Achtundzwanzigstes Kapitel

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"Mir ist da eine Idee gekommen", sagte ich zu Dean, als wir Samstagnachmittag im Gemeinschaftsraum sassen. Neben mir auf dem Sofa lag Nova, die ihre Nase in ein Buch gesteckt hatte, aber seit einigen Minuten eingeschlafen war. Ich hatte die Beiden inzwischen ausführlich miteinander bekannt gemacht und sie verstanden sich, zu meiner Freude, ziemlich gut.

Anfangs kam es mir komisch vor, dass Nova und ich jetzt mit Dean abhängen und nicht mit Cosmo. Ich hatte es mittlerweile aufgegeben ihn zu einem Gespräch mit mir zu zwingen, denn er liess mich immer wieder abblitzen. Wenn wir uns jetzt auf den Korridoren begegneten, schauten wir uns nicht mal mehr richtig an.

"Was denn?", Dean hob den Kopf und schaute mich fragend an. Mit einem kurzen Blick vergewisserte ich mich, dass Nova auch wirklich schlief. "Also", begann ich, "als ich gestern in der Bibliothek gewesen bin, bin ich auf etwas gestossen. Nämlich auf die Bürgerverzeichnisse von Endola"

"Die was?", wurde ich unterbrochen. Ich wiederholte es: "Die Bürgerverzeichnisse von Endola." Dean runzelte die Stirn. "Und was hat es damit auf sich?"

"In diesen Verzeichnissen sind alle Bürger von Endola der Reihe nach aufgelistet. Egal, ob sie noch leben oder schon tot sind. Miss Greer hat mir dann gesagt, dass da nicht nur die Namen drinstehen, sondern einfach alles. Ausbildung, Strafregister und sowas. Das ist also wie eine Ansammlung von Lebensläufen."

Deans Stirn war immer noch gerunzelt. "Okay... und?"

"Ich habe da gestern noch nicht rein gesehen, aber vielleicht finden wir was über deinen Vater. Kann sein, dass du zu weit gedacht hast, als du ins Büro der Schulleiterin eingebrochen bist. Was wäre, wenn die Lösung viel simpler wäre und quasi direkt vor unseren Augen liegt?"

Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich hab da schon im ersten Jahr einen Blick rein geworfen. Da steht nichts über meinen Vater. Ich habe nichts gefunden."

"Dann hast du bestimmt nicht richtig geguckt. Die Verzeichnisse ergänzen sich doch jede Woche automatisch von selbst."

"Ich weiss nicht..." Dean zögerte.

"Bitte", flehte ich, "lass es uns wenigstens einmal versuchen." Ich wollte Dean unbedingt helfen, seinen Vater zu finden.

Er hatte mich eingeweiht, irgendwie war ich ihm das jetzt schuldig.

"Na gut", gab er nach. "Wann?"

"Jetzt."

"Jetzt?"

"Jetzt."

"Jetzt gleich?"

"Jetzt gleich."

Ich war schon aufgestanden und stupste Nova leicht an. "Hmm?", machte sie verschlafen, ohne die Augen aufzumachen.

"Dean und ich gehen kurz in die Bibliothek, sind bald wieder zurück."

Nova nickte leicht und drehte sich augenblicklich wieder um. Dean und ich machten uns gemeinsam auf den Weg. Einmal berührten sich, ganz zufällig, unsere Hände, was mich leicht zusammenzucken liess.

Dean spukte in letzter Zeit ziemlich oft in meinem Kopf herum. Es schien ihm da irgendwie zu gefallen und ich hatte nichts daran auszusetzen.

In der Bibliothek war ziemlich viel los. Miss Greer sah ziemlich beschäftigt aus und eilte von Schüler zu Schülerin und wieder zurück.

Auf unserem Weg durch die vielen Erstgeborenen kamen wir an einigen Regalen vorbei. Hexenverfolgung, Gefahren der Unterwelt, Dritte Stufe der Magie, Psychische Magiemythen und Sagen...

Zum Glück war es in der Ecke mit den Bürgerverzeichnissen um einiges ruhiger, sodass Dean und ich ungestört waren.

Nur wir zwei.

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