Nott Manor war ein riesiges, düsteres Anwesen, das regelrecht mit der Dunkelheit der Nacht verschmolz. Die wenigen erleuchteten Fenster wirkten dadurch wie verlorene Sterne am Himmel.
"Kommst du?" Rabastan war stehen geblieben und hatte sich zu seiner Verlobten umgedreht. Fragend sah er sie an.
"Angst, Schwesterherz?", grinste Josec, der neben seinem besten Freund stand.
Elyna verdrehte die Augen und folgte den beiden. Hinter ihr liefen Severus, Avery und Mulciber, die heute Nacht alle das Dunkle Mal erhalten würden.
Elyna nahm Rabastans Hand und ließ sich von ihm zu dem düsteren Anwesen führen. Noch bevor einer von ihnen klopfen konnte, öffnete sich bereits die Tür und ein Hauself hieß sie willkommen. Er nahm ihnen ihre Umhänge ab und geleitete sie in einen großen Saal, in dem sich bereits einige Menschen aufhielten. Elyna und Josec hielten sich dabei hinter ihren Freunden im Schatten.
Der Raum war dunkel wie das ganze Gebäude, in der Mitte stand ein langer, schwarz gestrichener Holztisch und darüber hingen zwei Kronleuchter, die ein unheimliches Licht verströmten. An der rechten Wand standen mehrere Regale, die eindeutig schwarzmagische Bücher und Gegenstände enthielten, links gab es nur eine zweite Tür. Einige der Anwesenden wandten ihre Köpfe zu den Neuankömmlingen, unter ihnen auch Bellatrix und Rodolphus Lestrange.
"Ah, da sind sie ja. Unsere drei neuen Todesser", schnitt plötzlich eine eiskalte Stimme durch den Saal, die jegliches Gespräch verstummen ließ.
Elynas Blick huschte zu der zweiten Tür, die sich lautlos geöffnet hatte und aus der der Mann trat, der Elyna seit einer Weile schlaflose Nächte bescherte.
Die blasse Haut des Dunklen Lords stand in krassem Gegensatz zu der Düsternis des Nott'schen Anwesens, seine Augen leuchteten rot und schienen alles zu durchschauen. Kein Haar zierte seinen Kopf, sodass die beinahe schwarzen Adern deutlich hervortraten - die häufige Anwendung der Schwarzen Magie machte sich bereits in seinem Blut bemerkbar.
Er trug nichts weiter als einen schwarzen Umhang, seine nackten Füße schienen regelrecht über den Boden zu schweben. Die langen blassen Finger seiner rechten Hand hielten locker den hellen Zauberstab umklammert. Seine blutleeren Lippen verzogen sich zu einem selbstgefälligen Grinsen, als alle Anwesenden vor ihm auf die Knie fielen.
"Steht auf und setzt euch", befahl er, nachdem er das Schauspiel einige Sekunden lang genossen hatte. "Snape, Avery, Mulciber", sprach er dann unerwartet sanft. "Kommt zu mir!"
Die drei Angesprochenen liefen mit gesenktem Blick zum Dunklen Lord, während die übrigen Todesser an dem düsteren Tisch Platz nahmen.
Elyna und Josec blieben im Schatten stehen und beobachteten die Zeremonie, die vor ihren Augen ablief.
Mulciber war der Erste.
Der Dunkle Lord zeichnete mit seinem Zauberstab eine Schlange auf den Arm des Schwarzhaarigen, der verzweifelt versuchte, sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Die Schlange bewegte sich ungeduldig auf seinem Arm hin und her, bis der Dunkle Lord seinen Finger auf ihre Schwanzspitze legte und dort ein Totenkopf erschien. Die Schlange wurde ruhiger, kringelte sich zusammen und streckte sich wieder ein Stück aus. Schließlich blieb sie reglos liegen. Das Dunkle Mal auf Mulcibers Arm sah nun genauso aus wie das, das Rabastan bereits seit dem letzten Sommer trug.
Elyna tat es weh, zu sehen, dass Avery und Severus beim Empfangen des Zeichens ebenso entsetzliche Schmerzen verspürten wie Mulciber, doch ihr entgingen auch nicht die zufriedenen Blicke, die alle drei immer wieder auf ihre Unterarme warfen. Sie verbeugten sich vor dem Dunklen Lord und dankten ihm.
"Nun, meine neuen Todesser", sprach er und wies auf den langen Tisch, an dessen Ende noch drei Plätze frei waren. "Setzt euch zu uns."
Die drei eilten schnell zu den ihnen zugewiesenen Stühlen, während die roten Augen des Dunklen Lords sich nun auf den Schatten richteten, in dem Elyna und Josec sich noch immer verbargen. "Sind das die zwei Gäste, von denen du mir erzählt hast, Rabastan?", fragte er, ohne den Blick abzuwenden.
Rabastan stand auf und verneigte sich ehrerbietig. "Ja, Herr. Das sind Elyna und Josec Salwn."
Der Dunkle Lord nickte kurz und kniff dann die Augen zusammen, weil die Zwillinge noch immer im Schatten standen. "Kommt her!", befahl er.
Josec trat ohne zu zögern auf ihn zu, Elyna folgte ihm langsamer. Sie hielten beide den Blick gen Boden gerichtet und hielten etwa drei Meter vor dem angeblich bösesten Zauberer ihrer Zeit an.
"Nun, was genau erhofft ihr euch von eurem Besuch?", fragte der Dunkle Lord gelangweilt.
"Klarheit", eröffnete Josec, "über einige Familienverhältnisse."
Die Stirn des Dunklen Lords kräuselte sich leicht. "Was interessieren mich eure Familienverhältnisse?"
Synchron hoben die Zwillinge den Kopf, ihre schwarzen Augen mit dem grünen Ring um die Pupille und den zwei grünen Tupfen funkelten im schwachen Licht. "Nun", sagte Elyna so leise, dass die Todesser sie nicht hören konnten, "immerhin war unsere Mutter Lyanna Selwyn und bekanntlich Eure Todesfee."
Erkennen huschte plötzlich über die Züge des Dunklen Lords und etwas, das Elyna nicht benennen konnte. "Raus", hauchte er. Sein Zauberstab richtete sich auf die Hexen und Zauberer, die an dem langen Holztisch gesessen und das Schauspiel zwischen ihrem Herrn und den Zwillingen beobachtet hatten. "RAUS!", brüllte er erneut. Aus seinem Zauberstab schoss ein Fluch, der einen der Todesser traf und ihn schreiend zusammenbrechen ließ. Die anderen beeilten sich, den Raum zu verlassen und zogen ihren Kameraden mit sich. Rabastan warf einen letzten besorgten Blick zu Elyna, bevor er hinter sich die Türen schloss. In letzter Sekunde schob sich eine braun gemusterte Schlange durch den Türspalt, sie war etwa zwei Meter lang. Elyna vermutete in ihr die Königspython Nihyara.
"Sei gegrüßt", zischte Elyna der Schlange zu und neigte leicht den Kopf.
Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass der Dunkle Lord sie argwöhnisch beobachtete.
Die Königspython kam auf Elyna zugekrochen und richtete sich vor ihr auf. "Du sprichst meine Sprache?", fragte sie überrascht.
Elyna nickte. "Mein Bruder kann es auch, allerdings hat er noch nicht so viel Übung darin wie ich."
Die Schlange peitschte freudig mit ihrem Schwanz. "Ich wusste gar nicht, dass so viele Menschen meine Sprache beherrschen."
Elyna lächelte. "So viele gibt es auch nicht. Aber wir drei", sie deutete auf den Dunklen Lord, Josec und sich selbst, "stammen von Salazar Slytherin ab."
Die Schlange machte eine eigenartige Bewegung, mit der sie anscheinend ihre Freude ausdrücken wollte. "Salazar Slytherin ist selbst bei uns Schlangen ein äußerst bekannter Mensch - er hat viel für uns getan."
"Nihyara", zischte plötzlich der Dunkle Lord. "Komm her zu mir!"
"Der Herr ruft", sprach die Königspython zu Elyna, bevor sie zwischen ihren Beinen hindurchkroch und sich nach einer weiteren Anweisung des Dunklen Lords neben die Tür legte. Interessiert beobachtete sie das weitere Geschehen.
"Ihr behauptet also, eure Mutter wäre Lyanna Selwyn", sprach der Dunkle Lord und ignorierte damit Elynas Fähigkeit, Parsel zu sprechen.
Die Schwarzhaarige nickte. "Ja, sie hat Euch verlassen, um uns zur Welt zu bringen und ist bei unserer Geburt verstorben."
