37 - Brachmond

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An der Seine, Westfränkisches Reich

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Aveline tupfte Lucas Gesicht vorsichtig mit dem Stofffetzen ihres Untergewandes ab. Der Sklave kauerte auf einem umgekippten Baumstamm und liess die Wundpflege mürrisch über sich ergehen.

Luca hatte bei der unglücklichen Begegnung mit den westfränkischen Soldaten einen Schwertschlag eingesteckt. Die Schwertspitze hatte sowohl seinen Arm, den er sich schützend vor den Kopf geworfen hatte, als auch einen Teil seines Gesichtes gestreift. Die Verletzung auf seiner Wange zog sich vom Nasenflügel quer über die Backe bis zur Schläfe. Es war eine sehr unschöne Wunde, die der aufmerksamen Pflege bedarf. Aber alles in allem hatte Luca mehr Glück im Unglück gehabt, denn er hätte fast ein Auge oder - noch schlimmer - sein Leben dabei verlieren können.

Der Sklave jammerte und wimmerte, während Aveline sein Gesicht abtupfte. Er konnte nicht stillhalten und so drückte Aveline aus Versehen etwas zu fest auf sein Fleisch.

„Au, das tut höllisch weh! Hör auf damit!", rief Luca und schlug Avelines Hand weg.

Sie rieb sich den Handrücken und murmelte entschuldigende Worte, während sie sich neben ihn auf den Baumstamm setzte.

„Was schlägst du sie einfach?", sagte Rurik und stand von seinem Platz an der Feuerstelle auf.

Aveline winkte ab, um ihm zu signalisieren, dass er sich doch besser wieder setzen solle.

„Ist schon in Ordnung, Rurik", sagte sie.

Sie wollte keinen weiteren Streit entfachen. Die drei waren nun schon seit zwei Wochen auf der erfolglosen Suche nach ihrem Bruder. Es war zermürbend und die Nerven lagen bei allen blank. Die Stimmung zwischen den dreien hatte einen Tiefpunkt erreicht, als sie ein verlassenes Lager gefunden hatten, welches eindeutig darauf hinwies, dass sich die Buben dort befunden haben mussten, aber bereits weitergezogen waren. Die Diebesbande bewegte sich viel zu schnell durch die Ländereien und für die Verfolger glich es einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Aveline wandte sich wieder ihrem Patienten zu, der seine Schnittwunden mit den Fingern abtastete. Sie sah, wie er vor Schmerzen die Augen zusammenkniff und zischend einatmete, als seine Finger über die geröteten Stellen fuhren.

Die wenigen Heilpflanzen, die Aveline im Wald gefunden hatte und behelfsmässig zu einer Paste hatte zerstampfen können, halfen ihm zwar, den Schmerz zu lindern, aber die Wundheilung schritt nur schleppend voran. Es waren glücklicherweise keine tiefen Schnittwunden, die er erlitten hatte, aber dennoch schien der Franke grässliche Schmerzen zu fühlen, denn er stöhnte und brüllte laut, jedes Mal, wenn Aveline den Versuch unternahm, die Wunden mit einem Stück ihres abgerissenen Untergewandes abzutupfen.

Sein lautes Gejaule ging Rurik mächtig auf die Nerven, denn er befürchtete, dass sie durch seine Lautstärke entdeckt werden könnten. Rurik hatte Aveline widerwillig dabei zugesehen, wie sie Lucas Wunden versorgte. Er persönlich hätte dem Sklaven längst den Gnadentod geschenkt, aber Aveline wollte das selbstverständlich nicht.

Ein einfacher Verband, die Säuberung mit klarem Wasser und das Bestreichen der Verletzung mit der Paste war alles, was sie für Luca tun konnte. Durch den Schlag auf ihre Hand war der frische Lappen auf den Boden gefallen und für die Wundversorgung nun unbrauchbar. Aveline stand seufzend auf und hob ihr Kleid an.

Luca schaute ihr interessiert dabei zu, wie sie ein Stück Stoff von ihrem bereits derbe zerfetzten Untergewand entriss und ihre zarten Schenkel dabei entblösste. Rurik entging Lucas spitzen Blick nicht und er sprang auf, um sich vors Sichtfeld des Franken zu stellen.

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