He never stopped

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Dr. Jones

Grinsend sah mich Ethan an. Zum ersten Mal sah ich ihn Lächeln. Sonst war er immer so verschlossen und vermied jeglichen Augenkontakt.

„Okay?", fragte ich mehr als verwundert.

„Ja, Okay.", sagte er einfach und blickte mir abwartend in die Augen.

„Also, was wollen Sie von mir wissen Dr. Jones.", schmunzelte er.

„Wieso der plötzliche Sinneswandel?", runzelte ich überrascht meine Stirn.

Er zuckte nur mit den Schultern und biss sich auf die Unterlippe.

Meine Augenbrauen hochziehend lachte ich kurz auf und rappelte mich wieder hoch.

„Na dann, fangen wir an.", meinte ich schief lächelnd und schnappte mir wieder Notizblock und Kugelschreiber.

„Also Ethan, so viel ich weiß bist du zweiundzwanzig, heißt mit Nachnamen Nolan und bist seit vier Jahren hier.", las ich das geschriebene von den vorherigen Sitzungen vor.

Zustimmend nickte er und verschränkte dabei die Finger.

„Gut, dann erzähl doch etwas von dir.", lehnte ich mich im Stuhl etwas nach vor.

Er versuchte die passenden Worte zu finden, tat sich aber offensichtlich schwer damit, denn er sah beängstigt quer durch den ganzen Raum und spielte nervös mit den Fingern.

„Also, ich weiß nicht so recht wie ich anfangen soll?", gab er zu und sah beschämt zu Boden.

„Du musst keine Angst vor mir haben und schämen musst du dich erst recht nicht. Du kannst mir alles erzählen worüber du sprechen willst.", lächelte ich ihn an.

Langsam hob sich sein Kopf und Unsicherheit machte sich in seinem Gesicht bekannt.

„Wenn dich etwas stört, kannst du es mir sagen. Liegt dir etwas auf dem Herzen oder belastet dich, kannst du dich mir anvertrauen. Kommst du mit einigen Dingen nicht klar, kann ich dir vielleicht dabei helfen. Ich bin da um dir zu helfen Ethan. Ich bin für dich da.", betonte ich den letzten Satz.

Augenblicklich wurden seine Gesichtszüge weicher und es hatte den Anschein, als hätte er sich etwas beruhigt.

„Wir gestalten dass hier ganz wie du es willst. Du bestimmst wie schnell es vorangeht und was du mit mir teilen willst.", schenkte ich ihm wieder ein sicheres Lächeln.

Nachdenklich nickte er als Antwort. Durch das kühle Licht das durchs Fenster schien, wirkte er blass. Fast schon unmenschlich. Doch seit dem ich ihn kennenlernte, sah er so aus. Die bläulich wirkende Haut ließ seine Venen in verschiedenen grün und blau Farben durchschimmern. Seine hellbraunen Augen waren immer matt und emotionslos. Deswegen fiel es einem auch schwer seinen wirklichen Gefühlsstand festzustellen. Egal wie überzeugend sein Lachen auch scheinen mag, eine hundertprozentige Sicherheit dass es echt war, gab es nie.

„Ich war ein Waisenkind.", riss mich seine Stimme aus den Gedanken.

„Wie bitte? Tut mir leid, wie war dass nochmal."

„Ich bin im Waisenhaus aufgewachsen, Dr. Jones.", wiederholte er sich.

Sofort blätterte ich die Seite in meinem Notizblock um und fing an mitzuschreiben.

„Meine leiblichen Eltern haben mich in das Saint-Mary Institute gesteckt. Ich war damals sechs Jahre alt."

Leise wiederholte ich das Gesagte, während ich es mir aufschrieb.

„Kannst du dich an deine leiblichen Eltern erinnern?", fragte ich Ethan. Der jedoch schüttelte nur mit dem Kopf.

„Nein, ich kann mich zwar vage an deren Gesichter erinnern, aber mehr nicht." sah er wieder zu Boden.

„Hattest du nie das Bedürfnis sie kennen zu lernen?"

„Um ehrlich zu sein, nein. Nicht im geringsten. Sie haben mich abgeschoben als ich ihnen zu kompliziert war.", spannte er sich plötzlich an.

„Jeder Mensch braucht irgendeine Art von Zuneigung, findest du nicht?", versuchte ich ihn anzusehen. Sein Blick lag jedoch standhaft am Boden.

„Sieben Jahre lang war ich dort.", ignorierte er meine Frage und sprach einfach weiter.

„Das waren sieben sehr einsame Jahre. Aber dann kamen plötzlich diese Menschen zu mir. Aus irgendeinem Grund fanden sie gefallen an mir. Irgendwann war ich auf einmal nicht mehr alleine."

„Dass heißt du wurdest mit dreizehn adoptiert?"

„Ich war nie mehr alleine, Dr. Jones. Egal wann, egal wo. Nicht einmal, wenn ich mir nichts anderes als alleine zu sein wünschte.", wurde seine Stimme immer leiser. An seinen Fingern konnte man erkennen wie stark er zitterte.

„Was willst du damit sagen, Ethan?", sah ich ihn verwirrt an.

„Er hat mich dazu gezwungen, ich wollte es nicht.", wurde er ruckartig laut.

Leicht erschrocken richtete ich mich auf. Den Kugelschreiber umklammernd sah ich bestürzt zu Ethan, welcher seine Knie an sich ran zog und anfing noch mit den Zähnen zu klappern.

„Hey, alles Okay. Beruhige dich. Du musst keine Angst haben, hier bist du sicher.", versuchte ich ihn mit sanften Worten zu beruhigen als ich sah dass sich Tränen in seinen Augen sammelten. So zerbrechlich wie in diesem Moment habe ich ihn noch nie gesehen.

Unbeschreibliche Trauer lag in der Luft und der Kummer, der sich in ihm vergrößerte, schien stärker und beinahe greifbar zu werden.

Das erste Mal zeigte er echte Emotionen. Zwar war Trauer nicht die beste, jedoch war es ein Fortschritt.

Still wippte er vor und zurück, dabei liefen ihm die ersten Tränen die Wange runter und bildeten eine immer größer werdende nasse Fläche unter seinen Unteraugen.

Besorgt wollte ich zu ihm gehen und ihn beruhigen, doch mir war klar dass ihn das nur noch mehr abschrecken würde. Also saß ich hilflos in meiner Garnitur und versuchte ihn mit sanften Worten zu beruhigen.

„Es ist alles gut. Hey, wir können auch aufhören wenn du willst?", bot ich ihm an.

Schlagartig hob sich sein Kopf. Seine glasigen Augen waren weit aufgerissen und sein Mund öffnete sich einen Spalt.

„Das hat er auch immer gesagt, aber er hat nie aufgehört. Er hat immer weiter gemacht.", flüsterte er nur.

Doch ehe ich ihn fragen konnte, was genau er damit meinte, stand er abrupt auf und ging hektisch zur Tür.

Panisch verließ er den Raum und hinterließ mich, mit deutlich gekennzeichneter Verwunderung im Gesicht, alleine im Raum.







thequiet_screamer 💕🤟🏼

R.E.M. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt