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Ich wartete auf  mein Ende, kniff die Augen fest zusammen, doch alles was ich hörte war Lärm und wie der alte Sack auf jaulte, ehe wir beide ins Schwanken geritten und ich auch schon am Boden lag. Zeldris zog mich schnell auf die Beine und ließ mir kurze Zeit, zu erhaschen, wer dahinter steckte. Yumi hatte ihre letzte Kraft gesammelt und ihn von hinten angegriffen. Er hatte sie unterschätzt, sie gar nicht mehr als Gefahr angesehen. Damit hatte er einen großen Fehler begangen. 

»Jetzt reicht es mir mit dir endgültig, na warte!« Er war aufgebracht. Mehr als das.

Zeldris versuchte mich mit sich zu ziehen, doch ich ließ ihn nicht. Ich konnte Yumi nicht einfach zurück lassen, wo sie doch meine beste Freundin war. Auch als ich ihm das zu erklären versuchte, gab er nicht locker und als ihm meine Proteste reichten, warf er mich einfach über seine Schulter, sodass ich sogar noch sah, wie Yumi erneut leiden musste.

Das hatte sie doch alles nicht verdient.

Mehrmals schlug ich gegen seine Schultern, versuchte auf ihn einzureden, er solle mich hier lassen und stattdessen Yumi mit sich nehmen. Doch er ging nicht darauf ein. Er ließ sie einfach zurück.

*****

»Langsam reicht es mir echt. Wir müssen ihn beseitigen!« Mein Zorn stand mir ins Gesicht geschrieben und einige andere Jugendliche zuckten unter meinem harschen Ton zusammen, der unüberhörbar durch den ganzen Raum zu hören war, in denen wir uns wie so oft tummelten. Der Aufenthaltsraum.

Es war eine Woche seit diesem Vorfall vergangen. Die Medien waren voll, denn wir hatten es nicht verheimlicht. Jeder sollte Bescheid wissen und dieser dreckige Sack sollte endlich fest genommen werden. 

Es grenzte an ein Wunder, aber Yumi hatte es zumindest noch ins Krankenhaus geschafft. Die Ärzte, die bei ihr auf Hochdruck arbeiten und sie keine Minute alleine ließen, meinten jedoch, dass ihre Chancen sehr gering standen und es fast schon unsinnig war, weiter zu versuchen, sie am Leben zu erhalten. Der Wutausbruch, den ich durch diesen dummen Kommentar erlitten hatte, hatte Zeldris dazu gebracht, noch einmal mit den Ärzten zu reden. 

Ich machte mir Vorwürfe. Ich hätte sie retten können. Zeldris hätte sie nehmen sollen, wie ich es ihm gesagt habe. Ich hätte mich mehr bemühen müssen, ihm das einzutrichtern. 

Die Schuldgefühle wucherten immer weiter und waren geradewegs dabei, mich aufzufressen. Wenn Yumi das wirklich nicht schaffte, wenn sie ... sterben sollte. Ich könnte mir das nie und nimmer verzeihen. Ich meine, ich hätte es mit Sicherheit verhindern können; ich hätte es verhindern müssen. Sie war meine beste Freundin!

Aufseufzend fuhr ich mir durch meine Haare und zog die erneute Aufmerksamkeit meiner Freunde auf mich, die bemitleidenswert zu mir sahen. 

»Du hast Recht ... Das muss echt ein Ende nehmen, das ganze Drama«, murmelte Elizabeth und nickte nochmal etwas, um ihre Standpunkt zu verfestigen. Und da hatte sie auch vollkommen Recht. 

»Glaubt ihr, die Polizei kann sie fassen?« Ahnungslos zuckte ich die Schultern und mich überrannte die Lust, mich einfach ins Zimmer einzuschließen, mithilfe der Rollos es soweit es ging abzudunkeln und mich letztlich unter der schönen Bettdecke zu verkriechen. Doch so einfach ging das nicht. Wir mussten jetzt einen Plan fassen. Für unsere Sicherheit; für Yumi. Ich musste sie rächen.

*****

»Und du bist dir sicher, dass das die richtige Nummer ist?« Zeldris nickte noch einmal. Seine Hände zitterten als er die Anruftaste betätigte und er sich schon kurz darauf ans Ohr hielt, ehe anfing, ein wenig durch den Raum zu spazieren. Die ganze Zeit lagen meine Augen auf ihn, meine Gedanken jedoch waren ganz woanders. 

Wir waren mit der Polizei bereits in Kontakt getreten und sie meinte, es würde schwer werden, sie tatsächlich grifffest zu machen, da sie sich nicht nur gut versteckten, sondern auch unberechenbar und kaltblütig waren. Sie waren gefürchtet, keine Frage und die Polizei verriet uns sogar, dass man schon länger Ermittlungen diesbezüglich ins Leben gerufen hatte, doch bisher kamen sie kaum voran, dabei lief ihnen immer mehr die Zeit ab und sie konnten trotzdem nichts tun. Es war hoffnungslos, sagten sie. Wären da nicht unsere Joker — die beiden Brüder. Sie kannten ihren Cousin am besten und vor allem wusste Melodias noch ein entscheidendes Detail, das uns sicher helfen konnte. 

Shumitto Nanami — seine erste und einzige Liebe, die ihn jedoch mit einem gebrochenen Herzen zurück ließ und seinen Hass auf alles weibliche bloß steigerte. Ohne es zu beabsichtigen, warf sie weiter Holz ins heiße gefährliche Feuer, das alles zu verschlingen drohte. 

Melodias erinnerte sich an sie und nach einer stundenlangen Suche konnten wir sie auch ausfindig machen, um ihr von all den Geschehnissen zu berichten, die ihr nicht ganz unverborgen blieben, da im Hintergrund zusätzlich auch die Nachrichten liefen, die alle Zuschauer vor dem gefährlichen Mann warnten, der es grundsätzlich nur auf Frauen abgesehen hatte und dennoch selbst Männern Angst machte. So ein Unmensch. 

Wir erzählten ihr von unserem mit der Polizei ausgehecktem Plan, indem sie auch eine große Rolle spielen würden. Lange überlegte sie hin und her, ehe sie seufzend aufgab und einwilligte, uns zu helfen.

Vielleicht wäre es damit zu Ende - diese Angst, er könnte uns erneut angreifen. ich war dem Tod gerade nochmal von der Schippe gesprungen, aber ich wusste, sollte es ein nächstes Mal geben, wäre es das auch zeitgleich mein letztes mal.

*****

»Das war knapp«, murmelte Nanami neben ihr, als ich uns beide gerade noch so aus der Gefahrenzone gesehen zu werden, gezogen habe. 

»Was macht die denn hier?«, murmelte ich verwirrt und legte meine Stirn in Falten, als ich Chiyo erblickte, die sich auffällig umsah, ob auch wirklich niemand da war. Himmel, die verriet ja alles. Aber die Frage was sie hier wollte, ließ mich einfach nicht los. Meine Finger kribbelten förmlich danach, die Antwort irgendwie heraus zu finden und ich musste gegen den Drang ankämpfen, einfach aufzustehen und ihr zu Folgen.

»Keine Ahnung, ich kenn die nicht..«, murmelte die Kurzhaarige neben mir. Die Haarpracht ging ihr gerade mal bis zu Schulter und wurde in einem schönen Silber gehalten. Der Pony ging ihr knapp über die Augenbrauen und während des Gesprächs hier her, hatte ich erfahren können, dass sie sich den erst letztens wieder geschnitten hatte.

»Lou? Ich hab Angst...«, gestand Nanami dann leise und ich könnte schwören, auch ein leises Schlucken von ihr gehört zu haben, weshalb ich aufmunternd lächelte, während ich sie an sah und beruhigend auf sie einsprach. »Dir wird nichts passieren, ich verspreche es dir.« Sie nickte etwas und atmete tief durch, ehe sie sich mit zittrigem Körper erhob und langsam in Richtung des verlassen Gebäudes schritt. Ich blieb in meinem Versteck, auch wenn ich nur zu gerne alles mitbekommen würde. doch trotz dessen ließ ich Nanami nicht aus den Augen, ehe sie schon verschwand. Plötzlich spielte ich mit dem Gedanken, einfach hinterher zu schleichen, um wirklich zu schauen, ob alles in Ordnung war. Aber das übernahm ja die Polizei, die ihr eine versteckte Kamera angebracht hatte und hier auch ganz in der Nähe war. Sollte es gefährlich werden oder einfach der richtige Zeitpunkt kommen, würden sie rein stürmen und dann den Rest übernehmen. 

Erst jetzt fiel mir das Kribbeln auf, dass sich auf meinen ganzen Körper ausbreitete und ein paar Schweißtropfen rannen meiner Stirn herab. Verdammt. Ich hatte Angst. Mein Herz ging schneller und die Atmungsprozedur beschleunigte sich selbst etwas. Was wenn sie uns durchschauen? Wenn es kein Ende gab? Kein Entkommen für mich?

Nein! So durfte ich nicht denken. Egal wie schwer es mir in dem Augenblick fiel, ich versuchte die negativen Gedanken auszuschalten und stattdessen positive Gedanken hervor zu rufen. Beim Visualisieren eines guten Endes dieser ganzen Sache, musste ich auch unwillkürlich lächeln. Dann würde unserer Liebe nichts mehr im Weg stehen. Mittlerweile war ich nämlich der felsenfesten Überzeugung, dass Estarossa an dem ganzen Schuld war — dass wir noch nicht offiziell zusammen sein konnten. Zeldris musste Angst haben, mich zu verlieren. Das wäre ja auch fast passiert. Alles weitere würde ich noch raus kriegen. Zum Beispiel was es mit Chiyo aus sich hatte. Wieso sie immer tat, als wären die beiden zusammen, aber letztlich geht sie dahin wo Estarossa war. Ich verstand es nicht. Irgendein Puzzle Teil musste mir fehlen. Nur welches genau? Es könnte viele Gründe haben, was sie hier tat. Aber würden wir jemals die Wahrheit darüber erfahren? 

✧ 𝐋𝐈𝐄𝐁𝐄𝐒 𝐂𝐇𝐀𝐎𝐒; zeldris ( √ )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt