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Also auf den hat ich ja mal gar kein Bock. Genervt seufzte ich. Was will er denn? Ich wollte gerade zum Gehen ansetzen, als Zeldris mich am Arm packte — dennoch sanft, um mir nicht weh zu tun — und mich da behielt. 

»Zel, lass mich los«, murrte ich leise und versuchte mich aus seinen Fängen zu befreien, was er jedoch nicht zu ließ. »Jetzt warte doch mal, Lou. Du kannst nicht ewig vor der Wahrheit fliehen.« Langsam ließ er mich los und machte ein paar Schritte zurück, wand aber nicht eine Sekunde meinen Blick von Zeldris ab. »Was soll das bitte heißen, huh? Ich kenne die Wahrheit bereits und will nichts mehr davon hören, verstanden?« Melodias würdigte ich nicht eines Blickes. Das hatte er nicht verdient. Auf keinen Fall. 

»Lou, bitte«, flehte mich dieser aber an und ich verdrehte die Augen. »Nichts da, meine Entscheidung steht fest. Du hättest dir vorher überlegen sollen, ob du auf deinen Bruder los gehst oder nicht.«

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder mir noch anzuhören, was sie weiter zu sagen hatten, machte ich einfach schnell kehrt und flüchtete auf den Flur, wo ich Maja wieder begegnete, mit der ich fast zusammen stoß. 

»Oh, t-tut mir Leid!« Ich seufzte, winkte aber ab und entschuldigte mich letztlich auch nochmal. Im Grunde konnte sie ja nicht wirklich was dafür. Ich war einfach zu sauer, als dass ich auf meine Umgebung geachtet hatte. Die Blondine nickte etwas und strich ihren pinken Faltenrock zurecht, welcher ihr knapp übers Knie reichte. Zudem Rock trug sie ein penibel sauber gehaltenes, weißes Hemd, das sie ihn den Rock gesteckt hat. Darüber eine dünne rosa Jacke, die farblich perfekt zum Rock passte. Auf den Füßen trug sie ihre Hausschuhe. Socken hatte sie kurze weiße an. 

»Hast du Elli irgendwo gesehen?« Maja brauchte ein  paar Minuten des Nachdenkens, um zu wissen wen ich meine. »Elizabeth? Die mit den silbernen Haaren?« ich nickte etwas. »Genau die!« Sie überlegte kurz. »Ich hab sie vorhin kurz bei Rubin gesehen. Aber ob sie da immer noch ist, weiß ich nicht.« Sie zuckte etwas die Schultern und ich nickte wieder nur, bedankte mich dann auch und ließ sie alleine, in dem ich mich auf die Suche nach meiner besten Freundin machte.

*****

»Wieso gibst du ihm denn keine Chance, Lou?« Elizabeth seufzte. Ich tat es ihr gleich. »Er hatte seine Chance und die hat er verbockt.« Ich zuckte mit den Schultern. Mir war egal, was jeder dazu sagte; wie jeder die Sache sah. Ich glaubte an meine Wahrheit der Sache, für mich war das die Wahrheit. Wenn jemand das anders sah, sollte er's doch tun.

Meine Freundin setzte wieder dazu an, etwas zu dem Thema beizutragen, doch ich unterbrach sie. »Wenn es zu dem Thema bezüglich Mel gehört, dann brauchst du es erst gar nicht zu versuchen. Ich will nichts davon hören, hast du mich verstanden?«

»Ja, ist ja gut.« Sie seufzte wieder leise und wir schwiegen uns an. 

»Man, tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anfahren, ehrlich«, murmelte ich nach mehreren Minuten leise und sah entschuldigend zu ihr. Sie seufzte etwas, winkte dennoch mit einem leichten Lächeln ab. 

»Ich denke, du hast einfach nur Angst vor der Wahrheit. Angst, als was es sich entpuppen könnte. Dass Zeldris vielleicht der Schuldige sein könnte, hab ich Recht?« Irgendwie ja schon. Abermals seufzte ich leise, wusste gar nicht was ich groß darauf antworten sollte und nickte einfach nur leicht. Was sollte ich auch sonst tun? 

»Aber ich möchte es dennoch nicht hören. Jetzt noch nicht zumindest.« Sie nickte verständnisvoll. Ich weiß, dass sie mir die Zeit gibt, die ich brauche. Dankbar schaute ich zu ihr und stand letztlich auf, um ihr um den Hals zu fallen. Man, wie sehr ich das vermisst hatte. In den letzten Tagen hatte wir das oftmals nicht gemacht wie gewohnt, da uns immer etwas oder jemand dazwischen gefunkt hatte.

»Nicht dafür.«

*****

»Kommst du, Lou?« Zeldris stand am Türrahmen angelehnt und beobachtete mich aus seinen dunklen Augen, die dennoch wie zwei wunderschöne Seen sind. Seen, die einfach zu oft und zu viel von Menschen verschmutzt worden waren und deshalb so düster wirken. Oftmals hatte ich auch Probleme damit irgendeinen Ausdruck in seinen Augen zu finden, da sie meist einfach nur kalt wirkte. Aber ich wusste, dass eigentlich nur ein verletzter Junge dahinter steckte. Ein kleiner, verletzter, unschuldiger Junge. 

Ich gab ihm ein einfaches Zeichen, dass ich gleich fertig sein würde, das er auch vorstand. Leider stellte es sich dann nicht so raus, dass ich nur noch wenig Zeit brauchte, um fertig zu sein.

»Du siehst gut aus und jetzt komm.« Zeldris seufzte leise und wirkte etwas genervt. Vermutlich wollte er einfach nur nicht länger warten. Verständlich.

»Warte«, meinte ich konzentriert und  versuchte mich weiterhin daran meine Haare perfekt zu legen, aber das wollte nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Letztlich machte ich mir einfach einen hohen Pferdeschwanz, sodass wir endlich los konnten. 

Uns fehlten nur noch unsere Straßenschuhe. Als wir die dann aber auch an hatten, waren wir schon draußen verschwunden, wo uns die angenehme Abendluft entgegen kam.

Es sollte aber nicht nur bei unserer Routine eine Runde zu drehen bleiben. Auf mich wartete eine Überraschung. Etwas, woran ich gar nicht wirklich gedacht hatte.

✧ 𝐋𝐈𝐄𝐁𝐄𝐒 𝐂𝐇𝐀𝐎𝐒; zeldris ( √ )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt