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Es dauerte nicht lange, ehe wir schon den Rücktritt an getreten hatten. Es wurde nicht nur zunehmend kälter, sondern auch dunkler und Zeldris hielt es für das beste, nach Hause umzukehren. Und wenn selbst er das schon sagte, zweifelte ich keine Sekunde an der Entscheidung.

Ebenso dauerte es nicht lange, bis wir dann auch auch wieder Zuhause ankamen und Zeldris mir die Tür aufmachte, mich zu erst rein ließ, bevor er dann selbst nach zog und die Tür hinter sich wieder schloss.

Wir beeilten uns die Schuhe von den Füßen zu streifen und rannten in unser Zimmer, als wir Schritte vernahmen, die sich stark nach Rubin anhörten. Erneuten Stress mit ihr wollten wir beide nicht, denn letztes mal als wir erst so spät antanzten, gab es ordentlich was von ihr zu hören. Sie hielt uns für ungelogen einer guten halbe Stunde eine Standpauke darüber, dass wir so spät draußen rein gar nichts mehr zu suchen hatten und der Versuch, auf die anderen abzulenken, die noch später als wir manchmal ihr Unwesen trieben, wurde sie nur noch wütender. Das ging dann deutlich nach hinten los und ich wusste, dass ich sowas bei ihr nie wieder machen würde. Trotzdem fand ich es unfair, dass wir so zu geschissen wurde, die anderen aber nicht mal einen mahnenden Blick kassierten. Dabei war sie sonst auch immer strenger zu den und zu mir relativ nett, sodass ich es so gar schon wagte, davon auszugehen, ich gehöre zu ihren Lieblingskindern hier. Auch wenn sie sowas eigentlich nicht wirklich haben durfte, doch wer hielt sich schon daran? Das gleiche gilt für die Lehrer, denen das auch egal war und sie sich trotzdem nach wie vor ihre Lieblingskinder raus pickten.

Ich schmiss mich im Zimmer angekommen sofort auf mein Bett und versuchte meine Atmung zu regulieren, um möglichst natürlich rüber zu kommen und nicht so, als wäre ich gerade einen halben Marathon gelaufen.

Zeldris nahm Platz auf seinen Stuhl und griff blind nach irgendetwas zum schreiben, um so tuen zu können, als würde er noch irgendwelche Hausaufgaben machen. Denn kaum ein paar Minuten später ging die Tür auf und Rubin spähte herein, zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

»Wieso seid ihr so gerannt? Und wieso habt ihr eure Jacken an?« Ich hielt für kurze Zeit meine Luft an, da ich meine Atmung noch immer noch nicht unter Kontrolle bekommen hatte und zusätzlich angespannter wurde, weshalb ich schon leichten Angstschweiß spüren konnte. Zum Glück nur an meinen Handflächen, sodass das Rubin es eigentlich nicht bemerken dürfte. Wenn das Glück denn auf meiner Seite stand, wie es aber oft Mals nicht der Fall war.

Mein Gehirn ratterte, sodass man wahrscheinlich schon aufsteigenden Rauch aus meinen Ohren dampfen sehen konnte. Verzweifelt suchte ich nach einer Ausrede, doch die Angst vor dem Ärgern machte es mir nicht möglich klar zu denken, sodass ich auf die schnelle nichts fand. Wäre Zeldris nicht da, wäre ich als Einzelperson jetzt echt aufgeschmissen.

»Entschuldige Rubin, Melodias meinte, wir würden es nicht schaffen im Zimmer zu sein, bevor du bei uns bist. Und ich weiß, normalerweise lasse ich mich auf sowas kindisches nicht ein, aber es stand auf dem Spiel, dass der Verlierer einen Monat das Amt des anderen übernehmen muss. So eine Chance wollte ich mir nur ungern entgehen lassen. Und die Jacken haben wir uns angezogen, weil es kalt ist. Melodias hatte das Fenster wieder lange auf gelassen und selbst mit Heizung würde es so schnell nicht warm werden.«

Die ganze Zeit sah er sie ernst an mit einer so gefälschten Ehrlichkeit in den Augen, dass man glatt denken könnte, es wäre echt — wenn man es nicht wie ich besser wüsste. Unpassenderweise musste ich mir auch jetzt wieder drum Gedanken machen, ob er denn jemals wirklich zu mir ehrlich war. Dieser Blick hypnotisierte einen schon förmlich dazu, seinen Worten Glauben zu schenken. Also konnte er mich genau so gut angelogen haben, bloß mit diesem Blick unterlegt, damit ich genau das nicht dachte. Aber irgendwie passte das nicht zusammen. Wieso sollte er sich sonst so viel Mühe für mich geben und selbst die anderen mir Bestätigungen geben, wenn das sowieso alles bloß daher gelogen war? 

