2. Gespräch mit Dumbledore

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Minerva McGonagall eilte über das Schlossgelände auf ihrem Weg zum Schulleiter Albus Dumbledore. Sie wusste, er mochte es nicht, wenn bestimmte Schüler eine Sonderbehandlung bekamen, aber dieser Fall war anders. Diese Kinder würden zu Monstern, schlimmer als Lord Voldemort, heranwachsen, wenn man ihnen nicht half.
Sie passierte das Schlossportal und lief durch die Korridore, in Gedanken noch immer bei den Kindern. Sie hatte den Hoffnungsfunken in ihren Augen gesehen, der von der viel zu großen Erfahrung der Enttäuschung überschattet wurde, und sie hatte gesehen, dass die beiden zu klug waren, um sich allzu sehr auf diese Hoffnung einzulassen. Hoffnung konnte Menschen mehr nehmen als ein gut gezieltes "Avada Kedavra".
Die Lehrerin für Verwandlung hielt vor einem steinernen Wasserspeier an und murmelte ihm leise "Schokofrosch" zu. Der Wasserspeier erwachte zum Leben, hüpfte beiseite und offenbarte eine enge Wendeltreppe. Professor McGonagall eilte die Stufen hinauf, klopfte an der schweren Holztür und betrat nach einem "Herein" vom Schulleiter dessen Büro. Sie warf den vielen Gemälden, Büchern und seltsamen Gerätschaften nur einen kurzen Blick zu bevor sie sich vor Albus Dumbledores Schreibtisch stellte.
"Minerva", begrüßte er sie. "Zitronenbrausebonbon?", und hielt ihr eine Glasschale mit Süßigkeiten hin - wie immer.
Sie lehnte höflich ab - wie immer.
"Ich war gerade bei den Salwn-Zwillingen", eröffnete sie sogleich den Grund für ihren Besuch.
Dumbledore lächelte nur gutmütig.
"Ich möchte, dass sie bereits jetzt nach Hogwarts kommen dürfen", sprach sie also weiter, wurde jedoch von ihrem Gegenüber mit einem Stirnrunzeln unterbrochen.
"Minerva, du weißt doch, dass keinem Schüler erlaubt ist, die Sommerferien im Schloss zu verbringen, egal, wie furchtbar die jeweiligen Lebensumstände sind. Ein Waisenhaus ist häufig nicht gerade angenehm, aber wir können niemandem eine Sonderbehandlung zukommen lassen. Außerdem werden Kinder schneller stark und erwachsen, wenn sie schon früh mit widrigen Umständen zu kämpfen haben."
Minerva McGonagall bewunderte den Schulleiter. Er hatte bereits so viel für die magische Welt geleistet: unzählige wissenschaftliche Entdeckungen, verschiedene Orden und sonstige Auszeichnungen, sein legendärer Kampf gegen Gellert Grindelwald, der nun schon seit über zwanzig Jahren in Nurmengard saß. Aber in manchen Dingen verstand sie ihn einfach nicht. In ihren Augen waren Kinder nicht ohne Grund "Kinder". Sie sollten ihre Kindheit genießen, Fehler machen, schwach sein. Die harte Realität würde sie ohnehin viel zu schnell einholen.
"Mag sein, dass du Recht hast, Albus, aber diese Kinder leben nicht unter widrigen Bedingungen sondern auf der Straße! Das Waisenhaus, in das man sie gebracht hat, wurde vor drei Jahren geschlossen."
Der Schulleiter blinzelte einige Male. "Das ist in der Tat bedauerlich."
McGonagall schnaubte. "Bedauerlich?! Es ist schrecklich! Wer weiß, was diesen Kindern bereits widerfahren ist! Und was noch passieren kann, je länger sie in diesem versifften Kaff ohne Namen bleiben!"
Albus Dumbledores Blick schweifte ins Leere, doch seine Stellvertreterin kannte ihn lange und gut genug, um zu wissen, dass er niemals etwas aus Mitleid tat sondern nur, wenn er einen Vorteil darin sah. Deshalb sprach sie schnell weiter: "Ich habe diese Kinder gesehen, Albus. Ich habe gesehen, wie viel sie einander bedeuten und ich habe gespürt, dass ihre Magie unglaublich mächtig ist. Wenn wir ihnen nicht helfen, sie nicht von dem Guten in dieser Welt überzeugen können, befürchte ich, dass wir bald einem weitaus schlimmeren Feind als Lord Voldemort oder Gellert Grindelwald gegenüberstehen werden." Sie machte eine kurze Pause und sah dem alten Schulleiter direkt in die blauen Augen. "Diese Kinder könnten ein neues Zeitalter einleiten."
Dumbledore sah sie einige Augenblicke nachdenklich an, dann nickte er. "In Ordnung, sie können die Sommerferien hier verbringen." Die Lehrerin für Verwandlung atmete erleichtert aus. "Aber du wirst einen neuen Vormund für sie finden müssen oder ein anderes Waisenhaus, das sie in den nächsten Ferien aufnimmt."
"Das wird nicht nötig sein", erwiderte Professor McGonagall lächelnd. "Ich werde ihr neuer Vormund und keine Sorge, ich kümmere mich selbst um alles." Sie verabschiedete sich von dem Schulleiter und begab sich auf den Weg ins Ministerium, um die ganzen Formalien zu klären. Zum Glück dauerten solche Dinge in der Zaubererwelt nicht so lange wie bei den Muggeln. Da konnte eine Vormundschaftsübernahme oder eine Adoption manchmal mehrere Jahre dauern.
Zugegeben, es war eine Kurzschlussentscheidung gewesen und sie wusste nicht einmal, ob die Zwillinge damit einverstanden waren, aber die zwei Kinder waren ihr vom ersten Moment an ans Herz gewachsen und sie würde nicht zulassen, dass es ihnen weiterhin so schlecht ging.

Nicht der Tod wird uns trennenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt