Blutige Hände

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Mein Blick wanderte unsicher zwischen Denver, Rio und Helsinki umher.
Als Rio meinen Blicke endlich erwiderte, machte ich ihn mit einer vorsichtigen Handbewegung hinter meinem Rücken auf meine Handfesseln aufmerksam.
Rio entsicherte seine Waffe mit gekonntem Handgriff und ging Zielsicher auf den Inspektor zu. „Lassen sie jetzt ein für alle Mal die Waffe fallen Señor! Wir werden sie nicht nochmal darum bitten!" schrie er ihn mit rauem Ton an. So hatte ich Rio selten erlebt. Doch der Inspektor ließ nicht locker, im Gegenteil. Er stieß mich zur Seite. In seinen Augen war ich wohl nurnoch unbewaffneter Ballast. Dann hielt er seine Waffe gegen Denver. „Der Einzige der seine Waffe fallen lassen wird ist der Typ hier" meinte er dann harsch und presste ihm den Waffenschaft noch fester gegen die Stirn. Denver kaute fest auf seinem Unterkiefer. Er wollte sich nicht einfach geschlagen geben, doch was würde es schon bringen sein eigenes Leben zu opfern. Also tat er was der Inspektor sagte um ihn zu beschwichtigen und Pérez beförderte Denvers Waffe mit einem Schuss auf die andere Seite des Raumes. Unterdessen schlich ich mich langsam am Boden entlang zu Rio, welcher sein Messer nahm und mich aus den Handfesseln befreite, ehe er mir kurz erleichtert über den Hinterkopf streichelte.
„Es würde mich sehr erfreuen, wenn der Rest der Meute ebenfalls damit aufhören würde seine Waffen auf mich zu richten" betonte Pérez nochmals und leckte sich dann konzentriert über die Unterlippe. Helsinki ging noch einen Schritt näher auf ihn zu, was ihn nur noch mehr dazu bewegte Denver zu drangsalieren. „Keiner wird hier drin aufgeben Señor. Na los sie müssen uns schon alle abknallen damit sie in Ruhe fliehen können!" knurrte Denver ihm daraufhin wutentbrannt entgegen. Dann geschah es.
Denver trat ihm mit einem festen Tritt gegen sein Schienbein und der Inspektor ging zu Boden, dabei entfielen ihm zwei Schüsse, einer quer durch den Raum und einer hoch in Richtung der Decke. Stockholm, die die Geiseln in den Nebenraum getrieben hatte, spähte entsetzt von der Türe aus ins Foyer und machte sich bereit sich ebenfalls für ihre Gruppe einzusetzen. Der Inspektor richtete sich wieder auf. Sein Blick war unbeschreiblich. Mir war nicht klar was in Denver gefahren war. Er stand einfach vor ihm, wollte sich ihm ganz unbewaffnet stellen. Er musste mal wieder den Helden spielen.
Es war als würde sich alles in Zeitlupe abspielen.

Und dann wurde mir klar, dass genau jetzt meine einzige Chance war das alles wieder in Ordnung zu bringen. Dieser Moment würde darüber entscheiden, was mein Fehler anrichten würde. Also sprintete ich so schnell ich konnte zu Denvers Waffe, ließ mich daneben über den Boden schlittern, schnappte sie mir und zielte auf den Inspektor. Und noch bevor dieser auf Denver oder irgend jemanden sonst schießen konnte, schoss ich eine einzige Kugel in seine Richtung. Und genau diese eine Kugel traf Pérez in den Brustkorb.
Die Waffe glitt ihm aus der Hand und er fiel zu Boden.
Ich schloss meine Augen. Ich wollte mir nicht mit ansehen was geschah.
War es die Klarheit darüber, dass ich gerade um haaresbreite Denver verloren hätte oder war es doch die Gewissheit darüber, dass ich gerade einen Polizisten niedergeschossen hatte, welche mich völlig aus der Bahn warf?
„Kairo!" schrie Rio panisch und ich riss meine Augen wieder auf, setzte mich auf und starrte zu Pérez. Helsinki tastete gerade nach seinem Puls. Dann schüttelte er missmutig mit seinem Kopf. „Ganz schwacher Puls." Dabei sah er Denver mit einem unbeschreiblichen Blick an, welcher mich nur noch mehr in meinen Gedanken bestätigte. Ich war sowas von am Arsch. Ich war am Ende. Lebenslang. Nie wieder würde ich aus dem Knast kommen. Es klebte von jetzt an Blut an meinen Händen, noch dazu das eines Beamten. Ich war ein Copkiller. „Scheiße Kairo!" schrie Stockholm von der Seite und lief ständig ins Foyer, dann wieder zurück zu den Geiseln, welche natürlich ebenfalls außer sich waren. „Scheiße Verdammte! Gott verdammte Scheiße!!" schrie Denver vor sich hin und Schlug die Arme über dem Kopf zusammen. Und ich saß einfach da, auf dem kalten Boden. Es fühlte sich an als würde man den Boden unter mir wegreißen. Ich hatte wohlmöglich jemanden umgebracht. Es war höchst unwahrscheinlich, dass er es mit derart Verletzung überleben konnte. Getötet.. ich hatte jemandem das Leben genommen. Was wenn er Kinder hatte? Oder eine Frau? Seine Eltern waren wohlmöglich auch noch am Leben. Alle um mich herum schrien, gingen den Raum auf und ab, doch ich konnte nicht reagieren. Ich sah die Waffe in meinen Händen an und warf sie angewidert zur Seite. Was war nur aus mir geworden? Kairo, die Mörderin. Das war doch nicht ich.
Ich versuchte mich gerade wieder zu sammeln, da kam mir der Knopf in Pérez' Hemd wieder in den Sinn. Das Mikrofon...
Ich stand auf, konnte mich kaum auf meinen Beinen halten. Mein gesamter Körper zitterte. „Komm her Kleine..alles wird wieder gut. Wir regeln das schon" sagte Denver mir beruhigend, dabei hatte er aber diesen besorgtem Unterton. Er kam mir mit geöffneten Armen entgegen. Doch ich lief an ihm vorbei. Ich ging schnurstracks auf die Anderen zu. „Mikrofon..Knopf" bekam ich gerade so zwischen meinen Lippene hervor und zeigte auf Pérez. Dann legte ich meine Hand auf meine Stirn und begann nach Luft zu ringen. Mir wurde so unglaublich heiß. Ich fühlte mich als würde ich jeden Moment kollabieren. Helsinki sah mich verwirrt an, doch Rio wusste genau was ich meinte. Er zupfte an Pérez' Hemd herum, dann zog er das kleine Mikrofon aus dem Stoff und zertrampelte es umgehend auf dem Boden. „Wir müssen ihn draußen auf den Vorplatz der Bank bringen. Vielleicht können sie ihm ja doch noch irgendwie helfen. Sie wollte das nicht..das wäre die einzige Chance die Sache wieder gerade zu biegen" sagte Rio aufgeregt und griff umgehend unter Pérez' Arme. Helsinki nahm ohne Worte seine Beine und Denver ging schnell zum Tor um es zu öffnen.
Die Sonne strahlte mir direkt in die Augen als das Tor sich öffnete. Während die Anderen den regungslosen Körper nach draußen trugen. Starrt ich mit leerem Blick nach darußen. Die Truppen begannen sofort nach Helsinki und Rio zu feuern, doch sie sprinteten mit mehreren Ausweichmanövern zurück in die Bank. Auf mich sollten sie feuern für das was ich getan hatte, nicht auf sie. In meinem Kopf wimmelte es nur wieder von Gewissensbissen. Das Tor schloss sich wieder und ich starrte weiter auf die stählernen Tore. Mein Leben war ruiniert. Solch ein Gefühl hatte ich noch niemals zuvor. Leere und Angst.
Ich pickte mir unruhig an den Fingernägeln herum. „Kairo.. komm schon. Vielleicht bekommen sie ihn wieder hin, die haben da draußen ne Menge guter Ärzte" meinte Rio verunsichert und versuchte mich dabei in seine Arme zu schließen. Doch ich drehte ihm den Rücken zu und lief einfach wortlos nach Oben, ohne noch einen weiteren Blick auf den Rest meiner Gruppe zu richten.

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