24. Kapitel

233 6 5
                                    

Meine Sporttasche war heute besonders schwer, da sich in ihr meine Klamotten und Schulsachen befanden, weswegen ich hoffte, dass der Ort, an den Levi mich bringen wollte, nicht zu weit entfernt war.

Wir fuhren ein kurzes Stück mit der Straßenbahn. Währenddessen starrte ich aus dem Fenster und sagte nichts zu Levi und er sagte nichts zu mir. Dann stiegen wir vor dem Rathaus aus. Von dort aus gingen wir die Straßen runter zu den schönen Häuschen, die sich in der Nähe der Stadtmauer befanden.

"Hier würde ich gerne irgendwann mal wohnen." begann Levi wieder ein Gespräch mit mir anzufangen.

"Wirst du vielleicht auch." meine Wut auf ihn war während der kurzen Busfahrt fast verschwunden.

"Mhm, wohl eher nicht. Die Häuser hier sind viel zu teuer." er befeuchtete mit seiner Zunge seine Lippen und ich schluckte. Sie sahen weich aus. Ob sie sich auch so anfühlten?

"In der ganzen Stadt sind Häuser teuer." sagte ich, wobei ich meinen Blick von seinem Mund löste und ihn stattdessen auf ein aus Backsteinen bestehendes Haus richtete an dem teilweise rote Rosen hochrankten.

"Stimmt." bestätigte Levi meine Aussage.

„Willst du nach dem Abi hierbleiben?" fragte ich, dabei nahm ich den Gurt meiner Sporttasche von meiner rechten Schulter und legte ihn auf die linke.

„Wahrscheinlich schon. Ich weiß gar nicht, wo ich sonst hinsollte." er sah mich von der Seite mit gerunzelter Stirn an.

„Möchtest du nicht mal was anderes sehen?"

„Naja, all meine Freunde sind hier und meine Familie. Warum sollte ich dann wegziehen? Mir gefällt es hier."

„Also ich wollte schon immer hier weg."

„Wieso?" fragte er.

„Ich mag die Universität hier nicht und die Stadt an sich auch nicht wirklich. Außerdem denke ich, dass jeder diese großartige Chance nutzen sollte, dass man als Deutscher heutzutage theoretisch überall studieren kann. Meine Eltern hatten dieses Privileg damals nicht, weil sie im Osten großgeworden sind." erklärte ich ihm meinen Standpunkt.

„Da ist schon was dran, aber der schönste Ort der Welt ist doch immer noch die Heimat und die ist dort, wo die Familie zuhause ist." er grinste mich schief an und zwinkerte mir zu. Ich unterdrückte ein Lachen, drehte mit den Augen.

Vor uns ragte ein hoher Kirchturm auf. Wir waren fast an der alten Stadtmauer angekommen. In diesem Stadtteil war es immer sehr ruhig und idyllisch, besonders im Sommer, wenn alle Pflanzen grün waren und blühten.

„Wir sind gleich da." ich war froh, als Levi das sagte.

Schweigend gingen wir um die alte Kirche herum. Die Petrikirche war eine der vier Backsteinkathedralen aus dem Mittelalter, die noch erhalten waren. Ehemals besaß Rostock sieben dieser Gotteshäuser, aber drei wurden zerstört und bestanden nun nicht mehr.

Hinter der Kirche befand sich die alte Stadtmauer, sowie das Joachim Slüter Denkmal. Der Untergrund war gepflastert und es standen vier Bänke um das Denkmal. Levi setzte sich auf eine von ihnen, die nahe an der Stadtmauer war. Er bedeutete mir mit seiner Hand mich neben ihn zu setzen. Aber ich lehnte mich lieber erstmal an die alte Backsteinmauer, um etwas Abstand von ihm zu halten. Ich wollte ihm nicht so nahe sein, denn sonst würde ich wieder die Beherrschung verlieren. Levi zog mich an, wie die Erde den Mond.

„Okay, dann bleib halt dort drüben." sagte er lachend. Er amüsierte sich darüber, wie ich mich ihm gegenüber benahm.

Ich stellte meine Sporttasche neben mich auf eine der grauen Steinplatten. Vom schweren Gewicht der Tasche tat mein Rücken bereits weh. Ich ließ meine Schultern kreisen und hoffte, dass es den Schmerz etwas lindern würde. Das tat es nicht.

About Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt