. . . prologo . . .

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Savio

Die unausstehliche Hitze hat kein Erbarmen mit mir; setzt mich der Schwüle aus, die regelrecht dafür sorgt, dass immer mehr Schweißtropfen von meiner Stirn perlen. Dabei sind es die feurigen Sonnenstrahlen die mich glauben lassen, dass der Teil meines Körpers, der nicht vom Auto verdeckt ist, wegen eines Flächenbrandes verkohlt. Ich stoße mich mit den Fersen erneut vom Boden ab und verschwinde durchs Rollbrett unter meinem Rücken, weiter unter den Alfa Romeo Guiletta. Doch das Brennen hört nicht auf, lässt mich stattdessen glauben, weiterhin am lebendigen Leib zu verbrennen.

»Verdammt«, knurre ich, als ich vom oberen Querlenker abhalte. Mit meinen Fersen suche ich den Untergrund, einen sicheren Halt, wo ich sonst nur vom Rollbrett unterm Rücken getragen werde. Mit einem gewaltigen Schwung stoße ich mich von meinen Fersen ab und rolle unterm Auto hervor.

Achtlos schmeiße ich das Hebelwerkzeug zu Boden, ignoriere diesen quälenden Laut, als das Eisen mit den Boden kollidiert. Viel zu beschäftigt bin ich mit diesen beschissenen Reißverschluss meines Overalls, der einfach nicht will, wie er soll. Irgendwie hat er sich in den Stoff verfangen und ...

»Porca madonna, sì«, atme ich erleichtert aus, als ich den Reißverschluss nach unten ziehe und meine Ärmel aus dem dunkelblauen Stoff bereife. In Schweiß getrunken wirkt das weiße Unterhemd beinah transparent. Es klebt an meinem muskulösen Oberkörper, sodass man die schwarze Tinte durchsieht, die verschiedenste Motive auf meiner Haut ziert. Ich weiß nicht, warum sich meine Mundwinkel zum breiten Grinsen verziehen, gerade, weil die höllische Hitze alles andere als amüsant ist, nur bin ich immer wieder aufs Neue von der Wirkung meiner Tattoos beeindruckt.

Sie sind alles eigene Werke. Zu mindestens von der Brust abwärts, denn damals, als ich angefangen habe meinen Körper als Leinwand zu benutzten, hatte ich vielmehr sorgen Geld aufzutreiben, statt es auszugeben. Die Bedeutungen der Dessins werden bei jedem Tattoo tiefgründiger und die Stiche der Nadeln gehen mir immer wieder aufs Neue, intensiv unter die Haut, um jene Ereignisse ja nicht zu vergessen. Egal wie grob über die Narben gestochen wurde, wie sehr ich versucht habe, meine Makel mit außergewöhnlichen Motiven zu verschleiern – in der tiefschwarzen Tinte fehlt etwas. Ich bin vom Leben gezeichnet und doch nicht mit Farbe vollendet ...

Kaum merklich schüttle ich den Kopf und schiebe den eher beklemmenden Gedanken bei Seite. Lieber widme ich den zwanghaften Drang, meine goldglänzende Kette zu richten und das Kreuz aus meinem Nacken zu fischen, damit es mir ordentlich auf der Brust liegt. Vielleicht ist es für andere nur eine Kleinigkeit, doch Unordnung ist für mich ein Grund zur Unruhe – egal in welcher Situation.

Frauen stehen auf harte Männer, tätowierten noch dazu und ich kann ihnen beides bieten; hart in jederlei Hinsicht. Ich liebe es, den Motor von bis aufs letzte Stücken zu reizen, doch ich kann mich nicht fallen lassen, wenn ich nicht über meine eigene Ordnung herrschen kann. Gerät irgendwas beim Rummachen ins Schwanken oder ist etwas nicht mehr an Ort und Stelle, wie es sein soll, treibt mich die Unruhe in den Wahnsinn. Und ich schwöre bei der Heiligen Jungfrau Maria, lieber nehme ich mein Schwanz selber durch die Faust und fantasiere, als mit irgendeiner Tussi rumzumachen, die keine Ahnung von Ordnung hat.

Tatsächlich gab es mal ein Vorfall ... Bei dem Gedanken daran muss ich schmunzeln. Ich habe die Kleine in der Bar aufgerissen. Es war ein unschuldiger Nerd, wie ich es bevorzuge – mit süßer Stupsnase und einer großen Brille, wodurch die Augen immer riesig und unschuldig wirken. Zu mindestens habe ich das Mädchen an diesem Abend vorgezogen, bis ich in ihre Stundenbude ankam und beinah ein Herzinfarkt erlitten habe, als ich die Unordnung in ihrem Zimmer gesehen habe. Lieber bin ich mit Kavaliersschmerzen nach Hause gefahren und habe mir ein dreckiges Video angesehen, statt in diesem Etwas von Chaos zu vögeln. Wahrscheinlich wären uns noch die Wandregale auf die Köpfe gefallen, hätte ich sie in ihrem Bett so hart genommen, dass das Gestell dauernd gegen die Wand geschlagen wäre. Bei der erwähnten Möglichkeit spreche ich aus Erfahrung, und ich kann getrost behaupten, dass ich seitdem alles andere, außer ein Bett zum Vögeln bevorzuge.

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