Ungewissheit

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Die warmen Sonnenstrahlen der langsam untergehenden Sonne blitzten durch die im Wind umherwehenden Vorhänge. Sie kitzelten auf der Haut meines Gesichtes und weckten mich somit sanft aus dem schlaf. Erholt wie schon lange nicht mehr begann ich mich gähnend zu strecken, öffnete langsam meine Augen und blickte auf die Fensterfront des Zimmers, welche weit geöffnet war. Ein lauer Wind wehte durch den Raum und der Duft von Salzwasser gepaart mit dem Zirpen der Grillen weckte umgehend einige Erinnerungen an Strandurlaube aus der Vergangenheit in mir. Immernoch ganz verschlafen rappelte ich mich auf um einen Blick auf die Uhr zu erhaschen. Es war schon fast 20 Uhr, also hatte ich eine gewaltige Portion Schlaf nachgeholt. Nairobi hatte natürlich bereits das Zimmer verlassen. So wie ich sie kannte war sie sicherlich schon nach vier bis fünf Stunden wieder auf den Beinen gewesen. Sie konnte einfach nicht länger still halten. Ich griff blindlings in den Kleiderschrank und zog glücklicherweise einen schönen weißen Zweiteiler zwischen den Unmengen an Kleidungsttücken hervor, welchen ich mir überwarf. Dann band ich mir die Haare zu einem lässigen Bun zusammen und unterzog mich einer kleinen Katzenwäsche. Dann schlenderte ich den langen Flur des Obergeschosses entlang und ging über die große Treppe hinunter in den Wohnbereich des Hauses. Von Draußen war großes Gelächter zu hören, jedoch kümmerte mich das erst einmal wenig, denn mein Magen hing mir schon fast in den Kniekehlen. Und hungrig konnte ich mich kaum selbst ertragen. Ich warf einen Blick in den riesigen amerikanischen Kühlschrank, welcher sich in der pompösen Küche der Villa befand. Auf der Küchenzeile stand jedoch ein Teller voller Waffeln bereit. Ich packte mir, überglücklich über deren Anblick der Waffeln einige auf einen Teller, dazu ein paar frische Erdbeeren, dann ging ich mit meinem Teller nach draußen in den Garten der Finca. Dort befand sich eine große gemütliche Terasse mit Blick über die Klippen aufs offene Meer. Ich ließ mich an dem großen Tisch mit Rattanstühlen nieder um meine Waffeln zu verschlingen. Einige Meter weiter war der Rest der Gruppe am Volleyball spielen. Sie lachten und hatten einfach eine gute Zeit miteinander, sie hatten mich garnicht bemerkt. Es tat wahrlich gut sie alle zusammen zu sehen, glücklich, zufrieden und vor allem am Leben. Es waren alle da außer der Professor und Lissabon, die Beiden saßen wohl schon wieder daran weitere Pläne für uns zu schmieden. Zumindest erhoffte ich mir insgeheim, dass die Beiden noch Pläne für uns im Petto hatten. Nachdem ich meine Waffeln aufgegessen hatte, ging ich langsam auf die Anderen zu, sah mich dabei ständig in der atemberaubenden Gegend um. Dann als ich die Gruppe schon fast erreicht hatte erblickte ich Denver. Unsere Blicke trafen sich und ich sah direkt in seine wunderschönen hellblauen Augen. Jedoch hielt sich mein Blick nicht lange an ihnen fest. Er hatte kein Shirt an und war schon total braungebrannt von der Sonne. Verdammt, er sah so gut aus. Er ließ den Ball wie versteinert an sich vorbei fliegen und kassierte umgehend häme von den Anderen für sein schlechtes Spiel. Jedoch hatte er nurnoch Augen für mich, während sich langsam sein breites Grinsen über seine Mundwinkel zog. Auch ich musste umgehend zu lächeln beginnen als ich seinen glücklichen Gesichtsausdruck sah. Ich hatte sein ansteckendes Lächeln vermisst. Ich hatte ihn vermisst. Und plötzlich spürte ich erneut ein wohliges Gefühl von Glück in mir. Seit wir in Almería angekommen waren war mein Leben wieder besser geworden. Zumindest kam es mir so vor.
„Da ist Kairo!" rief Helsinki wie ein fröhliches kleines Kind und begann mir zu zu winken. „Hey Leute..." sagte ich fast schon schüchtern und blickte meinen Freunden entgegen. Das rötliche Licht der Sonne strahlte mir direkt in die Augen.
„Schön dich zu sehen Kleine" meinte Denver immernoch grinsend und schlang ohne zu zögern seine starken Arme um meinen Körper und drückte mich fest. Dabei streichelte er mir sanft mit der Handfläche über den Hinterkopf und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Gehtˋs dir gut?" fragte er besorgt, ehe er mich wieder los ließ. Ich konnte Rios traurigen Hundeblick förmlich spüren. Mit einer schnellen Augenbewegung sah ich zu meiner Rechten. Und tatsächlich, Rio war ebenfalls anwesend. Er saß auf einem der großen Felsen am Klippenrand, ebenfalls Oberkörper frei. Und auch er sah trotz betröppelter Miene so unfassbar gut aus. Ich schluckte schwer als ich versuchte meine Gedanken abzuschütteln. „Kairo?" fragte Denver vorsichtig und stupste mir dabei gegen die Schulter. „Ehm... klar mir gehtˋs gut. Bin etwas durcheinander" antwortete ich verlegen und lächelte ihm zu. Schon wieder war ich Gedanklich hin und her gerissen. Natürlich hatte ich Denver vermisst und würde gerne stundenlang mit ihm über unsere Flucht und das alles hier quatschen. Aber ich konnte mich einfach nicht von den Gedanken an Rio und seinen Gefühlen lösen. Ich wollte doch niemanden enttäuschen. „Und dir? Gehtˋs dir gut Denver?" fragte ich und streichelte ihm sanft über seine Schulter. Er schien heil durch die Sache gekommen zu sein. Keine offensichtlichen Verletzungen. Im selben Moment checkte ich ob es den Anderen auch an nichts zu fehlen schien. Sie präschten weiter den Ball hin und her, sprangen wie wild umher und kicherten laut. Sie waren alle Gesund und Munter. Gott sei Dank.
„Ja mir gehtˋs super Kleine. Du weißt doch, um mich musst du dir keine Sorgen machen" meinte Denver lachend und rannte zurück aufs Spielfeld um sein Team vor dem Verlieren zu bewahren. Lachend und kopfschüttelnd ging ich einige Meter weiter. Stockholm und Nairobi hatten es sich mit einer Decke auf der Wiese gemütlich gemacht um die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu erhaschen. Ich gesellte mich zu ihnen, gab Stockholm eine liebevolle Umarmung zur Begrüßung und nahm dann ebenfalls auf der Decke platz. Wir unterhielten uns eine ganze Weile über jegliche Themen und langsam schien die Sonne hinter dem Ozean zu versinken. Mein Blick war immer wieder zu Rio gewandert, welcher wie versteinert am Klippenrand saß und in die Ferne starrte. Irgend etwas schien nicht mit ihm zu stimmen.
„So wir gehen dann mal langsam rein, die Meute hat sicher schon großen Hunger oder?" sagte Nairobi mit extra lautem Ton um die Anderen mit nach Drinnen zu locken. Schnurstracks ließen die Jungs den Volleyball fallen und liefen grölend in Richtung Haus. „Das zieht immer" kicherte Nairobi vor sich hin und machte sich ebenfalls auf den Weg ins Haus. Stockholm verdrehte lachend die Augen und folgte ihr. Ich war schon dabei den Beiden nach zu gehen, jedoch saß Rio immernoch alleine an den Klippen. Was war nur los mit ihm? Ich nahm eine der Decken vom Boden und ging zu ihm rüber. „Rio..." sagte ich vorsichtig um ihn nicht zu erschrecken. Ich musste mich ziemlich zusammen reißen um nicht beim Blick in die Tiefe in Panik zu geraten. Die Klippen waren ganz schön hoch und unten peitschten die Wellen gegen die hohen Steinwände. „Hey Kairo..." begrüßte er mich mit betrübter Stimme. Ich wickelte die Decke um meinen Oberkörper, ließ mich neben ihm nieder und warf meinen Arm um seine Schultern um ihn ebenfalls zu zu decken, da es langsam abkühlte und er immernoch ohne Shirt da saß. „Danke" meinte er lächelnd, rückte etwas näher an mich heran und ich legte meine Hand auf seinen Oberschenkel. „Was ist los mit dir? Du scheinst heute so...abwesend zu sein?"
Er zuckte nur mit den Schultern. „Ach ich weiß auch nicht..." Ich sah ihn an und hob fragend eine Augenbraue. „Eigentlich solltest du glücklich sein. Wir sind in Sicherheit, wir sind alle zusammen und uns geht es gut" sagte ich ihm und lächelte ihm aufmunternd entgegen.
„Nein Kairo. Genau das ist ja das Problem. Wir sind nicht in Sicherheit, nicht so lange wir noch auf Spanischem Grund und Boden sind. Alle Welt sucht uns. Es könnte jeden Moment wieder vorbei sein. Wir wurden hier doch nur her gebracht damit der Professor uns beibringen kann wie wir ohne ihn zurecht kommen. So war es das letzte Mal schon. Wir sind jetzt vielleicht ein paar Tage glücklich und Zufrieden aber danach werden wir alle auf der ganzen Welt verteilt und müssen alleine zurecht kommen. Ohne einander.." Er sah mir mit diesem unfassbar traurigem Blick in die Augen und ich schluckte schwer. Er hatte recht. Nichts würde so bleiben wie es gerade war. Was wenn er recht hatte? Was wenn wir wirklich alle voneinander getrennt werden. Eine wirklich unfassbar traurige Vorstellung. Die Gruppe war zu meiner Familie geworden. Wie zur Hölle sollte ich ohne sie weiter leben ? Beim Gedanken daran die Anderen nicht mehr sehen zu können lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. War es wirklich des Professors Plan uns zu trennen ?

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