45. Verzweiflung

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Bevor ich euch das letzte Kapitel dieser Geschichte meiner Freundin schenke, möchte ich kurz informieren, dass sie bereits einen zweiten Teil begonnen hat, den ich bald auch veröffentlichen werde.
Viel Spaß :)

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Die sieben Todesser schlichen leise durch den dunklen Flur des Einfamilienhauses. Am Ende des Ganges befand sich eine Tür, die zweifelsfrei ins Schlafzimmer der beiden Auroren führen würde, die dem Dunklen Lord seit einiger Zeit ein Dorn im Auge waren. Mulciber hatte sich von der Gruppe abgekapselt und bewachte im Erdgeschoss das Kinderzimmer.
Josec betrat als Letzter das obere Stockwerk, den Zauberstab in der Hand und sich aufmerksam umsehend. Bellatrix und Lucius führten die kleine Todessertruppe an, sie standen bereits vor der Schlafzimmertür der Auroren.
Josec warf einen Blick aus dem Fenster. Er verstand die Wichtigkeit solcher Aufträge - die gegnerischen Kämpfer im Schlaf zu ermorden. Dennoch gefiel es ihm nicht. Sein Moralkodex spielte dabei eine geringere Rolle als seine abgrundtiefe Langeweile. Auroren im Schlaf die Kehle durchzuschneiden und danach das Dunkle Mal über ihrem Haus heraufzubeschwören war ungefähr genauso interessant, wie einem Baby den Schnuller zu klauen und sich für seine glorreiche Handlung zu rühmen.
Josec wollte sich gerade Bellatrix zuwenden, als er draußen im Garten eine Bewegung wahrnahm. Neugierig trat er einen Schritt näher an das Fenster heran, ganz kurz stockte ihm der Atem, bevor sich ein erwartungsfreudiges Grinsen auf seinen Lippen ausbreitete. Im Garten befanden sich mindestens zwölf Auroren, die im Schatten der vielen Bäume auf das Haus zuschlichen.
Josec wollte sich umdrehen, wollte Bellatrix und den anderen maskierten Todessern zurufen, dass man ihnen eine Falle gestellt hatte.
Doch er konnte plötzlich nicht mehr atmen.
Die Luft um ihn herum schien ihn zerdrücken zu wollen unter ihrer tonnenschweren Last, er konnte sich kaum noch bewegen. Jede seiner Bewegungen fühlte sich an, als wäre sie es nicht wert.
Er spürte Wasser in seinem Mund, in seiner Nase.
Er spürte schleimige Finger an seinen Hand- und Fußgelenken.
Er spürte die Kälte um sich herum, obwohl er noch vor einer halben Stunde über das warme Wetter geklagt hatte.
Angst stieg in Josec auf, als er realisierte, dass er ertrinken würde. Er war umgeben von Sauerstoff, weit und breit gab es keinen einzigen Tropfen irgendeiner Flüssigkeit. Dennoch würde er hier, in diesem drittklassigen Aurorenhaus, an nicht vorhandenem Wasser ersticken.
Es tut mir leid, Josec.
Er riss die Augen auf, die sich bereits ergeben geschlossen hatten, zwang seine Gedanken zur Klarheit. Immer wieder rief er sich ins Gedächtnis, dass er nicht ertrinken konnte, dass er weit entfernt von jeglicher Wasserquelle war.
Je klarer diese Erkenntnis zu ihm durchsickerte, desto stärker wurde ihm bewusst, dass jemand anderes diese Höllenqualen durchleiden musste, dieses furchtbare Gefühl, gerade zu ertrinken.
Jemand, zu dem er seit seiner Geburt eine tiefe und innige Beziehung hegte, die trotz aller Differenzen noch immer unheimlich stark war. Jemand, dessen Stimme er gerade zu hören geglaubt hatte, obwohl viele Meilen sie trennen sollten. Jemand, den er nach all den Jahren, all den kleinen und großen Streitereien noch immer liebte.
"Elyna", flüsterte er, seine Beine gaben unter ihm nach und er fiel auf die Knie. Noch immer spürte er die eisige Kälte des Wassers um sich herum. Er fühlte, dass Elynas Herz langsamer schlug, unregelmäßiger, schwächer. Schließlich hörte auch das auf.
In dem Moment, in dem Josec seine Schwester sterben spürte, setzte sein eigenes Herz für einige Schläge aus. Schmerz schoss durch seinen gesamten Körper, fraß sich in seine Knochen hinein, schmolz ihm die Haut vom Fleisch, verbrannte jedes noch so kleine Haar.
Josec schrie.
Er ließ der Magie in sich freien Lauf, denn er sah keinen Sinn darin, sie noch zu kontrollieren.
Er hörte die Schmerzensschreie der anderen Todesser nicht. Er sah nicht, dass sie sich unter seiner Verzweiflung wanden wie unter einem Cruciatus-Fluch. Er bemerkte auch nicht, dass sie einer nach dem anderen starben, dass nur Lucius und Bellatrix übrig blieben, dass diese beiden von Josecs Schmerz und Verzweiflung immer mehr Richtung Wahnsinn getrieben wurden.
