18 . . . nachtluft

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Der warme Sand rieselt durch meine Zehen wie meine Gedanken durch meinen Kopf, und bei jedem weiteren Schritt, den ich gehe, merke ich, wie sich die einst dominanten Vorwürfe hinter mir lasse; wie die salzige Luft sich in meinen Lungen verfängt und dafür sorgt, dass ich einen klaren Verstand erlange. Es fühlt sich so gut an. Die noch vorhandene Hitze von dem Tag unter den Sohlen zu spüren, ist ein kompletter Tapetenwechsel zu den kühlen Dielen, die ich bei meinen Toilettengängen gewahrt habe.

Meinen Kopf lasse ich in meinen Nacken fallen und ich bewundere den dunklen Nachthimmel, der von strahlenden Stern erhellt wird. Eine Anzahl leuchtender Punkte, die grenzenlos ist.

»Es ist wunderschön«, gestehe ich wahrheitsgetreu. Wunderschön und faszinierend zugleich. Die Sterne sind Freigeister, die in jeder Nacht einen anderen Platz am Himmel finden und keine Rechtfertigung dafür brauchen – leuchten, weil es immer einen Grund dafür gibt. Meine Mundwinkel zucken in die Höhe, als eine angenehme Nachtbrise meine Wange streift. Man könnte glatt glauben, die Sterne würden mir bei meiner Definition zustimmen. Nur Savio hat mir noch nicht zugestimmt.

Unsicher luchse ich aus den Augenwinkeln zu Savio, der ... Langsam richte ich meinen Kopf. Im Nachthimmel funkeln tausende, nein, unendlich viele Sterne. Sie ergeben Sternenbilder, die einen träumen lassen und dennoch bin ich es, der Savio seine völlige Zuwendung schenkt. Er bewundert mich, als wäre ich diejenige, die für den Glanz im Mitternachtshimmel sorgt - nicht die gleißend Himmelskörper selbst.

»Wunderschön, ja«, erwidert er verspätet und betrachtet mich immer noch auf einer Weise, die für ein Kribbeln in meiner Magengegend sorgt.

Ich streiche mir eine Strähne hinters Ohr. »War es das, was du mir zeigen wolltest?«, hake ich nach. »Ein nächtlicher Spaziergang?«

Erneut vergehen einige Sekunden, ehe Savio das Wort ergreift. »Nicht ganz, ich wollte dir den Ausblick auf einer anderen Ebene zeigen.«

Glaub mir, dieses verschmitzte Lächeln befördert mich schon auf eine andere Ebene. Was? Was? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses aufregende Kribbeln durch meine Venen in meinen Kopf gelangt, und ich vielmehr deswegen keinen klaren Gedanken fassen kann. Konzentration, Line, ermahne ich mich selber. Verlier nicht die Kontrolle, nur weil er so ... umwerfend aussieht.

Mit seiner Hand fährt sich Savio lässig durchs Haar, ehe sie wieder nutzlos neben seinem Körper baumeln. Während wir weiterhin gehen – er uns indirekt führt –, erwacht in mir ein zuvor unbekanntes Verlangen. Bei all den Kräften die den Himmel samt den Sternen aufrecht halten, kann ich mir nicht erschließen, welche dieser Intension gerade nachgibt und dafür sorgt, dass ich am liebsten die Distanz zwischen Savios und meiner Hand vernichten möchte.

Mist, was ist das? Wieso verspüre ich dieses Kribbeln in meinen Fingerkuppen – diesen Drang – nach Savios Hand zu greifen? Kann das eine Nebenwirkung vom Schock sein? Nein, normalerweise finde ich Nähe zu einem Typen, mit dem ich nicht gerade vögle, abstoßend. Ich muss keinen Mann haben, der meine Hand hält wie in einen dieser kitschigen Liebesschnulzen. Wieso gefällt mir dann die Vorstellung, genau dieses Händchenhalten und Spazieren unter dem strahlenden Nachthimmel mit Savio zusammen wie in diesen Telenovelas?

Ich kaue mir auf das Innere meiner Wange. Verliere bloß nicht die Kontrolle, ermahne ich mich erneut. Es ist nur Savio. Ein junger Mann, dessen goldgebrannte Haut selbst im Schein des Vollmondes glänzt und die Tattoos seine Einzigartigkeit unterstreichen.

»Genausowenig war es meine Intention, dass du mich die ganze Zeit anstarrst, Prima-Donna.« Diese Aussage hat gerade seine Lippen verlassen, da widmet er mir wieder seine Aufmerksamkeit. Der verträumte Ausdruck von eben ist verschwunden und seine Züge sind in unverschämten Schelm versunken.

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