ethan Nolan. Doch ist er wirklich der wahre Grund für deine schlimmsten Alpträume? Genau diese Frage stellt sich...