Er hockte einfach nur auf dem Boden, sah seinen Tränen dabei zu, wie sie von seinem Kinn auf das staubige Parkett tropften. Josecs Blick wanderte ziellos hin und her bis er schließlich bei seinem Zauberstab hängen blieb.
Ebenholz, Thestralschweifhaar, 10 ½ Zoll lang. Der Zwillingsstab zu dem seiner Schwester.
Josec richtete sich ein winziges Stück auf, trieb sein Gehirn dazu an, endlich wieder klar zu denken.
Elyna war nach der Geburt ihrer Tochter nicht so schwach gewesen, dass sie an der Erschöpfung hätte sterben können. Außerdem hatte Josec doch gespürt, wie sie langsam und qualvoll ertrunken war.
Elyna war eine unglaublich gute Hexe, sie konnte nicht einfach so besiegt werden. Das bedeutete, jemand hatte ihre Schwäche nach der Geburt absichtlich ausgenutzt, um ihr zu schaden, um sie zu töten.
Sie hatte sich zwar nie öffentlich zum Dunklen Lord bekannt, doch sowohl ihre Freunde als auch ihr Bruder und ihr Ehemann gehörten zu seiner Gefolgschaft. Schon früher in der Schule war Elyna der schwache Punkt in den Reihen der Slytherins gewesen. Nicht, weil sie sich nicht selbst verteidigen konnte, sondern weil ihre Hauskameraden das ohne zu zögern und jederzeit für sie übernehmen wollten.
Die Erkenntnis sickerte nur langsam in Josecs benommenes Gehirn.
Jemand von der "guten Seite" hatte seine Schwester umgebracht - um die Todesser und den Dunklen Lord zu schwächen.
Jemand, der für Dumbledore kämpfte.
Jemand vom Orden des Phönix, der seit einer Weile so nervig geworden war.
Viele Ordensmitglieder waren Auroren oder hatten einen anderen Posten im Ministerium. Sie arbeiteten als Spione.
Josec stand auf.
Der Mörder seiner Schwester arbeitete im Ministerium. Vermutlich war es einer der Auroren.
Er lief langsam die Treppe hinunter, bemerkte die vielen Toten auf dem Flur gar nicht. Stattdessen horchte er in sich hinein.
Einst hatte Josec sich geschworen, nie wieder Schwarze Magie zu benutzen, weil er damit seine Schwester verletzt hatte.
Jetzt war Elyna tot.
Ihr Mörder sollte für seine Taten büßen.
Josec tauchte tief in die Schwarze Magie ein, badete darin, ließ sich von ihr wie ein alter Freund willkommen heißen. Er bildete sich ein, sie schnurren zu hören wie eine angriffslustige Katze.
Als Josec aus der Haustür in den Garten trat, umgab sowohl seine eigene als auch die Schwarze Magie ihn wie eine düstere Aura. Er betrachtete die Auroren vor sich, die seltsam überrascht von seinem plötzlich Auftauchen zu sein schienen.
Zorn breitete sich in ihm aus, ließ die Schwarze Magie eigenmächtig handeln.
Wir konnten sie es wagen, seine Schwester zu töten?!
Die Schwarze Magie peitschte unkontrolliert durch die kleine Menschenmenge, ließ überall Tote zurück wie ein Paar ungeliebter Schuhe. Grüne Blitze zuckten zusätzlich aus Josecs Zauberstab.
Er wütete unter den Auroren, erfreute sich an ihren Schmerzensschreien und ihrem Leid. Doch es war nicht genug. Sie spürten noch nicht denselben Schmerz wie er, sie spürten noch keine wahre Verzweiflung!
Josec stieß ein wahnsinniges Lachen aus, als ein Schneidezauber ihn an der Wange traf. Er wirbelte herum, sah dem letzten noch stehenden Auror in die vor Angst weit aufgerissenen Augen. "Crucio!", brüllte er, richtete seinen Zauberstab auf den Anderen.
Josec lachte und lachte und lachte, während der Auror vor Schmerz schrie und sich unkontrolliert hin- und herwarf. Er sah seine Knochen brechen, teilweise sogar die Haut durchstoßen. Er kratzte sich die Augen aus, riss sich die Haare vom Kopf.
Doch noch immer war es nicht genug.
Als Josec das klar wurde, als er den Schmerz des Aurors mit seinem eigenen verglich, hörte er auf zu lachen. Mit einer einfachen Zauberstabbewegung tötete er ihn, bevor er sich die restlichen Leichen besah.
Es war noch nicht genug. Längst nicht.
Josec griff nach der Schwarzen Magie, die sich vollkommen seinem Hass und seiner Verzweiflung unterordnete, und schleuderte sie auf das Haus, in dem die Aurorenfamilie lebte. Genüsslich lauschte er auf die Schreie der Kinder, hörte den verzweifelten Rufen ihrer Eltern zu, bevor er auch dieser überdrüssig wurde und sie mit seiner Magie elendig ersticken ließ.
Er schleuderte Dämonsfeuer in Form einer gigantischen Schlange aus seinem Zauberstab, befahl ihr, alles in der Umgebung zu verschlingen. Dann zog er seine Magie in sich zurück und disapparierte.

Nicht der Tod wird uns trennenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt