1 . . . zeugenschutzprogramm

4.7K 363 333
                                    

Karoline

Manchmal, wenn mir die Abendprogramme im Fernseher zu langweilig werden, hacke ich mich in die Kameras verschiedenster Reviere. Es ist ein Leichtes, durch die Firewall des Policedepartments zu dringen und sich in die Kameras zu schleusen. Es ist um einige amüsanter, sich in die durch ein Magnetfeld abgeschirmten Verhörräume zu hacken und irgendwelchen Angeklagten bei der Befragung zuzuhören, statt sich diesen Schrott im Fernseher zu geben. Es verleiht einen eine Brise von Gossip Girl und teilweise fühlt man sich wie bei Brooklyn 99, nur in Live.

Vor drei Jahren gab es hier ein riesen Drama, das von dem berüchtigten Detective Amerikas und sein Küken, die sich als Stripperin entpuppte, handelte. Die Kleine war total mein Typ, sah rattenscharf mit ihren Afrolocken und den roten Lippen aus. Würde ich die beiden Turteltauben, die mittlerweile verheiratet sind, nicht shippen, dann hätte ich meine Chance definitiv genutzt.

Ehrlich gesagt schalte ich manchmal immer noch in die Konferenzen rein, wenn ich weiß, dass den beiden wieder einen neuen Fall zugewiesen wurde. Sie sind wie Bonnie und Clyde – nur in gut. Würde ich nicht so faul sein und mich wirklich anstrengen wollen Geld zu verdienen, dann wäre ich Detective geworden. Diese Inquisitionen, bei denen sich die meisten Befragten beinah ins Höschen machen, sind einfach zu unterhaltsam.

Daher ist der Raum, in dem ich mich gerade auf dem New York Police Department befinde, nicht einmal unbekannt. Ich kenne dieses Revier wie meine linke Westentasche, weswegen ich es mir auch nicht nehmen lasse, mich wie zuhause zu fühlen.

Meine Beine habe ich auf den Glastisch abgelegt, auf den sich der Chief des New York Police Department anlehnt. Mit zu Fäusten geballten Händen stützt sich Chief Perez auf den Glastisch ab, sodass seine Knöchel weiß hervortreten.

Mein Blick lasse ich abermals durch den Raum, der nur karg und zweckmäßig eingerichtet wurde, gleiten. Außer dem Glastisch mit den dazugehörigen Stühlen, befindet sich noch eine Leinwand an der schon steril gestrichenen Wand, sowie ein Case-Board im hinteren Eck des Konferenzzimmers.

Pff, spottet ein Unterbewusstsein. Von wegen, der Raum ist durch sein Magnetfeld abhörsicher. Es ist bloß stickig und die schon verbrauchte Luft ist unerträglich. Fenster gibt es welche, sogar ziemlich viele, denn die ganze linke Seite des Gebäudes erstreckt sich aus Glasfronten, durch die eine bullige Hitze in den Konferenzraum entsteht.

Ein Glück, dass ich nicht die Einzige bin, die wie ein Schwein schwitzt. Die Glatze des ersten schwarzen Chiefs des NYPDs glänzt vor Nässe und seine Fäuste hinterlassen feuchte Rückstände auf dem Glastisch, als er sich vom Tisch abstützt und sich aufrichtet.

Unter seinen Füßen quietschte der Linoleumboden bei jeder seiner Bewegungen. Bei jedem Schritt, den er weiter auf mich zukommt, kräuseln sich meine Mundwinkel. »Wir haben gewisse Maxime, an die wir uns halten müssen«, beginnt er erneut.

Ich schnalze mit der Zunge und lasse ihn wissen wie wenig ich von diesen ›Maximen‹ halte. Genauso, wie er mir mit dem abschätzigen Blick zeigt, wie wenig er davon hält, dass ich mich hier wie zuhause fühle. Jedoch nehme ich ihn das nicht böse, denn es ist nicht üblich, dass eine junge Frau die Baupläne des Hauptreviers des NYPDs aus dem Kopf kennt und dadurch weiß, in welchen Raum solche Dinge wie das hier zu besprechen sind.

Es ist eben zu einem Instinkt für mich geworden, zu wissen, welchen Schritt ich gehen muss, um immer noch hinter meinem anonym versteckt zu bleiben. Nur eine falsche Bewegung und meine elf-Jährige Arbeit wäre für den Schmutz. Und um ehrlich zu sein: Was ist es schon für ein Aufwand, sich Baupläne zu merken, wenn man stets im Hinterkopf die Akten von denjenigen Leuten hat, dessen Wege sich mehr als nur einmal mit meinen kreuzten?

DiskussionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt