34 . . . die akte

2.2K 237 254
                                    

»Savio.«

Ein Keuchen. Eine Frage? Die Bestätigung, mit der ich gegen meine Bewusstlosigkeit ankämpfte, weil ich sie zum weiteren Atmen brauche. Ich muss ihn ihm Guten wissen.

»Savio?«

Kaum merkbar, dennoch vorhanden, verbreitet sich eine Wärme auf meinem Oberschenkel. Eine Wärme, dessen Ursprung mir unmittelbar klar ist, denn bei niemand anderem reagiert meine Körper mit so viel Hingabe.

»Ruh dich aus.« Seine raue, beinah gereizte Stimme legitimiert keine Widerrede.

»Savio.« Schaudernd rutsche ich tiefer in den Sitz, zu viel kostet mich das Erringen seiner Aufmerksamkeit an Kraft. Trotzdem kommt nicht mehr bei raus als ein verstärkter Griff seiner Hand auf meinem Schenkel.

»Du wirst das schaffen, Prima-Donna. Hast du mich verstanden?« Wir biegen ab, wodurch mir die vielen Farben vor den Augen verschwimmen. Wie geht es dir? Ist die unausgesprochene Frage, zu der ich mich zusammenraffen. Gerade möchte ich meinem Herz einen Stoß geben, da kommt er mir zuvor, indem er aufs Lenkrad haut. »Diese Wichser wussten, wie sie mich verletzlich machen. Wegen ihnen habe ich dich in Gefahr gebracht. Ich habe dich riskiert und-«

»Savio ...«

Zwar gelingt es mir nicht, zu ihm hochzuschauen, allerdings weiß ich, dass er zu mir blickt. Ich spüre es.

»Du«, versuche ich es erneut. »Deine Gesundheit?«

»Was?«

Männer. Direkt verschlucke ich mich an den Spott und röchle vor mich hin. »Bist du in ...« Heiseres Husten. »Ordnung?«

»Ja.«

»Lüg... « Er lügt.

»Mir gehts gut, nichts, was ich noch nie gemacht habe. Wir werden gleich zu Hause ankommen und ich werde dich sofort-«

»Was ...« Musstest du machen?, klingt die Frage stumm mit.

Wir werden langsamer. Er schaltet; nimmt dafür nicht die Hand, die stets auf meinem Oberschenkel liegt.

»Ein paar Bestellungen abliefern«, beschwichtigt er seine Tat. Würde mein Kopf nicht dröhnen und jeder Zeit explodieren, würden mir tausend Vorstellungen vors Auge erscheinen, wie diese Lieferung wohl ausgesehen hat.

Langsam fahre ich mit meiner Hand seinen Arm hinauf. Einmal, um weiteren Halt zu finden und des Weiteren, um ... Meine Finger werden feucht. Er zuckt heftig unter meiner Berührung beim Druck aufs heiße Fleisch zusammen.

»Lüge.« Er lügt.

»Es ist nichts, nur ein Kratzer.«

»Lüge«, wiederhole ich mich.

»Verdammt nochmal, Karoline!« Er greift nach meiner Hand und presst sie verankert in seiner, auf meinem Oberschenkel nieder. »Ein Scheiß auf das, was ich habe. Das Einzige, was mich kaputt macht, ist zu wissen, dass du nicht okay bist. Du musst durchhalten, nicht ich. Du kannst, das weiß ich, denn du gibst nie auf, vergessen?«

»Ich kann nicht meh... «

»Doch du kannst!«, wird er lauter. »Du bleibst bei mir, Prima-Donna!«

Der Gedanke, dass er verletzt ist, hält mich wach. »Du-«

»Mein Leben ist bedeutungslos, wenn du kein Teil davon bist«, knurrt er. »Du musst dafür bei mir bleiben, du musst ...«

Immer mehr verlässt mich die Kraft. Mir klappt der Brustkorb zusammen und meine Rippen drücken in meine Organe. Nicht mal das schmerzhafte Aufheulen ist laut genug, um wahrgenommen zu werden. Er ist nicht okay, versuche ich mich bei Bewusstsein zu halte.

DiskussionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt