51

62 5 4
                                    

»Komm rein.« Allein durch das Hören seiner Stimme schlug mein Herz schneller und mein Puls stieg drastisch an. Zusätzlich wurde ich auch immer nervöser. Ich schluckte leicht, bekam es auch nur noch schwach mit, wie meine Haut die kalte Türklinke berührte, ehe sie sich fast wie automatisch runter drückte.


Mit jedem Millimeter die die Klinke runter gedrückt wurde, schnürte sich auch meine Kehler immer mehr zu. Alles ging nur langsam von statten, als hätte ich keine Kontrolle darüber, es schneller ablaufen zu lassen. 

»Lou?« Er sah überrascht aus.

Zögerlich nickte ich. Immer ruhig bleiben, Lou. Versuch ruhig zu bleiben!

Langsam machte ich einen Schritt nach vorne. Die Verbände, die eng ansaßen, waren nicht zu übersehen. Einer schlängelte sich über einen rechten Arm, einer ließ sich um seine Hüfte erahnen, da er jedes mal wenn er sich dort selbst berührte, ungemein zusammen zuckte und daher versuchte, diese Berührungen so wenig wie möglich passieren zu lassen. Seine rechte Hand wurde auch von einem Verband umwickelt und ich wollte gar nicht erst seine Beine sehen.

Mein Augen huschten hoch zu seinem Gesicht. Kratzer. 

»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Glaub mir, Lou.« Hat der sich eigentlich mal selbst angesehen? 

Als er merkte, dass ich es ihm nicht abkaufe, stieß er einen tiefen Seufzer aus. Ich wusste doch, dass er lügt. 

»Tut mir leid«, murmelte er letztlich nach mehreren Minuten Stille. Ich winkte ab. »Ich wollte bloß nicht, dass du dir Sorgen machst.« Hätte ich trotzdem. Dass hätte er wissen müssen. »Zumindest mehr als nötig.«

Diesmal war ich es, die seufzte. 

»Zeldris..« Mehr brachte ich nicht über die Lippen. Ich wollte gar nicht mal mehr sagen, denn er verstand schon, was ich wollte. Nur sein Name reichte aus.

»Ich hätte besser Acht geben sollen. Aber gibt Mel nicht die Schuld, er—«, ich ließ den Schwarzhaarigen gar nicht erst ausreden. Hörte er sich selbst überhaupt mal zu? Es machte mir nämlich nicht den Anschein danach!

»Nicht Mel die Schuld geben? Zeldris, der hat dafür gesorgt, dass du ins Krankenhaus geliefert werden musstest, während er mit seinem Arsch jetzt Zuhause auf der Couch sitzt und sich selbst bedienen lässt, während er nebenher den Fernseher zu laufen hat! Der benimmt sich wie ein König, der er nicht ist!« Ich war aufgebracht. Mehr als aufgebracht. Aber nicht wegen Zeldris oder seiner Aussage, sondern weil mir die Situation gerade erst so richtig klar geworden ist. Zeldris hätte sterben können. Er hätte verbluten können. Vielleicht erlitt er ja innere Verletzungen.

»Lou, lass es mich erklären.« Er seufzte leise. Was wollte er mir noch erklären? Dass es gar nicht so knapp um ihn stand? Ein Vögelchen hatte mir gezwischert, er musste in die Notaufnahme! Also echt. Und Melodias wagte es nach alle dem noch Zeldris als deinen Bruder zu betiteln. Toller Bruder. Du bist ein echt toller Bruder Melodias. Wie gerne ich ihm das ins Gesicht sagen würde. Doch wenn ich nochmal vor ihm stehen würde, könnte ich mich und meine Handlungen nicht mehr zügeln, meine Kontrolle verlieren und einer würde sicherlich wieder ins Krankenhaus eingeliefert werden. Fragt sich nur, ob er auch Mädchen schlägt.