Prüfend schaute Rubin ihn noch einige Minute schweigend an, ehe sie letztlich doch nickte und ihm tatsächlich Glauben schenkte. »Na gut, ich glaub dir.« Es schwang zwar noch ein Unterton von Misstrauen mit, doch man hörte dennoch raus, dass sie es ernst meinte. Sie nickte mir nochmal kurz zu, ehe sie sich wieder zurück zog und die Tür wieder zu ging, wir somit allein gelassen wurden.

Nachdem wir die Schritte weg gehen hörten, seufzte ich erleichtert auf und auch Zeldris sah ich an, wie erleichtert er war. »Das war knapp«, murmelte ich leise, worauf der Schwarzhaarige mir zustimmend zu nickte. »Sie hat zwar noch ihre Zweifel, aber zumindest schenkt sie mir größtenteils trotzdem ihren Glauben. Sie kennt mich nämlich als ehrlichen Menschen, da ich selbst schon mal Melodias verpetzt habe.« Nach der Information musste er Grinsen und auch ich konnte es mir nicht verkneifen. Hatte er sowieso verdient, denn ich war mir mehr als nur sicher, dass er schon öfter abfällig mit Elizabeth umgesprungen war.

»Hoffen wir es mal«, grinste ich etwas. »Zweifelst du etwa gerade an meiner Schauspielerkunst, hm?« Er zog grinsend eine Augenbraue hoch und provozierend nickte ich, während mein Grinsen breiter wurde. »Was denkst du denn?«

Er stand langsam auf und kam bedrohlich auf mich zu, weshalb ich mich auf den Rücken umdrehte und mein Handy beiseite. »Und, was willst du jetzt tun, hm?«, provozierte ich weiter, zog aber meine Beine langsam an und hob beschützend meine Arme, denn ich wusste, dass er gleich bestimmt zum Angriff übergehen würde. Und das tat er auch; wenn auch anders als erwartet.

Er streckte seine Arme nach mir aus und fing an mich zu kitzeln, weshalb ich sofort los prusten musste. Unter starkem Lachen schaffte ich es gerade so »Hör auf!« raus zu bringen, was sein Grinsen wachsen ließ. Nein, er dachte erst gar nicht daran aufzuhören, sondern machte amüsiert weiter.

»Wie war das? Kannst du dich nicht nochmal wiederholen, hm?« Wild strampelte ich mit meinen Füßen, versuchte mich zu winden und zu befreien, doch blieb das erfolgslos, sodass mir vor Lachen selbst schon die Tränen in die Augen schossen.

»Ich kann natürlich auch aufhören, wenn du deine Worte zurück nimmst!« »Na gut na gut, du bist ein grandioser Schauspieler und ich hatte nie Zweifel.« Abrupt hörte er auf, sodass ich erstmal tief Luft holen konnte. Das Grinsen schien festgewachsen auf seinen Lippen und er sah auf mich herab, fand das ganze vermutlich noch immer amüsant. »Ich werde so etwas nie wieder in Frage stellen«, lachte ich leise und mehrmals nickte Zeldris, meinte anhängend: »Besser für dich.«

»Sonst was, hm?« Prüfend schaute ich ihn an, fing selbst wieder an zu grinsen, während ich mich langsam wieder aufsetzte. »Dann kitzele ich dich einfach wieder durch, lasse aber diesmal nicht so schnell locker, egal was du sagst.« Er zuckte die Schultern, als wäre es das normalste auf der Welt.

»Pff, dann schlag ich dich eben.« Ebenso zuckte ich die Schultern, grinste wieder breiter. Es machte mir einfach viel zu sehr Spaß, ihn zu provozieren. 

»Das traust du dich nur einmal!« Ich musste leise auflachen. »Das habe ich doch bereits schon gemacht«, gab ich belustigt und wieder einmal schulterzuckend von mir.

»Hm, das stimmt. Aber lustig war das nicht, das tat weh, Fräulein.« Ein leises Murren entwich seiner Kehle, doch ich ließ mich dadurch nicht einschüchtern und ich ging vielleicht einen Schritt zu weit, als ich ihm ein wenig in die Wange kniff und meinte, dass es eigentlich ganz lustig war — zumindest für mich.

Ganz so lustig fand er's nicht und ehe ich mich versah, stützte er über mir. Ein ungesunder Rotton legte sich auf mein Wangen, während Zeldris sein Grinsen wieder gefunden hatte und ich musterte, ehe sein Blick an meinen Lippen hängen blieb.

✧ 𝐋𝐈𝐄𝐁𝐄𝐒 𝐂𝐇𝐀𝐎𝐒; zeldris ( √ )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt