10. Kapitel

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Es war Sonntag. Schon als kleines Kind hatte ich diesen Tag gehasst, denn er war meist zu kurz und erinnerte einen nur daran, dass man Montag wieder früh aufstehen musste, um zur Arbeit oder Schule zu gehen. Ein weiterer Grund, warum ich ihn am wenigsten von den sieben Tagen der Woche mochte, war der, dass wir sonntags immer mit meinen Großeltern Mittag aßen, denn sie wohnten nur zwei Häuser weiter.

Heute war noch meine Schwester eingeladen, was das Ganze etwas erträglicher für mich machte, denn so konnte ich mich mit meinem Neffen beschäftigen und die Fragen meiner Großeltern umgehen.

Gerade saßen wir alle an dem langen Holztisch im Esszimmer meiner Großeltern. Mein Opa musste immer um halb eins sein Essen auf dem Tisch haben und wenn man nicht pünktlich erschien, wurde er sauer. Meine Schwester Marie saß links von mir und meine Mom rechts von mir.

Noch heute wünschte ich mir manchmal, dass zwischen mir und meiner Schwester keine elf Jahre lagen oder das ich noch weitere Geschwister hatte. Es war manchmal schwierig Maries Entscheidungen nachzuvollziehen und sie verstand meine Probleme auch oft nicht, weswegen unsere Beziehung eher etwas kühl war.

„Bald fängt die Schule wieder an und es ist dein letztes Jahr. Weißt du schon was du danach machen möchtest, Ida?" holte mich die Stimme meines Opas aus meinen Tagträumen.

„Nicht wirklich, aber ich werde sowieso erstmal kein Studium anfangen, sondern für ein Jahr aussetzen und durch die Welt reisen." diese Antwort erfreute meinen Opa nicht, denn beide meiner Großeltern waren früher Lehrer gewesen. Für sie war die schulische Laufbahn superwichtig und sie begriffen nicht, wofür ein Jahr im Ausland oder eine Weltreise gut sein sollten.

„Ganz allein? Und du weißt noch gar nicht, was du überhaupt studieren willst?" mein Opa zog seine typische Schnute, die er immer machte, wenn ihm etwas nicht passte. Dabei guckte er sehr ernst und schob seine Lippen etwas vor, wie ein kleines Kind, was kurz vorm Losheulen war.

„Ja, wahrscheinlich werde ich es allein tun und nein, ich weiß es noch nicht." letzteres war gelogen, denn ich hatte drei Vorstellungen, aber ich wollte es keinem erzählen außer meiner Mom, falls ich meine Meinung wieder ändern würde, was ich oft tat und weil ich keine Lust hatte Leuten zu erklären, was Ethnologie war, denn das würde ich gerne studieren oder Soziologie oder Psychologie, allerdings mussten meine Noten gut genug sein für Psychologie und im Moment sah es etwas knapp aus. Manchmal überlegte ich auch soziale Arbeit zu studieren und dann als Streetworker zu arbeiten.

„Auch wenn du es nicht weißt, solltest du dich trotzdem in der Schule weiterhin anstrengen." dabei sah er kurz zu meiner Schwester rüber. Sie musste damals das Abitur wiederholen, weil sie beim ersten Mal durchgefallen war. Trotzdem ging es ihr jetzt gut. Sie hatte einen Job als Kindergärtnerin und eine schöne vier Zimmer Wohnung.

Ich sagte nichts dazu, sondern lächelte meinen Teller an. Heute gab es Eisbein und ich war zwar kein Vegetarier, aber ich aß Fleisch vielleicht einmal pro Woche, weil ich einfach die Konsistenz davon oft eklig fand. Eisbein verabscheute ich, weswegen ich kaum etwas gegessen hatte und mein Teller immer noch voll war mit Erbsenpüree und Sauerkraut.

Meine Oma konnte nicht wirklich kochen, was uns alle wunderte, denn ihre Mutter war darin sehr begabt gewesen, leider hatte ich meine Uroma nicht mehr kennenlernen können, weil sie kurz bevor ich geboren wurde verstarb und somit musste ich jetzt mit dem nicht so leckeren Essen meiner Oma vorlieb nehmen. Dabei wurde immer gesagt, dass alle Omas kochen können. Tja aber meine verwendete fast nur fertige Soßen aus der Tüte, konnte nur 5 Gerichte zubereiten und war der Ansicht das alles gefrostet besser war als frisch.

„Emil, sitz bitte still beim Essen." ermahnte meine Schwester ihren Sohn.

Emil war unruhig geworden, weil er fertig war mit dem Essen und er war auch sonst ein sehr aktives Kind, dass gerne mal zehn runden um unsere Coach im Wohnzimmer lief. Er brauchte seine Bewegung, bekam er sie nicht, wurde er unruhig.

„Soll ich schon mit ihm rausgehen spielen? Es ist schönes Wetter draußen." bot ich an, weil ich nicht noch mehr Fragen von meinem Opa gestellt bekommen wollte, geschweige denn von meiner Oma.

„Ja, ich will mit Ida spielen gehen!" rief Emil sofort. Seine blonden Haare fielen schon in seine Augen, Marie sollte sie ihm wohl wieder mal schneiden.

„Okay, ich komme auch nachher gleich."

Glücklich sah ich dabei zu, wie Emil von seinem Stuhl rutschte und aus dem Esszimmer lief.

Obwohl wir in der Stadt lebten, hatten meine Großeltern einen relativ großen Garten hinter ihrem Haus. Für ihre Enkelkinder hatten sie damals eine Schaukel besorgt, die nun auch Emil benutzen konnte.

„Kannst du mich anschaukeln?" bat er sofort, nachdem er sich raufgesetzt hatte.

Eine ganze Weile schaukelte ich ihn an, dann wollte er verstecken spielen und danach fange. Ich genoss die Zeit mit Kindern, besonders die mit meinem Neffen, weil er mich durch seine wilde Art von anderen Sachen ablenkte. Es machte Spaß mit ihm zu spielen.

Später kamen alle anderen noch dazu und nachdem wir noch eine Weile im Garten zusammensaßen, verabschiedeten Marie und ihr Ehemann Florian sich von uns. Da morgen Montag war wollten sie nicht so spät nach Hause. Emil jammerte etwas, als er merkte, dass seine Eltern gehen wollten und klammerte sich ans Bein meiner Mutter, die er besonders gernhatte. Heute hatte er kein Mittagsschlaf gemacht, den er eigentlich dringlich brauchte, wie sein kleiner Wutanfall zeigte.

„Gut, dann werden wir wohl auch gehen." sagte meine Mutter, nachdem die drei sich verabschiedet hatten.

Zuhause nahm ich dann mal wieder mein Handy in die Hand, um zu gucken, was es Neues gab, denn immer, wenn ich bei meinen Großeltern war oder mit meinem Neffen spielte, ignorierte ich mein Smartphone.

Zuerst guckte ich bei WhatsApp, aber niemand hatte mir geschrieben. Nicht einmal Ella und Alex war wohl immer noch sauer auf mich. Danach machte ich Instagram auf, wobei mir einfiel, dass ich Levi immer noch nicht folgte, also tat ich das schnell. Und schon nach wenigen Minuten erhielt ich dann eine neue Nachricht von ihm.

Danke für das Follow back. Hat echt lange gedauert ;)

Ich schrieb zurück:

Gern geschehen, Coach. ;p

Lange Zeit wurde mir angezeigt, dass Levi schrieb. Dann kam seine Antwort.

Eigentlich wollte ich dich noch fragen, ob du Dienstag vielleicht auch kommen willst zur Strandparty. Alex wird auch da sein. Dann könnt ihr euch mal aussprechen.

Er fragte nicht einmal nach meiner Nummer, obwohl es nervig war via Instagram zu schreiben, aber es schien ihn nicht zu stören oder er hatte kein Interesse daran sich öfter mit mir zu unterhalten. Ich überlegte nicht lange und schrieb sofort zurück.

Klar, gerne. Schick mir einfach noch die Uhrzeit.

Levis Antwort dauerte wieder etwas.

Wir wollen grillen und werden deswegen schon 17:00, also etwas früher anfangen. Wäre dann echt cool, wenn du auch was zu essen oder trinken mitbringen könntest.

Mache ich.

Tippte ich noch, bevor ich das Handy wieder beiseitelegte und meiner Mutter beim Geschirrspüler ausräumen half.

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