40. Kapitel

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Ich stand an der Straßenbahn Haltestelle und wartete darauf, dass Levis Bahn endlich angefahren kam.

Es war Sonntag und wir hatten beschlossen uns wieder zu treffen. Seit unserer Aussprache war es eine Art Ritual für uns geworden uns am Wochenende zu treffen und meistens taten wir das Sonntagnachmittag, weil Levi Samstag noch Training hatte.

Endlich kam wieder eine Straßenbahn und Levi war unter den vielen Leuten die ausstiegen. Noch immer waren viele Touristen in unserer Stadt unterwegs, wie jeden Sommer.

„Hey." Levi umarmte mich zur Begrüßung.

„Die Bahn war wieder total überfüllt." erklärte er, als er mich wieder losließ.

„Ja, die ganzen Touris nerven langsam." ich lächelte, das tat ich fast immer, wenn wir zusammen waren. Levi machte mich glücklich.

Er stimmte mir mit einem Nicken zu.

„Okay, alsooo..." er sah sich auf dem Doberaner Platz um und kratzte sich kurz im Nacken. „Wo willst du jetzt hin?"

„Wir könnten uns einen erfrischenden Smoothie aus dem KTC holen und dann zu unserem Platz gehen."

„Hört sich gut an."

Mir gefiel es sehr, dass Levi und ich bereits einen gemeinsamen Platz hatten, der uns beiden viel bedeutete, weil wir uns dort zum ersten Mal geküsst hatten. Wir gingen also in das große Einkaufsgebäude. Dort war es wie immer ziemlich voll.

"Darf ich heute mal etwas für dich bezahlen?" fragte er grinsend, als wir für das kühle Getränk anstanden. Er wusste bereits, dass ich mit nein antworteten würde, aber er fragte trotzdem immer mal wieder.

"Nö." sagte ich auch mit einem Grinsen und gab der Verkäuferin meine Bestellung durch.

Er schüttelte nur mit dem Kopf, sagte aber nichts mehr dazu. Levi wusste, dass ich von niemandem abhängig sein wollte und er akzeptierte das.

Nachdem wir beide unsere Smoothies bekommen hatten, verließen wir das KTC wieder und machten uns auf den Weg zur Kirche.

Dabei gingen wir an einer Mutter und ihrem Kind vorbei. Sie schrie den kleinen Jungen mitten auf der Straße zwischen den ganzen Menschen und brachte ihn so zum Weinen. Dann nahm sie ihn grob an der Hand und zog ihn hinter sich her. Ich schüttelte mit dem Kopf und musste an meinen Neffen denken, der manchmal auch ziemlich unsanft von meiner Schwester behandelt wurde.

"Hast du das eben auch gesehen?" ich wollte unbedingt wissen, was er davon dachte.

"Ja." er sog an seinem Strohhalm.

"Ich hasse es, wenn Kinder so unfair und grob behandelt werden."

"Naja du weißt ja nicht, was er vorher gemacht hat. Manchmal muss ein Kind schon bestraft werden."

"Aber doch nicht so. Und wenn man seinen Kindern von Anfang Regeln gibt, an die sie sich halten müssen und sie mit Liebe und Geduld erzieht, muss man sie auch nicht so anschreien." erwiderte ich. "Es reicht doch meistens, wenn man das Kind etwas strenger anspricht. Also im Kindergarten meiner Mutter würde nie ein Erzieher irgendwen anschreien."

"Deine Mutter ist Erzieherin?" fragte er.

"Ja, aber seit einigen Jahren leitet sie schon einen Kindergarten."

"Hm." Levi schwieg für eine ganze Weile. "Ich habe nicht viele Erinnerungen an meinen leiblichen Vater, aber ich weiß, dass er sehr streng mit mir und meiner Schwester war. Wir haben auch mal öfter den Po voll bekommen, wenn wir nicht gehört haben, aber wir haben ihn trotzdem geliebt und ich würde diese Form der Erziehung auch nicht verurteilen."

"Wenn ich später mal Kinder haben würde, könnte ich sie nie schlagen." gab ich ehrlich zu. Meine Eltern hatten auch nie Hand an mich oder meine Schwester gelegt, weswegen es für mich nicht zur Normalität gehörte.

"Ich würde es bei meinen auch nicht machen, aber trotzdem finde ich es in Ordnung, wenn andere Leute ihre Kinder so erziehen. Ist ja schließlich deren Sache."

Ich hatte plötzlich wieder Mitleid mit Levi, weil er als kleines Kind nie gelernt hatte, dass Schläge & Schmerz nicht zu einer normalen Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern dazugehören sollten.

"Ist das Alex?" ich folgte Levis ausgestrecktem Zeigefinger und erkannte tatsächlich den blauäugigen Jungen zwischen den ganzen anderen Menschen.

Er hatte uns auch bereits gesehen und kam auf uns zu geschlendert. Es störte mich nicht, dass er Levi und mich zusammen sah, denn er wusste bereits was zwischen uns lief, weil ich ihn wegen Levis Trainingszeiten gefragt hatte.

"Na ihr beiden Turteltäubchen." begrüßte er uns. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Levis Stirn sich in Falten legte. Er hatte wohl noch nicht mit seinem Kumpel über mich geredet.

Ich umarmte Alex schnell zur Begrüßung. Levi und Alex nickten sich nur grinsend zu.

"Seid ihr wieder auf dem Weg zu eurem gemeinsamen Platz?" fragte Alex und ich wurde sofort rot. Es war eine schlechte Idee gewesen ihm davon zu erzählen, aber ich wollte damals wissen, ob er wusste, was Levi für mich empfand.

"Ja. Wir müssen jetzt auch weiter." antwortete ich knapp, weil ich der peinlichen Situation entkommen wollte. Ich ergriff Levis Hand und zog ihn weiter. Alex winkte uns lächelnd hinterher.

"Warum weiß er so viel über uns? Ich dachte, du wolltest erstmal niemandem von uns erzählen?" Levi war sichtlich verwirrt.

"Ja, schon, aber Alex ist irgendwie eine Ausnahme." stammelte ich.

"Aha, okay. Gut zu wissen." Levi ließ meine Hand wieder los. Er beschleunigte seine Schritte und ich hatte Mühe mit ihm mitzuhalten.

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