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Hope

Ich weiß was ihr sagen wollt: Wie kann sie nur so eine verdammte Heulsuse sein. Sie hat sich das ganze selbst eingebrockt. Und jeder der das sagt hat ja auch Recht, aber trotzdem muss ich mich darüber beschweren, wie schlecht es mir zur Zeit geht.

Mal ganz davon abgesehen, dass ich immer noch in einer Schule bin, in der mich fast alle, einschließlich meinen Bruder, zu hassen scheinen, habe ich immer noch Einzelunterricht bei unserem ach so tollen Direktor Lexington. Finn ignoriert mich weiter hin und ich muss mich beim Kämpfen immer so unauffällig wie möglich weg ducken, damit niemand auf den Verdacht kommt, dass er meinen Bauch nicht berühren darf. 

Aber das schlimmste von allen ist weiterhin, dass ich es zutiefst bereue gegangen zu sein. Wie konnte ich das nur tun? Wenn ich mich jetzt an die Nacht, ein paar Monate zurück erinnere, wo ich im Schlafanzug zu Chase nach Hause gerannt bin, weil ich einen Albtraum hatte...

...fragt mich nicht, wie ich glauben konnte, es solange ohne ihn auszuhalten.

Es sind nur noch ein paar Tage bis zu dem einen Abend, an dem ich ganz plötzlich irgendwelche ungeahnten Fähigkeiten entwickeln soll. Leider hat mir nie jemand verraten. welche das sein sollen und ich wüsste schon gar keinen, der es mir verraten könnte. Praktisch wäre es gewesen, wenn man einfach den Autor dieser Prophezeiung hätte fragen können, doch ich befürchte ganz stark, dass er sich gerade im Himmel in seinem Liegestuhl zurück lehnt und die Show mit frisch gemachten Popcorn genießt. 

Lange Rede, kurzer Sinn. Ich habe beschlossen zurück zu gehen.

Und ja ich weiß auch wie Hirnrissig es ist, alleine mehrere 100km zurück zu legen, wenn die halbe Welt dich sucht, aber ich habe den Schwangerschaftsbonus. All meine verrückten Einfälle kann ich auf den kleinen Knopf schieben, der da in meinem Uterus heran wächst.

Ganz langsam ziehe ich mir die Schuhe an, setze den Rucksack so leise wie möglich auf und mache das Fenster neben meinem Bett auf. Dann schwinge ich mich auf dem Fenstersims und laufe auf dem schmalen Vorsprung bis zur Feuerleiter.

Und ja, ich weiß auch genau was ihr davon haltet. Nämlich nicht besonders viel. Mir fällt auch niemand ein, der sich einfach so am Haus entlang hangeln würde, als wäre es eine Zirkusattraktion. Bloß ohne gespannte Zuschauer und Zirkuszelt. Und verdammt noch mal, was würde ich jetzt nicht alles für ein Rettungsnetz tun.  

Obwohl wenn ich noch einmal darüber nach denke fällt mir doch eine Person ein, die das tun würde. Es ist genau die selbe, die ganz aus Spaß, ab und zu von Klippen springt. Ja ich bin mir sicher, dass Mason mindestens einmal im Leben auch schon außen am Gebäude geklebt hat, wie eine lästige Schmeißfliege.

An der Feuerleiter angekommen, klettere ich vorsichtig über das Geländer und gehe, so leise wie es möglich ist, die Metalltreppe nach unten. Dort angekommen werfe ich noch einmal einen Blick zurück, drehe mich wieder um und mache ein Schritt auf den Eingang des Waldes zu, als ich auch schon wieder stehen bleibe.

Überrascht sehe ich in die vier Augenpaare, die sich vor mir aufgebaut haben.

"Du bist spät. Wenn wir noch rechtzeitig ankommen wollen, müssen wir uns beeilen." Mir treten sofort Tränen in die Augen. Mein Blick schweift von Viki weiter zu Nino. "Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass wir dich ohne richtigen Proviant gehen lassen oder?" Dabei hält er, wie sollte es auch anders sein, seine Käsebällchen in der Hand und reicht mir halbherzig die Tüte hin.

"Wie Bertolt Brecht damals schon zu sagen pflegte: Kein Vormarsch ist so schwer, wie der zurück zur Vernunft." Mir tritt ein lächeln ins Gesicht. Und als ich von Antony dann auch zu Claire hinüber schaue, sehe ich auf ihrem Gesicht ebenfalls ein aufmunterndes Lächeln. Trotzdem stehe ich kurz davor in Tränen aus zu brechen.

"Was macht ihr denn hier? Verallm du Viki. Du lagst doch gerade eben noch schlafend im Bett." Ich gehe zu ihnen rüber und wir stellen uns alle halb versteckt unter einen großen Baum, bei dem die Äste schon so weit runter hängen, dass uns niemand erkennen könnte, sollte er nicht auf unserer Höhe stehen. Doch da es mitten in der Nacht ist, wird sich wohl keiner mehr im Erdgeschoss aufhalten.

"Mensch Hope. Das du mich nicht einmal von meinem Teddy Bob unterscheiden kannst", tadelnd hält sie mir ihre rechte Hand entgegen, "hast du die letzten Wochen denn gar nichts dazu gelernt?" Lachend legt sie mir ihren Arm über die Schulter.

Gleichzeitig spüre ich ein stechen im Herzen. Alleine das Wort Teddy musste mich an unseren Tag am verlassenen Freizeitpark erinnern, bei dem wir Benny entdeckt haben. Doch ehe ich länger darüber nach denken kann, werden mir auch schein ein paar Käsebällchen direkt vor den Mund gehalten. "Also wie sieht es aus? Machen wir jetzt endlich los oder wollt ihr euch vorher noch mal bei Direktor Lexington verabschieden?"

Entsetzt schlage ich den salzigen Snack vor meinen Augen weg. "Davon träumst du wohl." Dann blicke ich noch einmal in die Runde. "Seit ihr sicher, dass ihr mitkommen wollt? Werwölfe sind sicher nicht gerade eure Lieblings wesen." Vikis Arm verschwindet von meinen Schulte und findet sich kurze Zeit später an meinem Rücken wieder, wobei sie mich nach vorne drückt.

"Ach meine kleine, süße, naive Hope. Du musst noch so viel lernen. Was glaubst du macht uns mehr Angst? Die Werwölfe oder das Kantinenessen hier." Ich glaube ich spreche für alle, wenn ich sage, dass uns ein heftiger Schauer über den Rücken fährt, wenn wir an die zusammengematschte Pampe von letzten Donnerstag zurück denken.

"Na gut. Dagegen kann ich nichts mehr anbringen. Aber ich will kein Gejammer von euch hören, dass ihr zu dolle Fußschmerzen habt. Wir müssen sicher eine ganze Strecke laufen, bevor wir am Rest der Zivilisation ankommen."

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Als kleines Weihnachtsgeschenk für die Leser, die mir immer noch ganz Tapfer folgen habe ich mal wieder ein neues Kapitel verfasst. Ich hoffe ihr hattet Freude beim lesen.

Eure Melody_VS^^

Forever with you ?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt