17 . . . gefühlsleer

2.9K 298 121
                                    

Leere. Trotz der Hitze, die mich in völliger Nässe umhüllt, kann ich kein winziges Stück Wärme in mir aufnehmen. Kein bisschen. Entsprechend spüre ich die eisige Kälte, die wie monströse Wellen gegen jeden Faser meines Körpers schwappen und dafür sorgen, dass ich beinah in der Dunkelheit untergehe. Die Gedanken, die Bilder von diesem blutleeren Körper ... sie toben in meinem Schädel wie ein torsender Sturm, der ganze Planeten mitreißen könnte. Doch ich kann diese Bilder nicht verdrängen, denn wie ein farbloses Tattoo geht mir diese Erinnerung tiefer unter die Haut, als ich im ersten Moment erwartet. Verdammt, es bohrt sich unangenehm durch meine Muskeln, nein, durch meine Knochen und Savio scheint dieses Ereignis als gewöhnlich zu empfinden. Zumindest sieht seine Reaktion dementsprechend simpel aus.

Meinen Kopf lehne ich gegen das Kopfende der Wanne. Schmerzimpulse jagen mir von den Sohlen bis hinauf zu meinem schweren Schädel, als sich diese gewisse Spannung in meinem Nacken bemerkbar macht. Oder befindet sich dieser stechende Punkt doch an meiner Halsbeuge? Hör damit auf, ermahnt mich mein Unterbewusstsein, weiter über jene Stelle an meinem Hals zu kratzen, an der Savio beim Fremden die Scherbe in die Beuge gerammt hat.

»Autsch«, fluche ich leise vor mir hin, als ich meine Finger ausstrecke und die schrumplige Haut unausstehlich zieht. Einiges an Wasser plätschert auf den Schaum herunter, als ich weiterhin die juckende Stelle am Hals palpiere. Erleichtert puste ich erneut die Luft aus meinen Wangen. Keine Schnittwunde, kein Knoten unter meiner Haut, der für die Verspannung sorgen könnte. Was für eine glorreiche Vorstellung, spottet mein Unterbewusstsein. Jedoch ist mein Bewusstsein wie auf Energiesparmodus, denn ich nehme die spitzzüngige Stimme in meinem Kopf gar nicht wahr. Zu schwer fällt es mir.

Kraftlos lasse ich mich tiefer in die Wanne rutschen, sodass er glänzende Schaum mir bis zur Nasenspitze reicht und ich mein feuerrotes Haar in den Blasen beobachten kann. Ich sitze schon so lange in der Wanne, dass ich begonnen habe, meine Sommersprossen zu zählen. Die Versuchung dieses Bild zu vergessen oder dieses kalte Gefühl von dem Blut an meinen Füßen ... jegliche Bemühung ist vergebens. Stattdessen kribbelt es in mir.

Es widert mich an, zu wissen, dass ich heute in einer Blutlache stand und die Erinnerung alle drei Sekunden danach, sorgt regelrecht für die Unruhe in mir. Meine Hände kribbeln und mein Blick schweift automatisch zu den runden Duschschwamm, der dafür sorgte, dass ich einige Stellen an meinem Körper wund gescheuert habe. Ich würde alle machen, um diese Erinnerung aus meinem Gedächtnis zu verbannen - sogar meinen kompletten Körper wundscheuern, nur damit dieses Brennen vom Badeschaum zu spüren, um sicher zu sein, dass ich auch jedweder Spritzer Blut weggewischt habe.

Gerade strecke ich meine Hand raus, um die Idee in Taten umzusetzen, da klopft es an der Tür. Ein dumpfer Schlag ertönt und sorgt dafür, dass sich meine Härchen selbst bei dem heißen Wasser zu Berge stellen. Savio.

Ohne zu zögern, rutsche ich weiter die Wanne hinunter und verschwinde mit meinem Kopf unter Wasser. Nichts mehr ist zu hören, denn mein Gehör wird einem leichten Druck ausgesetzt, der mich kaum noch etwas wahrnehmen lässt. Stattdessen pulsiert mein Herzschlag in meinen Ohren - lässt jede verstrichene Sekunde langsamer vergehen. Unter Wasser habe ich dieses Gefühl der Leere geliebt, jedoch raubt mir dies gerade den Atem.

Keuchend tauche ich aus der Wanne aus, röchle nach der Luft, die mir genommen wurde, als ich Unterwasser wieder jene Bilder vor Augen hatte. Mit meinen Händen streiche ich mir den Schaum aus den Augen, dessen Lider vor Erschöpfung am liebsten geschlossen blieben. Einige Male muss ich blinzeln, bevor die unscharfen Umrisse vor mir einen ganzen Anblick ergeben.

Ich will wieder abtauchen. Wortwörtlich.

Jedoch werde ich von Savio aufgehalten. Er zieht mich am Kinn wieder nach oben, sodass ich aufrecht in der Badewanne sitze und gezwungen bin, in diese dunkelfunkelnden Augen zu blicken. Gott, wie kann da noch dieser Schimmer von Unschuldigkeit in ihnen leuchten, wenn er ... Jemanden umgebracht hat, um mich zu schützen?, beendet mein Unterbewusstsein den Satz.

DiskussionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt