Der Wolf und die Geislein

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Nachdem Rio und Helsinki verschwunden waren. Packte Denver einen Arm unter meine Beine, den anderen hinter meinen Rücken. Dann trug er mich zum Fahrstuhl. Mein Kopf dröhnte. Ich war wie benebelt und meine Ohren sausten immernoch vom Druck in der Schleuse. Den Blick auf die Decke gerichtet, die schnell an mir vorbei zog wie Wolken im Sturm, hatte mich Denver in die Bibliothek getragen. Er ließ mich auf dem Tisch nieder und starrte in meine leeren Augen, dann sah er rüber zu Nairobi. „Was ist mit ihr?" sagte diese und trat einen Schritt auf mich zu. Denver klöpfelte mir leicht mit dem Handrücken gegen die Wange „Kairo, sag was." Sein Blick wurde ernster.
„Was? Wieso sagt sie sichts ?" fragte Nairobi ihn besorgt. Denver besorgte sich die kleine Taschenlampe vom Tisch nebenan und leuchtete mir damit in die Pupillen, welche sich schlagartig verkleinerten. Ich bekam alles mit, doch mein Körper war wie versteinert. Mit aller Kraft versuchte ich meinen Mund zu öffnen, was mir nicht gelang. Ich bekam keinen Ton raus. Was war los ? Wieso konnte ich nichts sagen ? Mein Augen schnellten verzweifelt zwischen Nairobi und Denver hin und her.
„Schon gut Schatz. Alles gut..." sagte Nairobi liebevoll und strich mir meine Haare aus dem Gesicht, ehe sie Denver einen fragenden Blick zuwarf. Denver dagegen biss sich nervös auf der Unterlippe herum. Dann griff er verzweifelt nach dem Hörer des Telefons und rief den Professor an.
„Wir haben hier verdammt große Probleme Professor" fiel er direkt mit der Tür ins Haus. Ohne den Professor überhaupt zu Wort kommen zu lassen fuhr er fort „Gandía dieses Arschloch! Er hat versucht Kairo zu ertränken und jetzt will er die Geiseln befreien!" Der Professor versuchte etwas zu sagen doch er wurde wieder unterbrochen. „Verdammte Scheiße Professor sie redet nichts mehr! Kein Wort. Was machen wir jetzt verdammt?" Der Professor konnte nicht glauben was er da hörte. „Sind die Anderen auf der Suche nach Gandía?" fragte er nervös.
„Sie suchen ihn schon, ja" meinte Denver knapp. „Professor, verdammt ihr Herz hat nicht mehr geschlagen, wir mussten sie zurück holen. Warum sagt sie denn nichts..." fuhr er dann fort. „Wie lange war sie ohne Sauerstoff ?" fragte der Professor vorsichtig. Denver warf einen fragenden Blick zu Nairobi.
„Ich weiß nicht.. vielleicht drei Minuten..oder fünf.." sagte diese nur schulterzuckend. „Circa fünf Minuten Professor.." stotterte Denver in den Hörer und schluckte daraufhin schwer.
„Das Menschliche Gehirn ist nicht darauf ausgerichtet so lange ohne Sauerstoff zu funktionieren. Nach fünf Minuten treten irreparable Schäden auf.." der Professor schnaufte schwer durch die Leitung ehe er fortfuhr. „Nach circa zehn Minuten ohne Sauerstoff ist ein Mensch klinisch tot.. jedoch kann es auch nur eine Art Schockzustand sein. Sie hatte wohl eine Nahtoderfahrung. Gebt ihr Sauerstoff und eine Infusion, damit sie ausreichend Flüssigkeit bekommt. Ihr müsst abwarten ob sich der Schockzustand löst, wenn nicht dann.. können wir nichts mehr tun.."
„Danke Professor" antwortete Denver leise und legte den Hörer auf.
Nairobi schüttelte ungläubig den Kopf. Dann schloss sie mir die Geräte an und legte einen Zugang für die Infusion.

Mein Blick war zur Decke gerichtet. Ich konnte alles mithören. Das alles hatte sich angehört als wäre ich halb tot, aber ich bin doch hier. Nairobi ich bin hier dachte ich und blickte sie mit meinen Augen an. Sie war zu konzentriert und hatte meinen Blick nicht wahrgenommen. Ich bin doch hier sagte ich mir erneut und meine Augen schwiffen rüber zu Denver, welcher nervös im Raum auf und ab ging und sich dabei mit der Handfläche durchs Gesicht streichte.
Es war als wäre ich gefangen. Gefangen im eigenen Körper. Ich wollte sprechen, aber das konnte ich nicht. Wollte nach Nairobis Hand greifen, aber auch das war nicht möglich. Mein gesamter Körper führte keine meiner Anweisungen mehr aus. Ich begann innerlich in Panik zu verfallen.

Unterdessen waren Helsinki und Rio im Foyer angelangt. Gandía befand sich am Pult zum öffnen des Tores. Die Geiseln reihten sich startbereit hinter ihm auf.
Palermo, Tokio und Stockholm hatten bereits ihre Waffen auf ihn gerichtet.
„Ich schwöre dir Gandía, berührst du diesen Knopf, dann sorge ich dafür dass du nie wieder in deinem Leben eine Berührung in deinem Genitalbereich verspüren wirst!" rief Tokio ihm mit wutverzerrter Stimme entgegen.
„Gandía wir sind jetzt zu fünft, es nützt nichts den Helden zu spielen wenn wir dich dafür abknallen müssen!" fügte Palermo hinzu nachdem er Helsinki und Rio kommen sah. „Nimm deine dreckigen Hände nach oben und geh weg von dem Pult! Oder willst du deinen Sohn zum Halbwaisen machen?" raunte Palermo erneut und entsicherte seine Waffe, die er auf seine Brust gerichtet hatte. Gandía zögerte, jedoch sah er es relativ schnell ein dass ein Aufstand zwecklos war und nahm seine Hände nach oben. Stockholm ging mit schnellem Schritt auf Gandía zu und entwaffnete ihn. Dann ließ sie die Waffe über den Boden direkt zu Tokio schlittern, welche sie mit ihrem Fuß stoppte.
Stockholm nahm seine Hände, zog sie ihm hinter den Rücken und verschloss die Handschellen wieder, die sich immernoch an seinem Handgelenk befanden. Dann führte sie ihn ab. Tokio, Helsinki und Palermo begannen damit die Geiseln wieder auf ihre Plätze zu bringen. Rio dagegen ging ohne zu zögern auf Gandía zu, ehe er ihm den Schaft seiner Waffe an die Schläfe presste. „Du dreckiger Bastard!" knurrte er mit ungewohnt böser Stimme. „Soll ich dich jetzt gleich abknallen oder soll ich dich vorher auch erst ein bisschen quälen?" Stockholm fiel vollkommen vom Glauben ab. „Rio was machst du da bitte??" fragte sie ihn ungläubig von der Seite.
„Dieser Bastard hat versucht Kairo im Goldtresor zu ertränken" antwortete er ihr kalt und entsicherte dabei seine Waffe, welche er dann nur umso härter gegen seinen Kopf presste. Auch Tokio und Palermo drehten sich nun fassungslos um.
„Halt!" rief Palermo ernst. „Was sagst du da Rio?" Er ging auf die drei zu und Helsinki packte ihn an der Schulter. „Es stimmt was er sagt Palermo" sagte er mit ruhiger stimme. „Du verfluchter..." schrie er wütend und hielt ihm ebenfalls die Waffe an den Kopf. „Ich schwöre dir wenn das hier vorbei ist werden wir dich finden Gandía und dann stehst du nicht mehr unter dem Schutz des Professors."
Er sah ihm wuterfüllt in die Augen und nahm seine Waffe wieder runter, ehe er auch Rios Waffe langsam mit der Hand von seinem Kopf nahm. Dann ging Stockholm ihn wieder fesseln. „Tokio und Stockholm, ihr passt auf die Geiseln und den einsamen Wolf hier auf" meinte er nüchtern und blickte noch,als zu Gandía. „Wir gehen nach Kairo sehen." Er nickte Rio und Helsinki zu, ehe sie wortlos zusammen nach oben gingen.

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