45. Kapitel

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Marlia grübelte. Es hatte keinen Sinn noch viel länger sauer auf Felix zu sein. Ja, er hatte einen Fehler gemacht und sie belogen, aber es half keinem, wenn sie ihn weiterhin ignorierte und schweigend bestrafte. Sie entschloss ihm fürs Erste zu vergeben, was nicht bedeutete, dass es so sein würde wie vorher. Langsam schlenderte sie zurück zu den anderen und setzte sich. Sie blieben noch einige Stunden an dem prasselnden Feuer sitzen, unterhielten sich und dachten sich Spiele zum Zeitvertreib aus. Spät in der Nacht fielen die letzten Augen zu und bis auf die Tiere der Nacht, das leichte Wellenrauschen und Jonahs leichtes Wimmern im Schlaf, war nichts mehr zu hören.

Noch vor Sonnenaufgang schreckten alle hoch, als Jonah anfing zu schreien. "Was ist denn los?" rief Linus pansich und alle versammelten sich um Jonah, der leichenblass und mit aufgerissenen Augen in den Himmel starrte. "Wo ist er!" rief er und der Schmerz in seiner Stimme traf Marlia wie ein Schlag in die Brust. "Wo ist wer?" fragte Selina schrill und alle sahen sich verunsichert an. Alle waren da, keiner fehlte. Wen konnte Jonah wohl meinen?

"Dean? Wo ist Dean?" rief er und Allison zuckte zusammen. "Dean ist nicht mehr bei uns," Felix versuchte beruhigend zu klingen, aber schaffte es nicht. Seine Stimme brach am Ende des Satzes. Marlia sah zu ihrer Freundin und erkannte den Schmerz und die Schuldgefühle in ihren Augen. Sie legte ihr die Hand auf den Rücken. "Er muss hier irgendwo sein, er kann nicht weg sein!" nun rief Jonah nicht mehr, sondern klang verzweifelt. "Jonah komm zu dir," Linus packte ihn an den Schultern.

"Ich habe ihn vertrieben," wimmerte Jonah und schloss die Augen. "Ich war so bescheuert, so gemein zu ihm," ein Träne lief aus seinem Augenwinkel und über seine Wange. "Jonah," Linus rüttelte doller. "Komm zu dir! Du fantasierst," plötzlich schlug er die Augen auf und sah Linus erschöpft an. "Was ist los?" fragte er heiser und sah sich um. Alle holten erleichtert Luft und Marlia nahm refelxartig seine Hand. "Es ist alles gut, wir machen uns nur Sorgen um dich," er lächelte sie schief an, schloss dann müde seine Augen und dämmerte wieder weg.

"Sein Fieber scheint stärker geworden zu sein," murmelte Allison. "Wir haben bald ein echtes Problem, wenn uns keine Lösung einfällt. Weiter darf das Fieber nicht steigen," sagte Felix, halb wütend, halb verzweifelt. "Was sollen wir denn bloß machen?" über Selinas Gesicht liefen vereinzelt Tränen und auch die anderen sahen bedrückt auf den Boden. "Ich weiß es nicht." Alle hatten noch den Schock in den Gliedern und Schlaf in den Augen.

Die Sonne war mittlerweile aufgegangen und an weiter schlafen konnte sowieso keiner denken, also rappelten sie sich auf und suchten sich das Frühshstück zusammen. Selina blieb bei Jonah.

"Guck nicht so, lass dich nicht runter ziehen," versuchte Marlia Allison aufzubauen, als sie bemerkte wie niedergeschlagen sie wirkte. "Jetzt habe ich die ganze Zeit sein Gesicht vor Augen und es verschwindet nicht," sie fuhr sich durch die verknoteten, dunklen Haare und lehnte sich an einen Baum. Marlia sah sie mitfühlend an.

Sie bemerkte, wie sehr sich Allison verändert hatte. Auf dieser Insel, hatte sie sich weiter entwickelt, Erfahrungen gemacht und Verantwortung getragen. Marlia wollte sich nicht vorstellen, wo sie nun alle wären, wenn Allison nicht gewesen wäre. Wer hätte ihnen wichtige Tipps zur Ernährung oder dem Verhalten gegeben? Wer hätte zu ihr gestanden und sich mit ihr gegen Selina verschworen? Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, doch dann sah sie ihre trauernde Freundin an und fühlte mit ihr. Sie hatten alle einen wichtigen Verbündeten bereits verloren. Dean. Allison hat ihm am Nähsten gestanden und fühlte sich schuldig. Marlia wollte sich gar nicht vorstellen, wie es gerade in ihrem Inneren aussah.

Und wieder überkam sie eine unglaubliche Angst. Was passiert mit Jonah? Sein Zustand verschlecherte sich immer weiter, das Fieber stieg, das Bein heilte nicht. Er fing schon an zu halluzinieren, wie lange konnte er denn noch durch halten? Wie lange würde es dauern, bis auch das letzte Bisschen seines Verstandes und Lebens aus seinem Körper gewichen war? Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie wusste nicht, ob sie es überstehen würde, wenn Jonah in ihren Armen starb. Ohne ihn, würden sie es nicht mehr lange aushalten.

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