»Warte hier auf mich.«
Dieses Mal bin ich diejenige, die Savio ums Handgelenk packt. Nicht als hätte ich dafür zu wenig Kraft, dreht sich dieser jetzt Möchtegern-Retter freiwillig zu mir um.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, werfe ich ihn das erst beste in einem Flüsterton gegen den Kopf. »Du gehst da nicht alleine rein!«
Er zieht seine Augenbrauen zusammen, sodass lediglich Falten die beiden Brauen voneinander trennt. »Es ist mein Job und meine Pflicht, dich in Sicherheit zu wissen. Wenn ich sage, dass du besser draußen wartest, dann ist es so.«
»Aber-«
»Ich habe nicht nach deiner Meinung gefragt«, stellt er mit solch einem Nachdruck klar, dass sich mein Griff unbewusst um sein Handgelenk lockert. Das nutzt er aus, indem er langsam einen Schritt von meiner Seite weicht und somit meinem Haltegriff komplett entkommt.
»Warte hier und ...«, er hält inne, sein Zeigefinger immer noch deutend auf die Stelle, auf der ich stehe. »Warte einfach hier, okay?«
Irritiert verziehe ich eine Grimasse. Moment! Er wollte noch etwas sagen! Da sollte noch etwas nach dem ›und‹ kommen und jetzt geht er da rein? Einen Schritt wage ich und weiche von der Stelle, auf der mich Savio verwiesen hat und mein Magen fühlt sich so an, als wäre er mit Steinen gefüllt. Natürlich wusste ich, dass ich früher oder später sowas erleben werde. Ich meine, das Image von irgendwelchen Perversen in der Elite der Gesellschaft zu zerstören, gehört zu meiner Tagesordnung. Es jetzt in echt zu erleben, ist ein unbeschreibliches Gefühl.
Da gibt es das Kribbeln, was sich in meinen Fingerkuppen bemerkbar macht und durch meinen ganzen Körper düst. Es regt mich an, meinen Blick nicht hinter meinen Fingern zu verstecken. Doch dieser Nervenkitzel hat auch etwas Furcht mit sich, denn meine Hände und Füße werden ganz kalt beim Gedanken, was Savio gleich über den Weg läuft. Irgend so ein Idiot, der zur ungünstigen Zeit beim Diebstahl erwischt wurde oder etwa so ein Typ aus irgendeiner Bande hier, der seine Mutprobe ausgerechnet bei uns ausführen muss? Es ist egal, denn mein Herz schlägt schneller, sobald mir in den Sinn kommt, dass sie bewaffnet sein könnten. Das Savio ihnen unterlegen ist.
Meine Hände stemme ich gegen die Hüfte. Nein, das ist Bullshit. Niemals würde Savio solchen Leuten unterlegen sein, er ist ein verdammter Ochse und hat so viel Kraft, dass ich seine eine Freihantel sein könnte. Oder? Okay, er ist etwa vor einigen Sekunden erst durch da Fenster ins Hausinnere eingedrungen, aber ... Meine Hände werden ganz schwitzig. Wieso braucht er denn so lange? Das mein Herzschlag in meinen Ohren echot, lässt mich glauben, die Sekunden vergehen im Flug, so schnell hämmert es mir gegen die Brust. Wenn er da nicht gleich rauskommt, dann wird sich mein Herz eingeständig machen: mir aus der Brust springen und mit Gebrüll in das Haus stürmen, um Savio zu retten.
Ungeduldig tippe ich mit dem Fuß auf den Teer der Straße. »Ich meine das ernst, Badboy«, rede ich mit mir selber. »Wenn du da gleich nicht rauskommst, komm ich rein.«
Ich peife die Luft aus, die ich angehalten habe, und schaue nervös durch die Umgebung. Nichts geschieht. Es ist so ruhig, so ungewöhnlich ruhig, dass mir ein eisiger Schauer die Wirbelsäule hinunterjagt – selbst bei diesen Temperaturen. Verdammt. Ich will so schnell wie es geht, diesen Code knacken, damit ich endlich diese beschissene Insel verlassen kann; zurück ans Festland – zurück an einem Ort, an dem es stundenlang wie aus den Eimern gießt und ich von drinnen mit einer weichen Decke, einer Dose Energy und Internet nach draußen gucken kann. Japp, darauf könnte ich jetzt. Darauf könnte ich jederzeit, weil ...
Boom.
Ein lautstarker Knall lässt mich zusammenzucken. Sofort schellt mein Blick wieder zum Haus, aus dem weiteres Gepolter kommt. Oh verfluchte Scheiße! Das Adrenalin in mir kickt, weswegen ich ohne zu wissen, was ich machen soll, wild auf derselben Stelle springe.
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Diskussion
AdventureBand 3* »Er trägt ein Lächeln, geladen wie eine Waffe.« Die Anonymität der Masse kleidet Karoline genauso gut wie der Bildschirm, hinter dessen sie ihr wahres Gesicht versteckt. Unter »Veritas« richtet sie sich eigentlich gegen die staatliche Zensu...