Elyna spürte den Zorn des Dunklen Lords, noch ehe dieser seinen Zauberstab auf die Geschwister richtete. "Lyanna wurde von Auroren getötet", sprach er mit hasserfüllter Stimme. "Sie war meine treueste Anhängerin. Sie hätte mich niemals verraten!"
"Sie hat Euch nicht verraten!", log Elyna, während sie ihre mentalen Schilde hochzog und ihren Geist verschloss. "Sie wusste nicht, wie Ihr auf die Nachricht ihrer Schwangerschaft reagieren würdet, deshalb hat sie sich zurückgezogen und Euch im Ungewissen gelassen. Sie wollte nicht, dass wir bei einem Kampf zu Schaden kommen, nahm aber gleichzeitig an, dass Ihr es als Schwäche auslegen würdet. Also hat sie uns an einem abgelegenen Ort zur Welt gebracht, um uns später zu Euch zu bringen, aber sie ist bei der Geburt verstorben und wir landeten in einem Waisenhaus."
Der Dunkle Lord starrte sie lange aus seinen roten Augen an, dann wandte er sich abrupt ab und lief unruhig im Raum hin und her. Er setzte mehrmals an, etwas zu sagen, tat es dann aber doch nicht. Schließlich blieb er stehen und musterte die Geschwister von oben bis unten. "Wenn ihr nicht ihre Augen hättet...", murmelte er leise - Elyna glaubte sogar, eine seltsame Art von Verzweiflung in seiner Stimme zu erkennen.
Ganz plötzlich wurde sein Blick wieder kalt, seine Haltung gerade und sein Gesichtsausdruck emotionslos. "Was genau wollt ihr nun von mir? Ich kann euch eure Mutter nicht zurückbringen und ich kann euch kein Vater sein - geschweige denn, dass ich es will."
Nun meldete sich Josec wieder zu Wort, trat dabei einen Schritt auf den Dunklen Lord zu. "Ich möchte mich Euch anschließen."
"Ich habe genug Todesser. Warum sollte ich dich brauchen?"
Josec grinste. "Ich bin der beste Zauberer meines Jahrgangs" - Elyna unterdrückte ein empörtes Schnauben - "und habe schon unzählige Duell gewonnen. Meine Magiereserven sind ein Fass ohne Boden und ich möchte sie gerne in Eure Dienste stellen."
Der Dunkle Lord richtete seinen Zauberstab auf Josec, doch der Schwarzhaarige blieb ruhig und wartete einfach ab. "Wenn du so mächtig bist, wie du behauptest, warum sollte ich dich dann nicht hier und jetzt aus dem Weg räumen, damit du mir später keine Probleme machen kannst?"
Josecs Lippen kräuselten sich und er neigte sich ein Stück nach vorne. "Weil Ihr mich brauchen werdet. Ich kann Eure mächtigste Waffe in diesem Krieg sein - wenn Ihr wisst, wie Ihr den größten Nutzen aus mir ziehen könnt."
Der Dunkle Lord starrte Josec regelrecht nieder, doch der Schwarzhaarige wich keinen Schritt zurück, sondern erwiderte den Blick aus den roten Augen sogar. Schließlich machte der Dunkle Lord eine Bewegung mit seinem Zauberstab und die Türen des Raumes öffneten sich. "Gut, wir werden sehen, ob du deinen Worten auch Taten folgen lassen kannst. Kommt herein, meine Todesser", wandte er sich dann an die schwarz gekleideten Gestalten, die vor dem Raum gewartet hatten.
Der Dunkle Lord ließ seine Anhänger einen Kreis um den langen, dunklen Tisch bilden und bedeutete Josec, sich dort hinauf zu begeben, bevor er es ihm gleichtat. "Wir werden uns duellieren und je nachdem, wie du abschneidest, werde ich darüber nachdenken, dich zu einem meiner Todesser zu machen", sprach der Dunkle Lord und richtete seinen Zauberstab auf Josec. Der Schwarzhaarige tat es ihm gleich, neigte sogar leicht den Kopf.
"Eins", zählte der Dunkle Lord, "zwei." Schon schoss ein Fluch aus seinem Zauberstab, doch Josec hatte damit gerechnet, dass es kein faires und ehrliches Duell werden würde. Mit einem Fingerschnippen wehrte er den Zauber ab und feuerte nun selber Fluch um Fluch zurück.
Elyna stand im Kreis der Todesser und versuchte, nicht allzu besorgt zu sein. Sie glaubte nicht, dass ihr Bruder verlieren würde, aber genau da lag das Problem.
