Im falschen Licht

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Ich lief ohne zu zögern in den Schlafsaal, als wäre ich Ferngesteuert. Draußen vor der Bank kam es zu großen Unruhen. Wahrscheinlich würden sie sich bereits darauf vorbereiten um die Bank zu stürmen. Sie mussten unheimlichen Groll auf uns hegen denn ich hatte einen ihrer Leute umgebracht. Nur zu gut konnte ich mir ihre unaufhaltbare Wut vorstellen. Wie würde es sich wohl anfühlen wenn einer der Polizisten jemanden von uns getötet hätte.. und ich Feigling war gerade auf dem Weg mich in meinen Schlafsack zu verkriechen um das geschehene für mich selbst zu verarbeiten, während meine Gruppe sich da unten wohl den Kopf zerbrach was sie nun tun sollten. Meine Beine trugen mich kaum, ich war ganz außer mir. „Kairo jetzt warte doch mal!" schrie Rio wie aus dem Nichts hinter mir her. Er war mir nachgelaufen. Eigentlich wollte ich im Moment mit niemandem darüber sprechen. Ich wollte die Warheit nicht hören, es einfach verdrängen. Doch Rio blieb mir an den Fersen. Ich ging geradewegs durch die große Tür zum Schlafsaal, als er meine Hand sanft mit seiner festhielt.
„Ich bitte dich Kairo, rede doch mit mir darüber und lauf nicht stillschweigend davon." Dabei sah er mich mit seinen großen Rehaugen an.
„Ich kann nicht..." sagte ich leise und langsam begannen sich meine Augen mit Tränen zu füllen. Ich konnte es einfach nicht mehr zurück halten. Der ganze Druck ließ plötzlich von mir ab. „Es...es tut mir so leid..." stotterte ich vor mich hin und brach nun haltlos in bitterlichen Tränen aus. „Schon gut, komm her..." beruhigte mich Rio und schloss mich in seine Arme. Ich lehnte meinen Kopf an seine starken Schultern und weinte mich eine ganze Weile lang aus. Er war mein Ruhepol, er konnte mich wieder beruhigen, auch wenn ich noch so am Boden zerstört war. „Ich wollte das nicht...wirklich Rio...aber er hätte Denver umgebracht und ich habe ihm doch mein Leben zu verdanken..." fuhr ich dann mit krächzender Stimme fort. Er strich mir dabei zärtlich über den Hinterkopf und nickte dann leicht. „Ich kann dich verstehen Kairo. Es gibt immer Entscheidungen im Leben, die sich als falsch entpuppen und welche man im Nachhinein villeicht bereut. Aber du musst jetzt wirklich stark sein, sonst packst du das alles nicht. Du kannst stark sein, das weiß ich Kairo. Und ich schwöre dir bei Gott, bei allem was mir Lieb ist, ich werd nicht zu lassen dass die dich ins Gefängnis stecken. Dafür würde ich wirklich alles tun!" versicherte mir Rio. Er nahm mein Gesicht zwischen seine warmen Hände. „Du kommst hier wieder raus und du wirst frei sein. Wir beschaffen uns neue Identitäten und gehen irgendwo hin wo sie uns nicht ausliefern dürfen. Eine Art Zeugenschutzprogramm für Schwerverbrecher. Ich versprechs dir, der Professor wird dich auch nicht einfach im Stich lassen." Ich sah ihn mit hoffnungsvollem Blick an. Doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass er mich mit seinen Aussagen nur beruhigen wollte. Sowas war nicht im Plan des Professors vorgesehen. Nachdem wir hier raus kämen, würde Interpol überall auf der Welt nach mir suchen. Und mir konnte niemand erzählen, das ich fähig war mich vor Undercover Agenten von Interpol zu verstecken, das auch noch für den Rest meines gesamten Lebens. Dafür war ich einfach nicht gemacht. Ich war einfach nicht die klassische Verbrecherin.

