Paris, Wesfränkisches Reich
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„Ich fasse es nicht, dass dieser Bastard Frauen am Verhandlungstisch haben möchte! FRAUEN!", zeterte Karl. „Erst tötet er beinahe meinen Boten und dann verlangt er so etwas Unerhörtes!"
„Dieser Mann weiss die Anwesenheit von Damen eben zu schätzen", sagte Irmentrud und zupfte an ihren langen Ärmeln.
Die zwei Adligen standen in ihrem Palast, der von den Wikingern in seine Einzelteile zerlegt worden war. Diese hatten gewütet und waren dann wieder gegangen, ohne das Palastpersonal all zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen.
Irmentrud hatte mit Gundelinde mehrere Tage in ihrer Kammer ausgeharrt, bis sie sich wieder in die Gänge getraut hatte. Nun stand sie mit ihrem Gatten am Eingang ihres Zuhauses und wartete auf die Ankunft der Normannen. Sie hoffte, dass dieses Mal keine Türen eingetreten werden mussten.
Der Wikingeranführer hatte Karls Laufbursche mit der Botschaft zum König geschickt, er wolle sie für eine Verhandlung treffen. Der Jarl hatte verlangt, dass genauso viele Frauen am Tisch sitzen sollten, wie Männer anwesend waren, denn dies war schliesslich normannische Tradition. Man wollte Frauen am Tisch haben, damit es nicht langweilig wurde.
So trug die Königin an diesem Tag ihr dunkelblaues Lieblingskleid. Dasselbe Kleid, welches sie getragen hatte, als sie diesem einen Wikinger begegnet war. Ein Tag, den sie nie und nimmer vergessen würde. So nahe war sie einem echten Nordmann gekommen! So gefährlich nahe!
Sie konnte ein kleines Schmunzeln bei dem Gedanken nicht unterdrücken und hielt sich die Hand vors Gesicht, damit ihr Gatte nichts davon mitbekam.
„Diesen Heiden sollte man Manieren beibringen! Weiber haben am Verhandlungstisch nichts zu suchen!", rief Karl und richtete seine Krone.
Irmentrud schloss genervt die Lider. Sie hatte die Ansichten ihres Gatten sichtlich satt.
„Es ist ja nicht so, dass du etwas gegen ihn in der Hand hättest, um seine Bedingung abzuschlagen", zickte die Königin.
„Wie bitte?", sagte Karl entsetzt und schritt auf seine Gattin zu.
„Dieser Mann hat deinen Palast ausgeraubt und belagert deine Stadt seit Wochen, während du dich im Wald versteckst. Du stehst mit dem Rücken zur Wand. Da wirst du es doch schaffen können, für ein einziges Mal mit Frauen zusammen an einem Tisch zu sitzen."
Karls entsetzten Gesichtsausdruck ging unter, als sich die Pforte auf dem Hofplatz öffnete und eine Gruppe Normannen hereinmarschierte. Die Männer waren zwar unbewaffnet, wirkten deswegen aber keinesfalls weniger bedrohlich. Die Wikinger sahen mit ihren wilden Haaren, grimmigen Gesichtern und langen, ungepflegten Bärten furchterregend gefährlich aus. Allen voran marschierte der Anführer in dunklem Leder gekleidet.
Karl wich bei dem Anblick unwillkürlich ein paar Schritte zurück. Irmentrud blieb standhaft und liess ihren Blick durch die Männer schweifen, auf der Suche nach diesem einen Gesicht. Als sie das schelmische Grinsen umrandet von goldenen Locken erblickte, stieg ihr die Wärme in die Wangen. Tatsächlich, er war auch dabei! Das erquickende Gefühl in ihrer Magengegend brachte sie mit dem Druck ihrer Handfläche zum Schweigen.
Sie liess ihren Blick schnell von dem Wikinger ab und musterte die anderen Ankömmlinge. Links neben dem Anführer ging ein älterer Mann mit hellgrauem Haar und rechts ein grosser, klotziger Brocken mit dunklem Schopf. Sie stutzte, als sie hinter dem Häuptling eine Frau erblickte, die den vier Wikingern folgte. Eine Frau, die alles andere als nordisch aussah. Eine Fränkin!

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Belagerung
Fiksi SejarahBand II Auf sich gestellt und tief verletzt begibt sich Aveline auf die Rückreise in ihre alte Heimat. Mit einem einzigen Ziel vor Augen: Zurück zu ihren Wurzeln. Ein beschwerlicher und gefährlicher Weg steht ihr bevor, auf welchem sie so manch kuri...