»Ich will nichts davon hören, Zeldris. Die Fakten liegen mir bereits vor und ich bin mehr als nur wütend auf ihn. Daran wird niemand was ändern können. Er hat es sich ordentlich verbockt. Ich frage mich, ob er sich dem eigentlich bewusst ist.«

Ein Seufzen verließ seinen Mund und seine Augen blickten von mir weg, während sein Kopf in meine Richtung gedreht blieb. War ich wirklich so anstrengend? Tut mir ja auch Leid, dass ich mir nun mal Sorgen machte und er mir so krass wichtig war.

»Lou...«, murmelte er und ich war kurz am überlegen, ein niederschmetterndes Nein zu bringen und wieder zu verschwinden. Egal wie gemein das war.

Warum konnte er meine Meinung nicht einfach akzeptieren? Wieso versuchte er die Taten seines Bruder so runter zu schaukeln, wobei das ja eigentlich sogar strafbar war? Er hat Körperverletzung geleistet! Schlimme Körperverletzung und trotzdem tut Zeldris so, als wäre nichts gewesen. Nichts schlimmes zumindest.

»Ich mein das doch nicht böse. Nur – versteh noch da jetzt nicht falsch – aber du solltest etwas runter kommen. Es ist nicht so schlimm wie du denkst. Es ist sowieso anders als du denkst.«

Ich schnaube, entscheiden mich auch dafür ihn noch ausreden zu lassen.

»Ich will dennoch nichts mehr davon hören, Zeldris.« Meine Meinung stand und daran konnte er auch nichts ändern. Damit musste er klar kommen.

»Ich– Wie geht es dir überhaupt?« Meine Stimme wechselte zu seiner sanften und etwas ruhiges bestimmte mein Tonfall. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er sah dankbar aus. Dankbar, dass ich zumindest nicht mehr so sauer wirkte, auch wenn ich trotzdem nichts weiteres von dem Thema wissen wollte. Da konnte er sich noch so sehr bemühen.

»Erstaunlicherweise ganz okay. Liegt wahrscheinlich daran, dass du mich besuchen gekommen bist. Vor allem um die Uhrzeit! Das haben die Betreuer doch niemals erlaubt.« Vielsagend schaute er zu mir und verschränkte seine Arme vor der Brust, was mich dazu veranlasste, mich seufzend geschlagen zu geben und abwehrend meine Hände zu erheben. »Erwischt – Ich hab mich raus geschlichen.«

»Das ist nicht okay, Lou. Du weißt ja gar nicht, wie streng die damit sind. Das wird richtig Stress hageln, wenn die das raus finden. Geh jetzt also bitte wieder nach Hause. Desto später du wieder nach Hause fährst, desto gefährlicher wird es draußen sein. Bitte, vertrau mir. Zu deiner eigenen Sicherheit.«

Ich nickte leicht. Aber ich würde ihn nicht verlassen, ohne mir noch einen Kuss zu holen.

Mit weichen Knieen und einem vor Nervosität zitternden Körper machte ich langsame Schritte auf ihn zu, weshalb er eine Braue hob.  

Ich blieb vor ihm stehen. Man, das könnte jetzt echt peinlich werden, wenn er nicht darauf eingeht.

»Ist was?« Er schaute fragend in mein Gesicht und ich schluckte. Meine Wangen nahmen etwas an Röte an. Ich konnte meine Gedanken nicht aussprechen; meinen Wunsch.

Plötzlich verformten sich seine Lippen zu einem Grinsen und ich war mir sicher, er wusste, was ich wollte. 

»Nicht so schüchtern, Lou.« Das sagte er so leicht. 

Ich bückte mich etwas nach vorne, um mit ihm auf ungefährer Höhe zu sein. Unsere Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter entfernt, ehe Zeldris diese überbrückte und unsere Lippen verband zu einem leidenschaftlichen, sanften Kuss, der am beste nie mehr enden sollte.

✧ 𝐋𝐈𝐄𝐁𝐄𝐒 𝐂𝐇𝐀𝐎𝐒; zeldris ( √ )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt