10. Weihnachten

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Da sie nicht interessant genug zu sein schien, wurde Elyna nicht erneut in den Slugclub eingeladen, was sie allerdings auch nicht weiter störte. An Rabastan hingegen hatte Professor Slughorn einen Narren gefressen. Er ließ ihm selten seine Ausreden durchgehen und sprach ihn auch häufig im Unterricht an, wenn der Schwarzhaarige nicht flüchten konnte. So lud er ihn auch zu seinem 'Weihnachtsball' ein, der - wie Rabastan immer wieder beklagte - vor den Ferien stattfand. Da er eine Begleitung mitbringen durfte/sollte/musste, fragte er kurzerhand Elyna, die daraufhin Narzissa bat, ihr das Tanzen beizubringen.
Die Blonde lieh ihr auch wieder ein Kleid. Dieses Mal war es dunkelblau, hatte einen schwingenden Rock, der ihr bis zu den Waden reichte, und betonte ihre Taille, obwohl es bei ihrer eher kindlichen Figur noch nicht viel zu betonen gab. Ihre Haare trug sie inzwischen länger - sie reichten ihr bis zum Kinn - aber noch immer flocht sie sich einzelne Strähnen hinein, denn sie gefielen ihr so viel besser.
Rabastan lächelte als er sie erblickte und hielt ihr seinen Arm hin. "Du sieht sehr schön aus", flüsterte er ihr zu.
"Danke", erwiderte sie. "Du siehst auch ganz passabel aus."
Sie lachten beide und machten sich auf den Weg zu Slughorn.
"Bereit für die Hölle?", fragte Rabastan und verzog das Gesicht, bevor er an die Tür klopfte und augenblicklich hereingelassen wurde.
"Ah, Mr Lestrange! Schön, dass Sie kommen konnten!", rief Slughorn begeistert, begrüßte auch Elyna kurz und wandte sich dann wieder seinem ursprünglichen Gesprächspartner zu.
"Zissy hat mir erzählt, du bist ein Naturtalent im Tanzen", meinte Rabastan und zog sie lächelnd auf die Tanzfläche.
Elyna lachte leise. "So würde ich das jetzt vielleicht nicht sagen, aber ich denke, ich bin tatsächlich gar nicht so schlecht."
Lied um Lied schwebten sie gemeinsam über die Tanzfläche und hatten nur Augen für den jeweils anderen. Ab und an fiel Elynas Blick auf ein Pärchen, das mehr oder weniger unauffällig in einer Ecke übereinander herfiel - Rodolphus und Bellatrix.
"Rabastan?", fragte sie also irgendwann, als sie ihre Gedanken nicht länger verdrängen konnte.
"Ja?", fragte er zurück und legte leicht den Kopf schief. Sie waren beinahe gleich groß und in Slytherin munkelten einige Schüler hinter hervorgehaltener Hand, dass sie ein schönes Paar abgeben würden.
"Elyna?" Rabastan sah etwas besorgt aus, da sie immer noch nichts gesagt hatte.
"Ich habe mich gefragt", rückte sie also langsam mit der Sprache heraus, fing dann jedoch nochmal neu an. "Also, du hattest ja gesagt, dass deine Eltern dir freie Wahl bei deiner Zukünftigen lassen..."
Der Schwarzhaarige nickte.
"Aber du musst jemanden heiraten?", hakte sie nach.
Wieder ein Nicken.
"Und wann?"
"Normalerweise so schnell wie möglich, sobald wir beide die Schule beendet haben", erklärte er geduldig. "Das ist bei meinem Bruder genauso. Wenn Bella mit der siebten Klasse fertig ist, werden die beiden heiraten. Der einzige Unterschied zwischen Rodolphus und mir besteht darin, dass ich mir meine Braut selbst aussuchen kann. Sonst ist eigentlich alles gleich."
"Und wenn du niemanden finden würdest?", fragte Elyna zögernd nach und schaute angestrengt nach rechts.
"Spätestens am Anfang der siebten Klasse muss ich jemanden vorschlagen. Wenn ich das nicht tue, werden meine Eltern eine angemessene Verlobte für mich finden."
Sie nickte verstehend, zögerte kurz und fragte dann: "Hast du schon jemanden im Sinn?"
Rabastan lachte leise. Vorsichtig nahm er ihre Hand und zog sie von der Tanzfläche herunter in eine etwas abgelegenere Ecke, sodass sie mit niemandem zusammenstießen. "Du hast es auch gemerkt, nicht wahr?", fragte er sie, nachdem sie sich an einen der Tische gesetzt hatten. Er hielt noch immer ihre Hand. "Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwie trage ich stets eine starke Sehnsucht in meinem Herzen mit mir herum. Wenn du bei mir bist, ist es nicht mehr so schlimm."
Elyna nickte zaghaft, froh, dass es ihm genauso ging.
"Ich glaube nicht, dass man hierbei schon von Liebe sprechen kann", redete Rabastan weiter. "Aber diese Verbundenheit lässt sich nicht leugnen. Ich will dich mit niemandem teilen und ständig in meiner Nähe wissen, schon seit dem ersten Tag, an dem wir uns gesehen haben. Ohne dich hatte ich das Gefühl, dass mir etwas fehlt und jetzt... jetzt bin ich endlich komplett." Er drückte ihre Hand und lächelte sie an.
Elyna erwiderte die Geste. "Ich bin froh, dass du es genauso siehst", sagte sie. "Ich weiß ebenfalls nichts mit meinen Gefühlen anzufangen, aber ich will einfach nicht mehr ohne dich sein."
Rabastan schien glücklich und umarmte sie. "Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich könnte mir momentan niemand anderen als dich an meiner Seite vorstellen. Wenn du irgendwann jemanden kennen lernst, der dir mehr bedeutet als ich, dann können wir es rückgängig machen, aber bis dahin: willst du mich heiraten?" Bei seinen letzten Worten schien er dann doch etwas nervös zu werden, aber Elyna wischte all seine Zweifel beiseite als sie lächelnd bejahte. Er atmete erleichtert aus. "Gut, ich hatte nämlich ganz kurz Panik, dass ich mit hier total zum Affen mache." Er lachte leicht und stand dann auf. "Ich hole uns etwas zu trinken, okay?"
Elyna nickte und sah ihm noch kurz nach. Dann stand auch sie auf und ging zu dem rothaarigen Mädchen, das ganz in der Nähe alleine stand. "Hey, Evans", begrüßte sie die Gryffindor.
"Oh, hallo, Elyna", sie schien ein wenig verdutzt.
"Wieso bist du allein hier? Wollte Severus nicht mitkommen?"
Evans zuckte mit den Schultern. "Wir haben uns letztens gestritten, deswegen habe ich ihn nicht gefragt."
Elyna runzelte die Stirn. "Gestritten? Worüber denn?"
"Ich hab ihn gefragt, weshalb er Potter und Black immer so runtermachen muss, wenn wir mal alleine sind - kommt ja in letzter Zeit nicht mehr so häufig vor. Da ist er total ausgerastet. Ich hab ihn nicht verstanden und weil es mir mit seinen Anschuldigungen dann zu blöd wurde, bin ich gegangen. Das hat ihm erst recht nicht gepasst."
Elyna nickte verstehend. "Deshalb war er in letzter Zeit also so schlecht gelaunt. Er hatte mir nur gesagt, dass er nicht verstehen kann, weshalb du Potter und Black so verteidigst, wo sie doch ständig vor allem ihn und mich angreifen."
Evans schaute sie verwundet an. "Ihr Slytherins macht das doch auch nicht anders."
"Das würde ich so nicht sagen", widersprach Elyna. "Klar beleidigen die Slytherins häufig die Muggelstämmigen aus den anderen Häusern, aber das hängt hauptsächlich mit ihrer Erziehung zusammen. Wenn einem ständig einer sagt 'Du bist ein Reinblut, alle anderen sind weniger wert als du', dann handelt man ganz schlicht und einfach danach." Lily schien darüber nachzudenken, sagte jedoch nichts, deshalb sprach Elyna weiter. "Bei Potter und Black ist das hingegen ganz anders. Sie verhexen Severus oder beleidigen mich, weil sie uns nicht leiden können und weil sie eine Schwachstelle im Gefüge der Slytherins sehen, die sie ausnutzen wollen, um ihnen zu schaden. Es ist ja nicht so, dass es persönlichen Groll bei den Slytherins nicht gibt, es ist nur schlicht und einfach nicht der Hauptgrund für ihr Handeln."
In diesem Moment entdeckte Elyna Rabastan, der sich mit zwei Gläsern zu ihrem Tisch zurückkämpfte. "Ich hoffe, du verträgst dich schnell wieder mit Severus, er ist momentan echt unausstehlich", wandte sie sich noch einmal an Lily. "Vielleicht können wir demnächst mal zusammen lernen? Ich hab gehört, du bist echt gut in Kräuterkunde." Elyna hob die Hand zum Abschied, während Lily völlig verwirrt von den schnellen Themenwechseln zu sein schien. "Bis dann!"
Schnell kehrte die Schwarzhaarige zu ihrem Tisch zurück und tat, als hätte sie die ganze Zeit dort auf ihn gewartet. "Du hast aber lange gebraucht", lächelte sie ihn an.
"Ja, da vorne ist echt die Hölle los", murrte er und stellte die Gläser auf den Tisch. Die Getränke waren schnell geleert und die beiden verzogen sich wieder auf die Tanzfläche, wo sie den restlichen Abend verbrachten, bevor sie abends müde und kaputt in ihren Gemeinschaftsraum zurückkehrten.
Zum Glück war Josec noch wach, sodass Elyna ihm gleich die Sache mit der Verlobung erklären konnte. Nachdem er Rabastan eine Weile lang unschlüssig gemustert hatte, gab er ihnen schließlich seinen Segen. An diesem Abend schoben die beiden Jungen ihre Betten zusammen, damit Elyna zwischen ihnen liegen konnte, wo sie sich das erste mal in ihrem Leben wirklich geborgen fühlte.

Am nächsten Morgen verabschiedeten die Zwillinge all ihre Freunde, da sie über die Ferien nach Hause fuhren - bis auf Severus, der mit ihnen in Hogwarts bleiben würde.
Dementsprechend leer war der Slytheringemeinschaftsraum. Die drei Erstklässler setzten sich auf die weichen Sofas vor dem Kamin, die normalerweise die älteren Schüler belegten, spielten den lieben langen Tag Zauberschach und redeten über alles mögliche. Dabei erfuhren sie von Severus, dass er ein Halbblut war und seinen Vater abgrundtief hasste. Deswegen war er auch in Hogwarts geblieben. Elyna und Josec entschieden sich dazu, ihm anzuvertrauen, dass sie nichts über ihre Eltern wussten und die Geschichte mit dem Werwolf nur erfunden hatten. Er verstand sie, versprach, niemandem etwas zu sagen und meinte dann, dass ihre Magie zu mächtig war, um von einfachen Muggeln zu kommen. Das gab den Zwillingen wieder etwas Hoffnung.
Als sie am nächsten Morgen erwachten, lag ein kleiner Berg von Geschenken an ihren Bettenden. Severus war einverstanden gewesen, dass Elyna über die Ferien im Jungenschlafsaal schlief. Sie hatte sich in Rabastans Bett gelegt und atmete seinen Geruch ein, um die Sehnsucht zu beruhigen.
"Schau dir das an, Ly!", wurde sie von ihrem Bruder geweckt. Sie sah auf und erblickte die Geschenke.
"Weihnachtsgeschenke?", fragte sie. "Für uns?"
Auch Severus hatte scheinbar nicht mit so vielen Geschenken gerechnet. Sie setzten sich zu dritt auf Josecs Bett und packten sie aus.
Elyna hatte von Narzissa ein Kleid geschenkt bekommen, das sie wohl zum nächsten Weihnachtsball von Slughorn tragen würde. Severus hatte ihr einige Zaubertrankrezepte abgeschrieben und Notizen hinzugefügt, wie man sie verbessern konnte. Von ihren restlichen Klassenkameraden hatte sie Süßigkeiten bekommen. Sie war gerührt, dass sie alle an sie gedacht hatten.
Elyna selbst hatte kaum Geld, deswegen hatte sie sich von Professor Sprout - die sie irgendwie mochte, obwohl sie weder in ihrem Haus war noch eine Begabung für Kräuterkunde hatte - beibringen lassen wie man strickte. Sie hatte ewig daran gesessen, aber letzten Endes hatte sie für all ihre Freunde eine grün-silberne Mütze gestrickt. Bei Rabastan und Narzissa kam noch ein Schal hinzu - der ihrer besten Freundin war überwiegend silbern mit nur einzelnen Fäden grün darin, bei Rabastan war es genau umgekehrt.
Während Elyna Severus dabei beobachtete, wie er ein Buch auspackte, das Lily ihm wohl als eine Art Friedensangebot geschenkt hatte, fiel ihr auf, dass Rabastan ihr gar nichts geschickt hatte. In diesem Moment klopfte eine Eule ans Fenster und Josec sprang auf, um sie herein zu lassen.
"Für dich, Schwesterherz", sagte er und hielt ihr den ausgebeulten Briefumschlag hin.
Neugierig öffnete sie ihn. Darin lag ein Kästchen und ein Zettel. Sie zog als erstes den Zettel heraus und las: Mutter und Vater sind einverstanden. Wir sehen uns im neuen Jahr! Frohe Weihnachten! ~R.L.
Ungläubig betrachtete sie nun das Kästchen, öffnete es und starrte den schmalen silbernen Ring an, auf dem man das Wappen der Lestranges erkennen konnte.
Dann begann sie zu lachen. Nicht das kleine stille Lächeln, das sie sonst zeigte, sondern ein lautes Lachen, das im ganzen Raum widerhallte. Als sie schließlich aufhörte, starrten Josec und Severus sie lange an, während sie sich den Ring auf den Finger steckte und einfach nur wahnsinnig glücklich war.

Nicht der Tod wird uns trennenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt