An der Seine, Westfränkisches Reich
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Als die düstere Gestalt mit Kapuzengewand und tropfendem Wolfspelz über den Schultern in die Taverne trat, verstummte das laute Gemurmel augenblicklich. Ein Fremder, das sah man seiner Kleidung an. Die Kapuze war dem gross gewachsenen Mann weit über die Stirn gezogen, ein rotes Tuch vor seinem Gesicht verbarg Mund und Nase. Er wollte offensichtlich nicht erkannt werden. Man hielt den Atem an, als er sich regte. Neugierige Augen verfolgten angespannt wie der angsteinflössende Schatten zwischen den Tischen zum Wirt stapfte. Seine nassen Lederstiefel hinterliessen einen dunklen Abdruck auf den Holzdielen des Wirtshauses Zum springenden Pferd.
„Was bekommst du?", brummte der Wirt hinter seinem Schnauzbart.
Der Fremde schwieg und warf eine Handvoll Silbermünzen auf den Tresen. Die Münzen klimperten über das Holz. Er hob seinen Blick nicht, sein Kopf blieb gesenkt, sodass der Wirt nur auf den Rand seiner schwarzen Kapuze starren konnte. Die Blicke der Tavernengäste bohrten sich in den Rücken des Fremden.
„Bier."
Der Gastwirt drehte sich wortlos um und schenkte dem Unbekannten einen grossen Becher Weissbier ein. Er schob den Becher näher und sammelte die kleinen Silbermünzen ein. Karolingische Münzen waren das. Warum dieser Fremde über solche Silbermünzen verfügte, obwohl er eindeutig nicht aus der Gegend stammte, war dem Wirt schleierhaft. Aber wie so oft stellte er seiner Kundschaft keine dummen Fragen. Er war froh, wenn seine Taverne mit Menschen gefüllt war. Da war ihm jedes Gesindel recht, denn in diesen schweren Zeiten konnte er schliesslich nicht wählerisch sein.
Der unheimliche Fremde packte den Becher mit einer Hand und begab sich in eine dunkle Ecke in der Schenke. Der sonst so grosse Bierbecher wirkte klein in den Pratzen dieses Mannes. Die weiteren Gäste lösten ihre Blicke von der ungeheuerlichen Gestalt und nahmen ihre Gesprächsthemen wieder auf.
...
Als Luca den dunklen Umhang erkannte, sprang er sofort von seinem Stuhl auf und ging schnellen Schrittes auf den Tisch zu, an welchem der Kerl sich gesetzt hatte.
„Sag mal, spinnst du eigentlich? Was machst du hier?! Ich habe dir doch gesagt, es ist besser, wenn du im Wald bleibst", flüsterte Luca auf Nordisch und setzte sich auf die andere Seite des wackeligen Holztisches.
Er blinzelte nervös durch den dunklen Raum, in der Hoffnung, dass keine Blicke auf ihnen ruhten. Soweit schien alles in Ordnung und die Gäste der Wirtschaft waren wieder in ihren eigenen Gesprächen vertieft.
„Ich wollte nur sichergehen, dass du mich hier nicht verarschst. Und", sagte der Kerl und zog das rote Tuch von seinem Gesicht, um seine Lippen an den Bierbecher anzusetzen, „ich hatte Lust auf ein Bier."
Luca seufzte laut und beobachtete, wie der Wikinger das Bier in wenigen Zügen runterspülte. Der Schaum blieb an seinem blonden Bart kleben und er wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht sauber. Dann fixierten die hellblauen Augen Luca herausfordernd. Dieser musste dem Drang widerstehen, seinen Blick von den intensiven Augen abzuwenden.
„Es ist viel zu gefährlich, wenn du hier in aller Öffentlichkeit rumschleichst. Die Menschen könnten misstrauisch werden. Wir wollen doch nicht, dass uns das Gleiche noch einmal passiert, wie am letzten Ort", murmelte Luca, immer noch darüber bedacht, möglichst leise zu sprechen.
Sie wollten schliesslich nicht gehört werden, denn Ärger hatten sie sich die letzten Tage schon genug eingebrockt.
„Sollen die Soldaten nur kommen. Meine Axt wird das schon richten."
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Belagerung
Fiksi SejarahBand II Auf sich gestellt und tief verletzt begibt sich Aveline auf die Rückreise in ihre alte Heimat. Mit einem einzigen Ziel vor Augen: Zurück zu ihren Wurzeln. Ein beschwerlicher und gefährlicher Weg steht ihr bevor, auf welchem sie so manch kuri...