»Du willst jetzt doch nicht wirklich laufen gehen?« Gerade verlagere ich mein Gewicht aufs andere Bein und lehne mich gegen den Türrahmen, da knarzen die Dielen unter mit genauso entrüstet, wie ich beim Anblick von Savios Motivation seufze.
Er trägt eine knallrote Badehose und darüber ein weißes Tank-Top, wodurch man an den Stellen die Konturen seiner Tattoos erkennt, an denen sich der Stoff besonders eng an die Brust schmiegt. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wieso er die Motivation hat, zu joggen. Schließlich ist heiß, das Salz kratzt nach einer Zeit auf der Haut und man hat das Gefühl, man läuft über Lava und nicht über Sand.
Obwohl, denke ich und betrachte die muskulösen Oberarme, die mit schwarzer Tinte verziert ist. Für Cardio am Morgen habe ich auch eine ziemlich reizende Alternative, die meines Erachtens nach viel prickelnder und genauso effizient Kalorien verbrennt. Und wenn es nicht um die Kalorien geht, sondern um die Ausdauer an sich, dann kann ich ebenfalls beteuern, dass meine Art von Cardio am Morgen, fernerhin Erfolg verspricht.
»Wieso nicht?«, stellt er die Gegenfrage. Mit seinen Händen fährt er sich durch die Haare, wodurch sich sein Bizeps anspannt. Um nicht wie ein Kätzchen, das nach Milch giert zu miauen, beiße ich mir auf die Unterlippe. Durch den Spiegel mustert er mich auf einer Weise, für ihn kein Argument gegen das Joggen stehen – als wäre es für ihn selbstverständlich.
Ich stoße mich von dem Türrahmen ab und gehe an ihn vorbei, ins Badezimmer. »Weil normale Menschen erst um diese Uhrzeit aufstehen?«
Kurz lacht er auf, und dieses Lachen ... Dadurch, dass er selbst erst vor einigen Minuten aufgestanden ist, dringt eine raue Lachsalve tief aus seinem Brustkorb und sorgt für Gänsehaut meinerseits.
»Wir haben schon zwölf Uhr. Ich weiß zwar nicht, wann du normalerweise aufstehst, doch die meisten Menschen bereiten schon das Mittagessen vor.« Er beobachtet mich weiterhin vom Spiegel aus, weswegen ich mich bedacht zum Fenster umdrehe, um mein breites Grinsen zu verstecken.
Ihm sagen, dass es für mich viel zu früh ist und ich normalerweise noch in meinem Schönheitsschlaf wäre, verbiete ich mir. Denn ich weiß, dass er mich mit Fragen bombardieren würde, schließlich weiß er nicht, dass ich die ganze Nacht vorm Bildschirm saß und mich weiterhin am Code versucht habe – vergebens.
»Und wieso bereitest du dann kein Essen für uns vor?«, möchte ich wissen. Am liebsten würde ich mir über die Schulter schauen oder mich ganz zu ihm umdrehen, bloß um die Grimasse zu sehen, zu der er sein Gesicht verzieht. Doch anstelle dafür, reiße ich mich zusammen und fahre den Pfad des geflochtenen Korbes entlang, gehe die Produkte im Korb durch. Ich habe meine Sachen noch gar nicht richtig ausgepackt, fällt mir ein.
»Wie wäre es, wenn du dich auch umziehen gehst, wir zusammen eine Runde laufen und dann gemeinsam das Essen vorbereiten?«, schlägt er vor.
Langsam drehe ich mich wieder in seine Richtung. Und ich weiß nicht, worüber ich mehr erschrocken sein soll. Darüber, dass er es wirklich in Betracht zieht, mit mir zusammen zu joggen oder, dass sich in diesem Körbchen mehr Hygieneartikel für Männer befinden, als ich Hygieneprodukte in der Abteilung für Frauen finden kann.
»Sag mal, rasierst du dir die Beine?«, möchte ich wissen und halte das Serum in die Höhe, was man nach der Rasur auf die Haut schmiert, damit sie geschmeidiger wird und Rasierpickelchen vermieden werden.
Savio schluckt, bevor er auf mich zu kommt und mir das Serum samt Körbchen aus der Hand reißt. »Lass das.«
Mir entkommt ein überraschter Laut, was sich nicht als Lachen oder anderes identifiziert. Er benutzt diese Produkte wirklich? Ich meine ... Jetzt wirklich? Ich glaube, ich träume, als ich dabei zusehe, wie Savio alles wieder im Körbchen sortiert und ihn haargenau auf derselben Stelle stellt, von eben.
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Diskussion
AdventureBand 3* »Er trägt ein Lächeln, geladen wie eine Waffe.« Die Anonymität der Masse kleidet Karoline genauso gut wie der Bildschirm, hinter dessen sie ihr wahres Gesicht versteckt. Unter »Veritas« richtet sie sich eigentlich gegen die staatliche Zensu...