48_Hochzeit

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Eigentlich wollte sie nicht laufen. Eigentlich war sie mit hoch erhobenen Hauptes gegangen und hatte Thor einfach stehen gelassen. Darauf war sie sogar fast Stolz. Doch kaum hatte sie die Küche verlassen, warf sie einfach alles über den Haufen. Es war ihr vollkommen egal. Auch die Blicke von den Wachen waren nicht wichtig, auch dass sie beinahe nicht um die Kurve gekommen war und fast gefallen wäre, hatte keinen Wert. Harley lief wie von Monstern verfolgt. Obwohl sie sich hier wirklich prächtig auskannte und der Weg nicht so weit war, kam ihr der Lauf viel zu lange vor. Ihr Atem ging stossweise und ihr Herz ratterte wie ein schlecht geölter Motor. Sie klang fürchterlich und sah auch sicherlich dem entsprechend aus als sie vor der Tür angekommen war. Das brachte sie aber nicht zum Stehen. Ungebremst schmiss sie sich gegen die Tür und stürmte das Gemach. Zwei, drei stolpernde Schritte weiter blieb sie stehen und fand sich in seinem Gemach wieder. In dem von Loki. Da saß er. In seinem Sessel, auf seinem Schoß ein Buch im Kamin brannte Feuer. Es war sogar der selbe verwirrte Blick wie damals den er ihr zuwarf.
„Wieso?" Fragte sie und rang nach Luft. Eigentlich war Harley gut trainiert. Oft gab sie sich kleine Spaßkämpfe mit Thor, sogar nach der Krönung hatte er dafür Zeit gefunden. Aber es war die Mischung. Das flatternde Herz zuzüglich schneller Anstrengung, ließ sie aussehen wie eine Kettenraucherin mit zu viel Gewicht auf den Hüften. So klang jedenfalls das Keuchen.
„Wovon redest du?" Fragte er ruhig und klappte das Buch zu. Aufmerksam sah er sie an.
„Du weisst genau wovon ich rede!" Zischte sie, „Du hast es verweigert. Sag mir warum!"
Seine Mimik veränderte sich.
„Thor." Stellte er fest und legte das Buch auf den kleinen Tisch ab.
„Beantworte meine Frage Loki" forderte sie unbeeindruckt. Der Gott stand auf und ging auf sie zu.
„Solltest du das nicht wissen?" Fragte er spitz. Er verschränkte seine Arme hinter seinen Rücken und beugte sich etwas vor. 
„Stell mir die gleiche Frage wie ich sie dir gestellt habe." Verlangte er.
„Was?"
„Mach schon!"
Harley wich einen Schritt zurück. Das konnte sie doch nicht. Dazu war sie nicht mehr in der Lage. Viel zu lange hatte sie Ales aufkommende verdrängt und bekämpft, was er verlangte, war unmöglich. Doch als sie in seine blaugrünen Augen sah, konnte sie erkennen wie wässrig diese geworden waren. Sie hatten den Glanz verloren, in den sie sich damals so verliebt hatte. Die Farbe war beinahe ausgewaschen, trostlos. Die letzten Monate hatte sie seinen Anblick vermieden und wenn sie ihn zu Gesicht bekommen hatte, sah sie durch ihn hindurch. Jetzt, wenn sie ihn so vor sich sah, wurde ihr bewusst, dass auch er mit dieser Entscheidung, die sie vor circa einen Jahr getroffen hatte, zu leiden hatte. Ihr war das nie aufgefallen. Ihre Lippen bewegten sich, ehe ihr Kopf überhaupt folgen konnte und die Worte kamen stolpernd hervor:
„Liebst du mich noch?"
Sie unterdrückte den Drang mit ihrer Hand ihren Mund zu versiegeln, dafür war es zu spät. Deshalb konzentrierte sie sich auf Loki, welcher die Schultern hängen ließ und seinen Körper die Erlaubnis gab zu erschlaffen. Er wirkte mit einmal erschöpft und ausgelaugt, dafür war sein Blick um so klarer.
„Ja." Antwortete er, was Harley nicht ganz erreichte.
„O'Melly ich liebe dich noch" sagte er und spannte sich erneut an. Sie lag falsch, es war keine Erschöpfung die sie in seiner Gestik lesen konnte, er hatte seine Energien gesammelt für das Folgende:
„Und das werde ich auch noch in tausend Jahren. Ganz egal wie lange es dauern wird, dass du mir vergibst. Ich werde warten. Auch wenn du es nicht kannst, es gibt in meinem Leben nur mehr dich Harley und du wirst es immer bleiben. Deshalb habe ich verweigert, ich will nicht eine vorbestimmte Frau heiraten wenn überhaupt, dann dich. Vielleicht wusste ich es von dem Moment an, als ich dich sah, möglicherweise aber auch erst viel später. Was ich aber mit Sicherheit weiß ist, dass wenn du nicht an meiner Seite bist, jeder Tag von neuen eine Qual ist. Also werde ich warten. Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende, ich warte."
Eine Gänsehaut hatte sich über ihren Nacken gelegt und eine sichtbare Blässe zeichnete sich in ihrem Gesicht ab, die sich ziemlich schnell in eine auffallende Röte entwickelte. Ihre Wangen begannen zu glühen. Ihr Mund ging auf, dann wieder zu, dann wieder auf. Sie kam sich vor wie ein Fisch am Strand, die Atemnot war wohl vergleichbar. Fassungslos stand sie vor ihm, ihre Fingernägel krallten sich in ihre Handballen und der Schmerz zog sie langsam wieder aus ihrer Trance zurück.
„Ist das wieder eine Lüge?" Fragte sie. Ihre Stimmbänder fühlten sich sandig an und verfälschten den Ton.
„Ich werde dir beweisen, dass es keine Lüge ist" versicherte er, „Begleite mich auf die Hochzeit."
„Ich weiß nicht" murmelte sie und strich sich über dem Oberarm. War es kälter geworden, oder war es der fehlende Mut?
„Lass mich nicht darum betteln" sagte er. Er legte seinen Kopf schief und zwang sich sichtlich zu einem Lächeln, dabei wirkte er zugleich unterwürfig und kokett. So eine Mischung und dabei noch so unverschämt gut aus zu sehen, schaffte nur dieser eine Gott - es war zum verrückt werden.
„Na gut."

Feuerteufel (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt