Momente von Glück

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Da saßen wir nun. Rio und ich, inmitten von circa 60 Geiseln.. pardon ich meine natürlich 59, einer ging uns ja bedauerlicher weise abhanden. Ich versuchte mir einfach einzureden es sei eine Art natürlicher Schwund. Menschen machen eben Fehler und dieser Typ war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Rio und ich schwiegen uns eine ganaze Weile an. Wohlmöglich beschlossen sowohl er als auch ich die Vorkommnisse der letzten Nacht einfach aus unseren Gedächtnissen zu löschen und uns gegenseitig zu anzuschweigen.
Ich tippte nervös mit meinen Fingernägeln auf meiner Waffe herum, welche auf meinem Schoß lag, und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Nach der ganzen Aufregung des Morgens war endlich wieder Ruhe eingekehrt. Ich beobachtete die Leute und versuchte herauszufiltern wer von ihnen mir nochmals Probleme bereiten könnte. Dabei blieb mein Blick an einem der mit Handschellen festgeketteten Sicherheitsbeamten auf der anderen Seite des Raumes hängen. Es war Gandía, einer Sicherheitsbeamten des Gorbernadors.
Gandía sah mich ebenfalls an und begann mir Küsse zuzuwerfen, dabei hatte er diesen widerlichen Blick drauf. Ich runzelte die Stirn und er begann vor sich hin zu lachen. Da hatte ich ihn, einen von denen der sicherlich noch Probleme machen würde, doch ab jetzt hatte ich mir vorgenommen keinen dieser Leute mehr aus den Augen zu lassen und ich hoffte inständig dass mein Plan aufgehen würde. Ich brach den Blickkontakt mit Gandía ab und tippte weiter nervös auf meiner Waffe herum, bis Rio irgendwann meine Hand festhielt um mich zu stoppen. „Du machst mich nervös Kairo" sagte er leise damit die Geiseln es nicht hören konnten. Ich sah zu ihm rüber und hob eine Augenbraue an.
„Oh du redest mit mir ?" fragte ich ihn mit sarkastischer Stimme.
„Natürlich, wieso sollte ich das nicht tun ?" Er warf mir einen fragenden Blick zu. Ach, so war das. Er wollte dass wir seinen kleinen Fehler von heute Nacht vergessen. Daran wollte ich ihn natürlich nicht hindern.
„Alles gut, mach dir keinen Kopf Rio" sagte ich und entschied mich dann doch nicht so hart zu ihm zu sein. Schließlich hatte er mir auch aus dem Schlamassel mit der Geisel ausgeholfen. „Und danke nochmal dass du vorhin die Warheit gesagt hast. Palermo hätte mich wohl sonst einen Kopf kürzer gemacht."
Ich musste schon ein wenig schmunzeln als ich an Palermos wütenden Aufstand von vorhin dachte. Er erinnerte mich ein wenig an Rumpelstilzchen wenn er ernst war. „Geht das überhaupt? Noch kürzer?" antwortete Rio mir lachend.
Damit wollte er wohl auf meine kleine Körpergröße anspielen. Ich konnte nicht anders und musste ebenfalls lachen. Naja zumindest bis wir von Palermo unterbrochen wurden, welcher immernoch wütend auf uns zustampfte.
Da war es wieder, das Rumpelstilzchen. „Was lacht ihr denn so blöd?"
Rio und ich sprangen immernoch kichernd vom Boden auf und ich hielt mir meine Hand vor den Mund um mein lachen zu stoppen.
„Tut mir leid Palermo.." sagte ich dann und meine Miene wurde ernst.
„Hast du mit dem Professor gesprochen ?" fragte ich ihn dann und plötzlich musste ich wieder an die brenzliche Situation von vorhin denken. So schnell war er vorbei, dieser kleine Moment von Glück. Wie alles im Leben war auch er vergänglich. „Er hat alles auf den Überwachungskameras mitverfolgt. Begeistert war er nicht, das kann ich euch sagen. Aber er hat dich in vollen Zügen gelobt Kairo. Ich zitiere: Du hast dich richtig ins Zeug gelegt fürs Team. Auch wenn die Aktion nach hinten hätte losgehen können, du hast mut gezeigt. Es hat ihm gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war dich zu uns zu holen, allerdings werden wir dir noch ein Schießtraining organisieren müssen. Und zu dir Rio, kurz und knapp..du sollst dich gefälligst an die verdammten Regeln halten und nicht einfach davon laufen wenn du auf die Geiseln aufpassen sollst du Spinner."  Palermo nickte uns beiden zu. „Nochmal Glück gehabt mh?" sagte er dann neckisch und grinste schief. Mir war eine Last von den Schultern gefallen. Der Professor war nicht sauer auf Rio und mich und die Aktion hatte auch keine ernstzunehmenden Konsequenzen. Wir konnten aufatmen. Palermo stampfte wieder davon. Kurze Zeit später war unsere Schicht zu Ende und wir warteten auf unsere Ablösung. Es waren Tokio und Stockholm. Beide liefen uns mit ausdrucksloser Miene entgegen. „Wir sind da, ihr könnt euch jetzt ausruhen gehen.. oder was auch immer" meinte Tokio schnippisch während ihre Augen erst zu Rio und dann zu mir blitzten. Rio grinste dabei vor sich hin und schüttelte nur mit seinem Kopf, ehe er wortlos nach oben ging. Genau das war die Situation vor der ich mich gefürchtet hatte. Tokio konnte ein richtiges Miststück sein, mit ihr sollte man sich eigentlich nicht anlegen, aber ich hatte keine Wahl. Ich hätte sie lieber zur Freundin als zur Feindin und auch Stockholm wäre eigentlich eine der Frauen mit denen ich mich draußen im wahren Leben schnell angefreundet hätte, nun ja zumindest auch nur dann wenn sich ihr Mann nicht für mich interessieren würde.
Ich beschloss mich erst einmal zurück zu ziehen, aber nicht nach oben zu Rio. Ich ging nach unten in den Keller zu Nairobi und Helsinki.
Im Keller der Bank angekommen sah ich den Beiden eine Weile bei ihrer Arbeit zu und dachte über alle Geschehnisse hier in der Bank nach.
Als Nairobi endlich eine ruhige Minute hatte erzählte ich ihr alles was oben im Foyer passiert war, während sie hier unten am arbeiten war. Natürlich war sie nicht Begeistert von meinem Wagemut. „Auch wenn das alles nicht nach Plan gelaufen ist bin ich wahnsinnig stolz auf dich Schätzchen, aber nächstes Mal machst du die verdammte Tür einfach zu und rennst keinem, wirklich keinem hinterher nach draußen okay ? Du bist jetzt deren Zielscheibe, genau wie wir. Ich hoffe du hast das verstanden" bläute sie mir ernst ein und nahm mich dennoch kurz darauf fest in den Arm. „Ich hab dich lieb Kairo."
Zwei Stunden hatte ich noch mit den Beiden verbracht und ihnen ein wenig dabei geholfen das geschmolzene Gold in die Säcke zu verpacken. Wir hatten viel gelacht da Helsinki mir lustige Geschichten aus seiner Vergangenheit erzählte.   
Irgendwann sah ich wieder auf meine Armbanduhr und wurde hektisch.
„Mist schon 17:48 ich bin gleich zur Essensausgabe eingeteilt. Sorry Leute ich muss euch verlassen.." nuschelte ich vor mich hin und gab beiden flüchtig einen Kuss auf die Wange. Helsinki kam mir schon jetzt vor wie ein Art großer Bruder, ich fühlte mich so wohl bei ihm und Nairobi. Zum ersten Mal nach 3 nervenaufreibenden Tagen fühlte ich mich wieder gut. Dann lief ich im schnellen Schritt zum Aufzug, fuhr nach oben und begab mich dann ins Foyer um meine nächste Aufgabe zu erfüllen. Schließlich war ich für das Wohl unserer Geiseln zuständig.

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