Elyna klopfte an die große Holztür und sah zu ihrem Bruder. Sie standen vor dem Büro von Professor McGonagall, die sie wie bereits an zwei Abenden in der Woche zuvor zum Tee trinken eingeladen hatte. Bisher hatten sie sich nur darüber unterhalten, ob sie sich schon gut in ihrem Haus eingelebt hatten oder wie sie mit den Hausaufgaben zurechtkamen. Aber heute wollten die beiden Kinder über ein etwas schwierigeres Thema reden, das sie sich bisher nicht getraut hatten, anzusprechen.
"Herein!", rief eine Stimme. Elyna öffnete die Tür und Josec schloss sie hinter ihnen wieder.
"Ihr seid es", lächelte die Verwandlungslehrerin. "Setzt euch. Wollt ihr Tee?"
Die Zwillinge nickten und setzten sich auf die Stühle vor dem Schreibtisch der Professorin, während diese den Tee aufgoss.
"Wir wollten Sie etwas fragen", begann Elyna. Professor McGonagall hatte ihnen das Du angeboten, immerhin war sie auch ihr Vormund, aber die Zwillinge konnten sich nicht daran gewöhnen, ständig die Anrede wechseln zu müssen, deshalb waren sie einfach beim Siezen geblieben.
"Was wollt ihr denn wissen?"
Elyna warf Josec einen kurzen Blick zu. "Nunja, in unserem Haus fällt häufig ein Name und wir hatten gehofft, dass Sie uns etwas darüber erzählen könnten."
Professor McGonagall verspannte sich etwas, als wüsste sie bereits, was als nächstes kommen würde.
"Wir wüssten gerne, was es mit dem 'Dunklen Lord' auf sich hat", endete Elyna.
McGonagall seufzte tief und schwieg eine Weile. Dann trank sie einen Schluck ihres Tees und begann zu erzählen. "Der Dunkle Lord, auch Lord Voldemort genannt, war vor etwa dreißig Jahren ein Schüler an dieser Schule. Er ging wie ihr nach Slytherin und war außerordentlich talentiert. Aber es hat ihn schon immer zu den dunklen Künsten gezogen und zu jener Zeit gab es einen fürchterlichen Krieg in der Zaubererwelt. Man hatte ihm nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet und so rutschte er immer tiefer in die dunkle Magie ab. Als er Hogwarts verließ, nahm er seine reinblütigen Freunde mit sich, nannte sie seine 'Todesser' und sich selbst 'Lord Voldemort'. Er ist ein unglaublich mächtiger dunkler Zauberer, der dem Wahn vom reinen Blut verfallen ist. Viele Reinblüter schließen sich ihm aus Überzeugung an, andere nur, weil er ihre Familien bedroht. Jedenfalls hat er inzwischen schon sehr viele Anhänger und wird mit jedem Jahr stärker."
Josec runzelte dir Stirn. "Was ist so schlecht an seinen Ansichten?"
Die Lehrerin für Verwandlung versuchte, nicht allzu geschockt auszusehen und mit neutraler Miene zu erklären: "Er will, dass keine Muggelgeborenen mehr in Hogwarts unterrichtet werden und sie generell weniger Rechte bekommen aufgrund ihres Blutstatus. Findest du das etwa in Ordnung, Josec? Die Muggelgeborenen haben ebenso ein Recht auf schulische Bildung wie alle anderen."
"Hm", machte der schwarzhaarige Junge.
"Ihr wisst doch auch nicht, wer eure Eltern sind", versuchte McGonagall eine andere Strategie. "Wenn sie Muggel waren, dann dürftet ihr laut Voldemort nicht an dieser Schule sein. Er quält seine Gegner mit dem Cruciatus-Fluch und macht auch vor dem Todesfluch nicht halt. Diese Zauber werden nicht ohne Grund als unverzeihlich bezeichnet und mit einem Aufenthalt in Askaban bestraft."
Nun runzelte Elyna die Stirn. "Was ist Askaban?" Sie mochte den Klang des Wortes.
"Ein Gefängnis für Zauberer", erklärte McGonagall.
Elyna verbrannte sich die Zunge an ihrem Tee.
"Aber irgendetwas muss doch dahinter stecken, wenn er so überzeugt davon ist, dass Muggelgeborene nicht in die Zaubererwelt gehören", rätselte Josec weiter.
"Nein, mein Junge", sagte die Professorin kopfschüttelnd. "Er ist einfach nur verrückt."
Josec öffnete den Mund, aber Elyna trat ihrem Bruder unauffällig auf den Fuß und schüttelte kaum merklich den Kopf. Von der Verwandlungslehrerin würden sie nichts mehr erfahren. Wenn sie jetzt trotzdem weiterfragten, würde das nur ihr Misstrauen wecken. Und so beließen es die beiden Slytherins dabei, tranken ihren Tee aus und verabschiedeten sich schließlich von ihrem Vormund, bevor sie den Rückweg in die Kerker antraten."Da seid ihr ja endlich!", rief Rabastan, als sie den Gemeinschaftsraum betraten.
Elyna sah ihn verwundert an. "Hast du mich so sehr vermisst?", fragte sie schelmisch.
Er wurde leicht rot und verdrehte die Augen. "Wir sind doch heute zu Professor Slughorn eingeladen, schon vergessen?"
Das hatte sie tatsächlich. Elyna stöhnte genervt und sah auf die Uhr. Es war kurz vor um sieben.
In diesem Moment sprang Narzissa von einem der Sofas auf und kam auf ihre Freundin zu. "Keine Sorge, ich helfe dir. Du kannst dir eines von meinen Kleidern ausleihen", meinte sie lächelnd und zog sie mit sich in ihren Schlafsaal. Dort ging Elyna schnell duschen, während Narzissa ihr etwas zum Anziehen raussuchte. Als sie wieder aus dem Bad heraus kam, drückte die Blonde ihr ein grünes Kleid in die Hand, das sanft bis zu ihren Knien fiel und nur wenig Ausschnitt zeigte - sie war immerhin erst elf.
Dann zwang sie sie auf einem Stuhl Platz zu nehmen und bürstete ihre schwarzen Haare bevor sie ein paar der Strähnen flocht, damit es nicht so einfach aussah. Als Elyna in den Spiegel schaute, entschied sie, dass sie ihre Haare ab sofort immer so tragen würde. "Danke", sagte sie zu ihrer Freundin, die allerdings nur abwinkte und sie zu Rabastan in den Gemeinschaftsraum scheuchte.
"Schick", sagte Josec als er sie sah.
Rabastan schaute sie einfach nur an und schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob er überhaupt noch sprechen konnte. Deshalb hielt er ihr einfach seinen Arm hin, sie hakte sich ein und zusammen verließen sie den Slytheringemeinschaftsraum.
Sie gingen die Gänge entlang zu Professor Slughorns Räumen und Rabastan klopfte.
Die Tür wurde vom Gastgeber höchstselbst geöffnet, der sie aufgeregt hereinwinkte. "Kommen Sie, kommen Sie, Mr Lestrange und Miss Salwn", er bedeutete ihnen, an dem großen runden Tisch Platz zu nehmen.
Rabastan rückte für Elyna einen Stuhl zurecht und setzte sich zwischen sie und ihren Bruder. Nun war nur noch ein Platz auf ihrer anderen Seite frei. In diesem Moment klopfte es erneut an der Tür und Slughorn sprang auf. "Ah, Miss Evans. Schön, dass Sie doch noch gekommen sind."
Überrascht drehte Elyna sich zu dem Neuankömmling um und tatsächlich handelte es sich dabei um die kleine, rothaarige Gryffindor mit den Muggeleltern. Rabastan neben ihr schnaubte angewidert, Elyna störte es nicht, dass sich das Mädchen neben sie setzte. Aber sie lächelte auch nicht zurück als die Gryffindor ihre Mundwinkel mit Blick zu der Schwarzhaarigen hob.
Dann begann das Essen.
Elyna war zwar zuvor bei Professor McGonagall zum Tee trinken gewesen, aber deshalb hatte sie das Abendessen ausfallen lassen müssen und war dementsprechend hungrig. Rabastan hingegen überhaupt nicht, er lachte als sie ihm sein Essen vom Teller klaute.
So bemerkten die beiden gar nicht wie schnell das Interesse Slughorns von einem Schüler zum anderen gesprungen war bis es schließlich bei ihnen ankam.
"Miss Salwn", wurde sie aus ihrer Rumalberei mit Rabastan gerissen. "Sagen Sie, was machen Ihre Eltern beruflich?"
Elyna entsann sich schnell der Lügen, die sie ihren Freunden aufgetischt hatte und senkte traurig den Blick. "Ich fürchte, meine Eltern machen gar nichts mehr, Sir. Sie sind vor vier Jahren verstorben."
Eisige Stille legte sich über den Raum.
"Oh, das tut mir leid", meinte Slughorn. "Sind sie etwa dieser seltsamen Krankheit erlegen, die damals die Runde gemacht hat? Sie müssen wissen, einer meiner ehemaligen Schüler forscht sehr erfolgreich zu dem Thema..."
"Nein, Sir", unterbrach Elyna ihn. "Ein Werwolf hat sie getötet."
Erneutes Schweigen.
Slughorn schien sich entschieden zu haben, sie in Ruhe zu lassen und wandte sich nun stattdessen Rabastan zu. "Was ist mit Ihnen, Mr Lestrange? Wie ich schon von Ihrem Bruder gehört habe, sind Sie nicht nur begabt, was Zaubertränke angeht sondern auch beim Fliegen? Werden Sie sich nächstes Jahr für das Quidditchteam bewerben?"
"Ja, Sir", antwortete Rabastan freundlich. "Ich möchte einen der Treiber ablösen", erklärte er dann mit Blick auf seinen Bruder. "Ich glaube nämlich, dass ich viel besser bin."
"Glaubst du das, ja?", zischte Rodolphus und seine Miene verzog sich. Bellatrix legte ihm eine Hand auf den Arm, um ihn zu beruhigen.
Slughorn schien zu bemerken, dass die Stimmung langsam kippte und so verlangte er eiligst den Nachtisch und entließ sie ebenso hastig.
Elyna war ganz froh, dem Zaubertränkelehrer entkommen zu sein, aber sie hätte gerne noch eine Portion des Schokoladenpuddings gegessen. Rabastan hatte beinahe als erster den Raum verlassen, dabei ihre Hand genommen und sie einfach mit sich gezogen. Wütend stapfte er durch die Gänge. "Dieser miese, arrogante Dreckskerl! Tut gerade so, als ob er der Beste wäre! Nur, weil er ein bisschen älter ist, meint er, er könne mir vorschreiben, was ich machen soll? Dieser verfluchte Bastard!"
Elyna ließ ihn reden. Es schien, als habe er lange darauf gewartet, diese Worte loszuwerden und je länger er sprach, desto leichter wirkten seine Schritte. Seine Haltung wurde gerader, seine Stimme verlor ihren hasserfüllten Klang bis es wirkte, als würde er einfach nur noch auf seinen großen Bruder meckern und nicht mehr, als würde er ihm gleich den Todesfluch auf den Hals hetzen wollen.
Vor dem Gemeinschaftsraum blieben sie stehen und Rabastan atmete tief durch.
"Besser?", fragte Elyna.
Er nickte. "Viel besser. Danke, dass du mir zugehört hast." Er lächelte.
Elyna lächelte zurück. "Immer wieder gern. Die Unantastbaren." Das letzte sagte sie zu der Steinwand, vor der sie standen, woraufhin diese sich öffnete und sie in den Slytheringemeinschaftsraum einließ. Da es sich um einen Samstag handelte, waren viele der älteren Schüler noch wach, aber die Erst- und Zweitklässler waren fast alle schon im Bett. Nur Severus Snape saß noch in einer Ecke und las ein Buch.
"Gute Nacht", flüsterte Elyna Rabastan zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er erwiderte die Verabschiedung und ging leichten Schrittes in seinen Schlafsaal.
Elyna sah ihm kurz nach, dann ging sie zu Severus und quetschte sich neben ihn in den Sessel. Da sie beide ziemlich schmal waren, passte das tatsächlich ziemlich gut, auch wenn der Schwarzhaarige sie ansah, als hätte sie den Verstand verloren.
"Was liest du da?", fragte sie und besah sich das Buch. Er drehte es um, sodass sie den Titel lesen konnte. Es handelte sich um ein Zaubertrankbuch.
"Du magst Zaubertränke, stimmt's?"
Er nickte.
"Und du magst Lily Evans, stimmt's?"
Er nickte.
Dann fiel ihm auf, was sie gerade gesagt hatte. Er riss den Kopf zu ihr herum und wäre fast aus dem Sessel gefallen. "Nein, ich-", begann er, aber Elyna unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
"Schon gut, mich stört das nicht. Muggelstämmige sind in meinen Augen durchaus etwas wert. Ich meine, Evans ist immerhin besser in der Schule als beispielsweise Avery."
Severus nickte zögernd.
"Ich glaube nur", fuhr Elyna fort, "dass es irgendwann einen ordentlichen Streit zwischen euch geben wird. Dieser ganze Gryffindor-gegen-Slytherin-Kampf schlägt ganz schön auf eine Freundschaft."
Severus verengte die Augen. "Was willst du damit sagen?"
Elyna seufzte. "Ich wollte dich nur daran erinnern, dass du nicht ohne Grund in Slytherin bist. Vergiss nie, was dieser Vertrauensschüler zu uns gesagt hat: Slytherins halten immer zusammen." Sie machte eine kurze Pause. "Aber deine Freundschaft mit Lily ist auch wichtig, deswegen solltest du dir überlegen, wo deine Prioritäten liegen." Sie stand auf. "Ach, eins noch. Komm das nächste mal zu unseren Lernsitzungen. Es wird ein bisschen auffällig, wenn du nie dabei bist und außerdem hilft es durchaus im Unterricht."
Elyna mochte Severus irgendwie. Anders als sie Rabastan oder ihren Bruder mochte. Mehr so wie bei Narzissa.
Lächelnd ging Elyna in ihren Schlafsaal, legte ihrer Freundin das Kleid hin und verschwand schnell und heimlich in Richtung Jungenschlafsaal.
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Nicht der Tod wird uns trennen
FanficDie Zwillinge Elyna und Josec Salwn wachsen als Waisen auf und sind dementsprechend überrascht als man ihnen eines Tages erklärt, dass sie zaubern können. Gemeinsam gehen sie nach Hogwarts, gemeinsam werden sie nach Slytherin eingeteilt, gemeinsam f...