Siegte er, wäre er dem Dunklen Lord erst recht ein Dorn im Auge.
Verlor er - ob nun absichtlich oder nicht - wäre er für ihn nutzlos.
Josec schien sich dieser Problematik bewusst zu sein, auch wenn er scheinbar noch keinen Ausweg gefunden hatte.
Das Duell dauerte bestimmt schon fünfzehn Minuten - die Todesser wurden immer unruhiger - als Elyna in den Augen ihres Bruders plötzlich ein Funkeln aufblitzen sah. Er hatte eine Idee.
Den nächsten Zauber ließ er nicht mehr an seinem Schild abprallen, sondern lenkte ihn mit der Hand lediglich ab. Dieser erste Versuch richtete sich noch nicht auf ein genaues Ziel, sodass der Fluch wahllos in die Menge der Todesser schoss und beinahe Severus traf. Merlin sei Dank hatte der Schwarzhaarige jedoch ein gutes Reaktionsvermögen und konnte dem Zauber mit Leichtigkeit ausweichen. Der nächste abgelenkte Fluch schoss über die Köpfe der Todesser hinweg, der darauffolgende landete noch höher. Der siebte Fluch sprengte ein Loch in die Decke und Elyna verstand endlich, was ihr Bruder vorhatte. Sein neunter abgelenkter Fluch traf die schmale Kette, die den Kronleuchter an der Decke hielt, sodass sie zerbarst. Der Kronleuchter fiel mit Schwung zu Boden und landete genau zwischen dem Dunklen Lord und Josec. Es krachte gewaltig, die Glassplitter flogen durch den Raum und der Tisch ächzte schwer, brach jedoch nicht.
Der Dunkle Lord zeigte seine Überraschung nicht, sondern grinste nur boshaft und senkte den Zauberstab. "Damit haben wir also ein neues Mitglied", sprach er und winkte Josec zu sich.
Der Schwarzhaarige ließ die Zeremonie über sich ergehen und besah sich danach stolz das Dunkle Mal, das nun auf seinem linken Unterarm prangte.
Die Todesser hießen ihn willkommen - in erster Linie Rabastan, Severus, Avery und Mulciber, aber auch Rodolphus und Bellatrix und viele andere.
Mit einer einzigen Handbewegung brachte der Dunkle Lord sie alle zum Schweigen. Seine roten Augen richteten sich auf Elyna, die noch immer mitten im Raum stand, aber keine Anstalten machte, zu ihm zu gehen oder zu fliehen. "Was ist mit dir?", fragte er und verbannte den Anflug von Stolz, der ihn bei Josecs Anblick überkam. "Wirst du dich mir auch anschließen?"
Elyna hob den Kopf und hoffte, sie beging gerade nicht den Fehler ihres Lebens. "Nein", sagte sie. "Ich habe nicht vor, in diesem Krieg Stellung zu beziehen, denn ich habe auf beiden Seiten Menschen, die ich nicht verlieren möchte. Ich werde mich also weder den Todessern noch Dumbledores Widerstandsgruppe anschließen."
Die roten Augen des Dunklen Lords bohrten sich in Elynas schwarz-grüne und für einen Moment dachte sie: Jetzt bringt er mich um.
Dann nickte der Anführer der Todesser. "Ich lasse dich gehen", verkündete er, in seiner Stimme lag ein gefährlicher Unterton. "Doch solltest du es je wagen, dich gegen mich zu stellen..."
Elyna nickte hastig.
"Gut, dann geh jetzt und komm nicht wieder her. Ein zweites Mal werde ich dich nicht so einfach davonkommen lassen."
Elyna verbeugte sich, warf ihrem Bruder und Rabastan noch einen Blick zu und lächelte Severus beruhigend an, bevor sie Nihyara zunickte und den Raum verließ. Sie lief betont langsam, damit man nicht den Eindruck bekam, sie würde flüchten.
Dennoch war Elyna überaus erleichtert, als sie endlich das düstere Anwesen der Notts hinter sich lassen konnte. Sobald sie das schmiedeeiserne Tor passiert hatte, disapparierte sie.
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Nicht der Tod wird uns trennen
FanficDie Zwillinge Elyna und Josec Salwn wachsen als Waisen auf und sind dementsprechend überrascht als man ihnen eines Tages erklärt, dass sie zaubern können. Gemeinsam gehen sie nach Hogwarts, gemeinsam werden sie nach Slytherin eingeteilt, gemeinsam f...