Prolog

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Die Nacht war dunkel und eisig kalt. Der Wind heulte um seine Ohren und der Regen prasselte in Strömen auf den schwarzen Umhang. Seine nackten Füsse sanken in den aufgeweichten Waldboden ein. In seinem Rücken das ferne Feuer. Er war fest entschlossen, seinen Plan nun endlich in die Tat umzusetzen und niemand konnte ihn jetzt noch daran hindern. Über ihm herrschte ein mächtiges Unwetter. Er kannte diese Art von Gewitter, er hatte es schon öfters gesehen. Er wusste die Nachricht genau zu deuten. Verflucht seien sie! Je tiefer er in den Wald eindrang, desto dunkler wurde es. Eine Weile war es so dunkel, dass kein Normalo etwas erkennen würde. Doch er nutzte seine Augen um auch in der absoluten, tiefschwarzen Dunkelheit zu sehen.

Ein Blitz erhellte die Nacht und kurz darauf hörte er das Grollen des Donners. Er blickte hoch. Er brauchte die Augen des Regens wegen nicht zusammenkneifen. Hoch oben wütete ein Wirbelsturm, in Gottes Namen. Auch diese Nachricht konnte er deuten. Wie sehr er ihn verachtete. Nach dem gestrigen Fehler ist er sich schnell über die Konsequenzen und Auswirkungen seines Handelns bewusst geworden. Ihm wurde etwas genommen und er würde alles daran setzen, sein Eigentum zurückzuerlangen. Er hatte doch ganz andere Pläne für seine Zukunft gehabt. Er war schon immer stur gewesen und auch schon immer siegessicher. Das lag in seiner besonderen und einzigartigen Natur. Erneut wurde die Dunkelheit durch einen krachenden Blitz erhellt.

Er hatte die Lichtung bereits erreicht, bevor das Donnern eintrat. Der Sturm war jetzt genau über ihm. Er spürte die Energie des Himmels und sog sie tief in sich auf. Langsam legte er seinen Kopf in den Nacken und breitete die Arme aus. Mit einem tiefen Atemzug liess er das dunkle Blut in seinen Adern schneller fliessen. Er konnte fühlen, wie sich sein Körper veränderte. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken starrte er gerade aus hoch in den Himmel. Dieses Risiko, welches er hiermit einging, war gross, sehr gross und dessen war er sich durchaus bewusst. Doch es gab keinen anderen Ausweg, keine Möglichkeit dies zu umgehen. Er war sowieso schon verbannt worden. Sein schmaler Mund öffnete sich und er stiess aus dem tiefsten Innern seines Körper einen lauten, dunklen Schrei aus, so laut er nur konnte.

Der Wirbelsturm legte sich an seine Haut und begann ihn zu umkreisen, wurde schneller und schneller. Zur gleichen Zeit wurde die Nacht von abertausenden Blitzen erhellt. Aus seinem schwarzen Gewand lösten sich auf einmal dutzende Raben, die in einem Eiltempo emporstiegen. Er verwandelte seine Gestalt selbst zu einem Raben und flog hoch in den Himmel hinauf, gefolgt von seinen Anhängern. Es war soweit. Endola würde nie wieder so sein, wie es einmal war.

***

Fernab, weit weg von der Welt der Menschen, existiert noch eine andere Welt. Endola. Hier existieren Magier, Geister, Hexen, Engel, Drachen und all die anderen Fabelwesen, von denen geglaubt wird, sie seien nicht real. Dort wo ich lebe, wird das Unmögliche möglich. Die schönsten Träume können hier Wirklichkeit werden.

Die Erstgeborenen sind in meiner Welt elitär und nur ihnen wird das magische Gen vererbt. Sie sind die Einzigen, die ihre magischen Kräfte in einem starken Ausmass erhalten und beherrschen können. Sie gelten als magisch. Allerdings nicht so wie man vielleicht denkt. Es gibt weder Zauberstäbe noch Zaubersprüche mit denen das Haus aufgeräumt werden kann oder Ähnliches. Die Sinne der Erstgeborenen - Riechen, Sehen, Fühlen, Hören, Schmecken - sind stärker ausgeprägt. Ausserdem können Erstgeborene Gedanken und Gefühle anderer kontrollieren und nutzen. Sie können andere Gestalten annehmen, innerhalb von wenigen Sekunden von einem Ort zum anderen gelangen. Sie sprechen die Sprache der Fabelwesen. Es ist ihnen möglich in die Zukunft zu sehen. Eine weitere Gabe ist es, Gegenstände und Objekte rein durch Wille und Gedankenführung zu bewegen, verschwinden zu lassen, oder teilweise sogar herzustellen. Sie können in ihr eigenes Unterbewusstsein eindringen und dieses der Anderen steuern. Sie sind schnell, stark und schlau. Sie können sich unsichtbar machen, sie können beherrschen und auch töten. Alles ist möglich, mit ein paar Bewegungen und dem passenden Gedanken dazu.

Alle weiteren Geborenen, egal ob Zweit- oder Fünftgeborene erhalten nur einen kleinen Anteil der Magie. Lange nicht genug, um damit etwas anzufangen. Sie gelten automatisch als gefallen. Mit etwas Glück sind sie dazu in der Lage gleich schnell zu rennen wie die Erstgeborenen oder gleich stark im Armdrücken zu sein. Teilweise werden sie als Abschaum angesehen und auch als wertlos bezeichnet. Hier in Endola passiert einiges. Mein Name ist Aurelia Cohan und ich bin eine Erstgeborene.

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