„Scheiße Kairo!" schnaubte Nairobi plötzlich hinter meinem Rücken. Rio ließ mich los und ich fiel sofort von seinen in ihre Arme. „Ágata...ich wollte das nicht" säufzte ich ihr leise zu. Doch sie drückte mich nur noch fester während sie mir über den Rücken streichelte. „Verdammt, wo hast du dich nur wieder reingeritten Kleines. Ich muss dich wohl in Zukunft an mich ketten um weitere Dummheiten zu verhindern.. Palermo spricht gerade mit dem Professor. Du solltest auch wirklich mit ihm sprechen, es ist sehr wichtig. Bitte komm mit mir Süße.." antwortete sie mir mit gesenktem Blick. Dann hielt sie mir ihre Hand entgegen und ich ging mit ihr zur Bibliothek um mit dem Professor zu sprechen. Rio ging uns hinterher. In der Bibliothek hatten sich Palermo, Denver, und Helsinki versammelt. Palermo und der Professor wollten alle die bei dem Vorfall dabei waren sprechen. Ich sah Denver mit getrübter Miene entgegen. Seine Augen sagten mehr als tausend Worte, so Vorwurfsvoll, trotzdem Dankbar und voller Liebe. „Komm her Kairo.." sagte Palermo und deligierte mich mit einer Handbewegung zu sich rüber zum Telefon. Dann drückte er mir den Hörer in die Hand und ich legte ihn an mein Ohr. „Es tut mir so leid Professor..." sagte ich daraufhin leise, versuchte weitere Tränen zurück zu halten und wartete seine Worte ab. Er würde mir sicher tausend Vorwürfe machen, was ich verstand.
„Kairo... du musst dich nicht entschuldigen. Mir tut es dagegen unglaublich leid was du gerade durchmachen musst, ich habe dich quasi dazu gedrängt zurück in die Bank zu kommen.. Ich weiß es war mit absolout nicht deine Absicht. Denver und Helsinki haben mir schon erzählt dass du nur die Gruppe vor Schlimmerem beschützen wolltest" sprach er mit gewohnt gelassener Stimme durch die Leitung. Er machte mir garkeine Vorwürfe. Ganz und garnicht, stattdessen bemitleidete er mich. „Inspektor Pérez ist noch am Leben. Er ist in ziemlich unstabilem Zustand. Aber er lebt" fuhr er weiter fort. Die Anderen und ich atmeten alle fast im Takt auf. Als wäre uns allen der selbe Brocken vom Herzen gefallen. Rio lächelte mir ermutigend zu. „Dennoch habe ich leider schlechte Neuigkeiten für dich Kairo. Dein Bild geht ohne jegliche Unterbrechung durch die Spanischen Nachrichtensendungen, ich schätze du wirst schon Morgen auf jedem Zeitungsblatt der Stadt abgebildet sein. Du wirst.. leider in einem ziemlich falschem Licht dargestellt. Die Menschen da draußen haben nicht gesehen was wirklich geschehen ist. Doch Sierra und ihr Team haben es wie eine Hinrichtung dargestellt um die Zivilisten da Draußen auf ihre Seite zu bringen. Sie erzählten den Journalisten, dass Kairo den Inspektor ohne Skrupel abgeknallt hätte, nachdem er Arturos Operation beendete. Und die Anderen hätten ihn dann als eine Art Warnung nach draußen gelegt. Es tut mir sehr leid Kairo. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun um deinen Ruf wieder ein wenig zu herzurichten.." Mein Blick sank zu Boden. Ich sollte mich freuen, denn noch hatte ich niemandem das Leben genommen, so wie ich es die ganze Zeit über dachte. Doch die Menschen da draußen dachten ich sei eine eiskalte Killerin. Als wäre ich jemand ohne Gewissen. Aber eigentlich war ich es, die keiner Fliege etwas zu Leide wollte. Alle dachten jetzt anders von mir. Meine alten ‚Freunde', meine Arbeitskollegen und meine Nachbarn. Alle hielten mich wohl für eine Kriminelle. Jetzt war es endgültig aus mit meinem normalen Leben. „Danke Professor.." säufzte ich außer Atem und legte den Hörer auf. „Na super. Ich geh dann mal lieber" zischte Palermo und sah mich fast schon bemitleidend an. Selbst er hatte ein wenig Mitgefühl in sich. Dann ging er aus der Bibliothek. Ich sah zu Arturo, welcher natürlich immernoch hier war. Er wurde von einer Geisel umsorgt, welche früher als Krankenschwester gearbeitet hatte. Denver legte seine Hand auf meine Schulter und sah mich wehleidig an. „Es tut mir so verdammt leid Kairo. Ich hätte mich nicht so aufspielen dürfen, ich wusste ja nicht dass du ihn abknallen würdest.." sagte er dann und hob mein Kinn an, damit ich ihn anblickte. Rio sah missgünstig zur Seite, er konnte es kaum ertragen wenn Denver seine Finger an mich legte.
„Ich werde das wieder richten Kleine und zwar noch bevor der Professor es tun kann. Ich geb dir mein Wort." Bevor ich ihn davon abhalten konnte schnappte er sich bereits seine Waffe und spurtete davon. Nairobi hielt mich allerdings davon ab ihm zu folgen. Was hatte er vor ? Er würde sich doch nicht schon wieder in Gefahr bringen wegen mir, oder etwa doch?

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