43 . . . der fang

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Einige Kieselsteine fressen sich unter meine Sohle, was mich jedoch nicht daran hindert, weiter in die Richtung des Vans zu stampfen. Eine Träne fließt wie ein Bach meine Wange hinunter. Entweder, weil diese Steine unter meinen Füßen qualvoller schmerzen als Legosteine oder, weil es dieser behämmerte Auftritt von Savio war.

»Prima-Donna«, ruft er mir hinterher. Dieser Druck seiner Forderung überwältigt mich von hinten wie eine impulsive Welle. Mein eigentliches Vorhaben wird genau so in die Tiefe gezogen und gerät in Vergessenheit. Vielleicht auch die Tatsache, dass ich die Orientierung in der Nacht verloren habe und Savio weiß, wo sich unser Ziel befindet.

»Wo müssen wir hin?«

Er kommt neben mir zum Stehen. Ist er mir überhaupt hinterhergelaufen? Zwar habe ich seinen trampelnden Schritt beben gespürt, wohl aber ist kaum Anstrengung in diesen weichen Konturen seines Gesichts verzeichnet. Vielmehr sind sie von Emotionen geprägt, die ich durch meinen Abgang in ihn weckte.

Ein wildes Schniefen entkommt ihm. Doch nicht so in Form. »Weiter geradeaus, aber ...«

Ohne zu zögern, mache ich auf Absatz kehrt. Dazu habe ich doch auch das volle Recht! Er gesteht mir sein Empfinden, definiert es mit dem, was uns sogar im letzten Moment zusammengehalten hat und dann ... dann war das alles nur Ablenkung? Dich lenkt es auf jeden Fall von der Mission ab, spricht mein Unterbewusstsein Savio seinen Erfolg zu.

»Du läufst in die falsche Richtung«, ruft mir Savio hinterher.

Fick die Henne. Ich stampfe mit dem einen Fuß so heftig, dass mein Fuß in der feuchten Erde stecken bleibt. Nein, das kann es jetzt wohl nicht angehen!

Ein Piepen reizt einen Tinnitus in meinem Ohr. »Wir brauchen eure Anweisungen, wo seid ihr?«, hallt Raffaeles tadelnder Rufe nach Hilfe in meinem Kopf.

Ich muss mir auf die Zunge beißen, um nichts Falsches zu sagen. Momentan stecke ich in einem Loch und hätte kein Problem damit, wenn es mich einfach verschlingt und euch alleine bei dieser Mission lässt.

»Gib mir deine Hand.«

Eine große Hand, geschmückt mit silbernen Ringen und verziert mit schwarzen Tattoos schwebt vor mir. Überall. Ich spüre sie schon überall, und sie hielt mir auch schon oft genug. Er will mir helfen und trotzdem ist mein Ego so groß, dass ich kein Mitleid vertrage. Auch wenn es überhaupt kein Mitleid ist.

»Du reitest dich noch mehr in den Dreck«, kommentiert er. Nachdringlicher hält er mir seine Hand entgegen.

»Mein Kleid wird dreckig«, verteidige ich mich davor, nicht auf die Berührung einzugehen.

»Moment«, bittet er mich.

Hm?

Das Nachtreten in der Erde lasse ich sein. Wieso ...

»Savio!«, quietsche ich viel zu schrill.

Fest umfasst er meine Mitte, hebt mich hoch und zieht mich dadurch aus dem Dreck. Buchstäblich. Überrumpelt von dem Schwung, kralle ich mich mit meinen Nägeln in seinem Hinterkopf fest. Trotz des Stylings sind seine Haare weich.

Ein Atemstoß. Fuck. Hitze dringt durch den Stoff meines Kleides, entfacht ein Feuer auf meiner heißblütigen Haut. Er mag es nichts beabsichtigen, doch dieser heiße Atem trifft genau in Höhe meiner Brust ein. Das er mich hält und noch nicht losgelassen hat, macht diese Sache nicht schlimmer.

Erschrocken von mir selbst, nehme ich das genussvolle Seufzen, was meine Lippen verlässt, zu spät wahr. Meinen Kopf reiße ich nach oben und reiße die Augen auf.

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