Neunzehntes Kapitel

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Die nächsten Tage vergingen, ohne dass ich Dean zu Gesicht bekam. Er blieb verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Zwar hielt ich regelmässig nach ihm Ausschau, doch er war einfach nirgends zu finden.
Trevor und Lennard begegnete ich allerdings immer öfter. Auf den Korridoren, beim Essen, draussen auf dem Hof. Buchstäblich überall.

Ich konnte nicht behaupten, mich darüber zu freuen. Denn den Blicken zu urteilen, die sie mir verstohlen zuwarfen, wusste ich, dass Trevor Lennard eingeweiht hatte. Eingeweiht in meine Kenntnisse, die ich ja eigentlich gar nicht hatte.

Zuerst hatte ich mir ein schlechtes Gewissen gemacht, dass ich sie einfach anlog. Doch ich beschloss, sie in dem Glauben zu lassen, dass ich über ihre Geheimnistuerei Bescheid wusste. Vielleicht würde ich so einfacher dahinter kommen.
Dass sie etwas verheimlichten war nämlich nicht zu übersehen.

Ich war spät dran als ich zu dem Schulgebäude eilte und mich Cosmo einholte.

"Guten Morgen", sagte ich lächelnd, "wo warst du denn? Nova und ich haben dich beim Frühstück vermisst."

"Ich hab verschlafen", sagte er gähnend und hielt sich den Bauch, "da hat's leider nicht mehr fürs Frühstücken gereicht."

Ich holte aus meiner Tasche einen grünen Apfel hervor, den ich ihm überreichte. Er bedankte sich und biss hinein.

Nach Cosmos Umarmung vor ein paar Tagen hatte ich mir einige Gedanken gemacht. Meistens in der Nacht, weil ich da sowieso schlaflos war. Ich hatte beschlossen mich deswegen nicht verrückt zu machen. Cosmo und ich kannten uns schon ewig und vielleicht war es ja gar nicht so abwegig, dass auch ich mich in ihn verlieben könnte.

Wenn mir dies jemand vor ein paar Monaten gesagt hätte, hätte ich der Person wahrscheinlich den Vogel gezeigt. Doch jetzt fühlte sich die Vorstellung von einem gemeinsamen Wir gar nicht mehr so fremd an.

Ich wusste aber, dass ich dem ganzen Zeit geben musste. Ich würde nichts überstürzen, so war ich einfach nicht. Erst wenn ich mir ganz, ganz sicher war, wirklich zu eintausend Prozent, würde ich mit Cosmo reden. Vorher nicht.

Als sich unsere Wege trennten, verabschiedete er mich mit einem strahlendem Lächeln und einem Winken in meine Richtung.

Elliot war heute nicht im Unterricht. Er hatte sich entschuldigen lassen, da er sich nicht wohl fühlte und war noch vor dem Frühstück in die Medizinische Station gegangen.
Nach dem Mittagessen würde ich kurz bei ihm vorbeischauen.

Doch jetzt sass ich noch in Mr Amberlas Unterricht, Wahrsagen und Hellsehen. Sein Klassenzimmer war mit Abstand das grösste von allen, dennoch war der Teil, in dem sein Unterricht stattfand ziemlich eng. Mit einem purpurfarbenen Vorhang hat er nämlich den Raum in zwei Hälften geteilt. Was dahinter steckte wusste ich nicht. Nur kurz hatte ich einen Blick hindurchspähen und ein altes Sofa erblicken können.

Sein kleines Pult stand in der Ecke der anderen Zimmerhälfte. Davor reihten sich zwei lange Schülerbänke in einem Halbkreis auf. Die Fenster waren mit orangefarbenen Vorhängen versehen. Generell war hier alles ziemlich farbig. Sogar die Wände - weinrot.

Ich sass in der zweiten Reihe, neben mir Anna. Jeder hatte vor sich eine Glaskugel, auf einem weissen Kissen platziert bekommen. Es war eine ähnliche Kugel, wie jene, durch die wir die Anhörung von Aaron Sculpt verfolgt hatten.

Mr Amberla bat um Ruhe, doch es dauerte eine Weile, bis er diese auch bekam.

"Nun, heute", begann er schliesslich, "heute befassen wir uns damit, in die Zukunft zu sehen." Er rückte seine Brille zurecht. Seine Körpersprache verriet, dass er sich unsicher fühlte und nicht gern im Mittelpunkt stand.

Die Erstgeborenen | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt