10 - Lenzmond

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Cergy, Westfränkisches Reich

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Der dünne Faden am hölzernen Stecken spannte sich plötzlich an. Der Fisch hatte endlich zugepackt und schwamm nun mitsamt Köder und Schnur mit kräftigen Zügen davon. Die Sonnenstrahlen glitzerten sanft in den kleinen, kreisförmigen Wellen, die von den Bewegungen unter Wasser verursacht wurden.

Nouel hatte sich soeben flach in die Sonne gelegt, als er merkte, dass seine selbstgebastelte Angelvorrichtung auseinanderbrach und der Stecken ins Wasser geschleift wurde. Er konnte gerade noch rechtzeitig reagieren und nach dem kleinen Ast greifen, bevor er im Wasser verschwunden wäre. Mit einer Hand hielt er den Zweig, mit der anderen den trockenen Klumpen Gerstenbrei, den er sich in den Mund hatte schieben wollen.

Der Breikloss hätte ihm eigentlich als Köder dienen sollen, aber er war so hungrig gewesen, dass er beschlossen hatte, ein Stück nicht nur den Fischen zu überlassen, sondern dem grummelnden Biest in seiner Magengrube zu verfüttern.

Er war absichtlich früh aufgestanden, noch bevor die anderen ihn wecken konnten, denn er wollte sie überraschen. Lange hatte er überlegt, was er tun könnte und war dann zum Schluss gekommen, dass er - als begabter Fischer - seinen Freunden doch einen guten Fang machen könnte. Es war heute nämlich Lapins Tag der Mutprobe, um endgültig im Kreis der schwarzen Bande aufgenommen zu werden. Nouel wollte ihm einen Fisch fangen, damit er nicht mit leerem Magen seine Aufgabe bestehen musste. Ein möglichst grosses Exemplar wollte er kriegen, damit alle vier für eine Weile satt bleiben würden.

Hier, am Weiher von Cergy, hatte er ein nettes Angelplätzchen gefunden und nun versuchte er gerade einhändig einen doch sehr kräftigen Fisch aus den Untiefen zu ziehen. Spaziergänger beobachteten ihn neugierig vom Seeweg aus und blieben stehen, um das kleine Spektakel mitzuverfolgen.

Nouel steckte sich den trockenen Breiklumpen in den Mund, damit er beide Hände frei hatte und somit besser gegen den Fisch ankämpfen konnte. Er hoffte, dass der Faden nicht reissen würde, sonst wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.

Er wartete und hielt die Angel ruhig in seinen Händen solange der Fisch unter Wasser noch tobte. Bis zur Erschöpfung musste man die Tiere treiben, damit man sie problemlos ans Ufer ziehen konnte. Als Fischer waren ihm die Grundregeln des Angelns durchaus bekannt. Man musste dem eigenen Impuls, gegen das Tier ankämpfen zu wollen, widerstehen. Es war, wie wenn man einem Instinkt widerstehen musste. Dem Instinkt, die Beute sofort an sich heranziehen zu wollen. Geduld nicht Impulsivität zahlte sich beim Fischen aus. Und Nouel war geduldig - sehr sogar.

Nach einem erbitterten Kampf gab der Fisch endlich auf und Nouel konnte ihn ohne Anstrengung an Land ziehen. Mit einem gekonnten Hieb auf die Stirn war der Fisch erschlagen. Einen kleinen Hecht hatte er mit seiner Angel gefangen. Was für ein Festmahl! Ein Grinsen formte sich auf den Lippen des dunkelblonden Jungen während die wenigen Zuschauer hinter ihm begeistert in die Hände klatschten.

Oh, wie sehr die Jungs sich darüber freuen werden!', dachte er sich und sprang sogleich los, in die Richtung ihres Unterschlupfes.

Es war ein milder und leicht bewölkter Tag in Cergy, dem westfränkischen Weiler unweit von Paris. Die Mitglieder der schwarzen Bande hatten sich unter der grossen Brücke an der Oise einen Schlafplatz eingerichtet. Mit echten Strohbetten, Decken und einer Brücke über dem Kopf. Etwas Besseres gab es für Nouel nicht. Hauptsache trocken schlafen - das war alles, was er sich für die Nächte wünschte.

Sie waren bereits ungewöhnlich lange für die Bande am selben Ort verblieben. Normalerweise zogen sie durch die Dörfer und Weiler, um unentdeckt zu bleiben und vor allem um Ärger zu vermeiden. Die Brücke in Cergy hatte es ihnen jedoch angetan. Sie bot genügend Schutz und Wärme in den frischen Frühlingsnächten. Bisher war alles gut gegangen und Nouel hoffte, dass das eine Weile noch so bleiben würde, denn das ständige durch die Ländereien streifen war auf Dauer anstrengend.

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