Niemand sagte etwas. Wir brauchten Esmera nicht zu erklären, da sie so viele Bücher gelesen hatte, wusste sie genau was dies bedeutete.
"Mir wird schlecht", sagte sie.
"Mir auch."
Dean fragte Esmera, wann unsere Eltern wieder kommen würden.
"Spät Abends. Das kann noch eine Weile dauern."
An mich gewandt fragte er: "Willst du hier warten, bis sie wieder da sind? Dann könntet ihr direkt mit eurer Mutter sprechen."
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das wird zu spät. Wir müssen um Mitternacht wieder zurück sein."
"Das reicht", meinte Dean, doch ich liess mich nicht umstimmen.
"Nein, selbst wenn... das ist viel zu knapp. Wir müssen es ja nicht so herauszögern, dass wir erst fünf Minuten vor Mitternacht dort aufkreuzen. Wenn wir zu spät kommen, dann fliegst du."
Er zuckte mit den Schultern. "Na und?"
"Na und? Wie kann dir das so egal sein, Dean?"
"Weil du mir momentan wichtiger bist und dieses Gespräch wichtig für dich ist", flüstere er.
Wie beide hatten vergessen, dass Esmera neben uns sass und alles mithörte.
Am liebsten hätte ich angefangen zu weinen. Dean hatte diesen Satz mit so viel Liebe gesagt, dass mein Herz sich zusammenzog. Das war der Moment, in dem ich mir mit meiner Liebe zu ihm wirklich, zu eintausend Prozent sicher war. Und sobald, wir etwas Ruhe hatten und ungestört waren, dann würde ich ihm das sagen, auch wenn ich mir vor Aufregung wahrscheinlich in die Hose machen werde.
"Wir könnten einen Wichtel schicken", schlug Esmera vor, "dass sie früher kommen sollen."
Die Idee war gut. "Und was sagen wir? Komm bitte zurück? Das nimmt Mama doch nicht ernst."
"Sowas wie: Komm sofort zurück, wir wissen von der Engelsache."
Ich verbesserte ihren Vorschlag. "Wir wissen von Luzifer."
Esmera nickte zufrieden. "Das ist es. Dann kümmer ich mich mal darum." Sie erhob sich vom Tisch und verschwand im Wohnzimmer.
"Alles okay mit dir?", fragte Dean und ich nickte. Ja, es könnte nun wirklich schlimmer sein und so lange Aralda uns nichts bestätigte, machte ich mich nicht weiter verrückt.
Es waren genug Menschen eingeweiht. Falls sie also versuchen würde mich mit irgendeinem Zauber zu belegen, was sie ja können sollte, da sie eine Erstgeborene war, dann würde das wohl ziemlich nach hinten losgehen.
"Danke, dass du da bist, Dean."
"Kein Problem." Er schenkte mir sein warmes Lächeln.
Während wir hier sassen und darauf warteten, dass Esmera zurückkommt, kam mir plötzlich eine Idee. Ich richtete mich auf.
"Was ist los?"
"Komm mit", sagte ich zu ihm und er folgte mir. Ich eilte die Treppe hoch und zog aus der Decke mit einem Stab die Treppe zum Dachboden aus.
"Was hast du vor?", fragte Dean, der mir verwundert zuschaute.
"Dort oben sind so viele Kisten von Mama aus ihrer Jugendzeit. Wer weiss, wann sie kommt, ob sie überhaupt kommt. Ich dachte, ich kann warten, aber das kann ich nicht. Ich will wissen, ob wir in ihren alten Sachen vielleicht schon einige Antworten bekommen."
Oben angekommen knipste ich das Licht an. Unsere Füsse hinterliessen Abdrücke auf der Staubschicht auf dem Boden, so selten war jemand hier.
Ich sah mich um. Überall stapelten sich Kisten. Eine Matratze lag auf dem Boden, daneben das alte Schaukelpferd von Esmera und mir. Ich lief auf die hintere, rechte Ecke zu. Dort waren Mamas Sachen gebunkert.
"Wo seid ihr?", rief Esmera von unten hoch.
"Wir sind hier oben, auf dem Dachboden."
Wenig später tauchte ihr Kopf auf. "Was macht ihr hier?"
"Aurelia will die Sachen eurer Mutter durchsuchen und schauen, ob sie irgendwelche Antworten findet."
"Hast du den Wichtel geschickt?", wollte ich wissen.
Esmera nickte. "Ja, hab ich. Sie werden frühestens in einer Stunde kommen."
"Dann haben wir ja genügend Zeit." Fest entschlossen öffnete ich die erstbeste Kiste. Darin befanden sich alte Fotoalben, die ich an Esmera weiterreichte.
"Ihre alten Tagebücher", stellte ich fest, als ich drei kleine Notizbücher hervorzog, die allesamt mit einem goldenen Schloss verschlossen waren.
Esmera schaute von einem der Alben auf. "Ist auch ein Schlüssel dabei?"
"Nein, wäre ja auch zu schön gewesen."
Wahrscheinlich sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, dass ich einfach in den privaten Sachen meiner Mutter herumschnüffelte, doch ich hatte keines. Das einzige was ich hatte war Angst. Angst davor, was mich hier und nachher in dem Gespräch mit ihr erwarten würde.
"Darf ich?" Dean nahm mir die Tagebücher aus der Hand und legte seinen Zeigefinger auf das Schloss. Es leuchtet kurz auf, klackte und schon war es geöffnet.
Ehe er sie mir zurück gab fragte er: "Bist du dir jetzt ganz sicher, dass du das lesen willst? Einmal gelesen heisst nie mehr vergessen."
"Ja bin ich. Gib schon her", ich streckte verlangend die Hand aus. Er zögerte noch immer. "Was ist mit mir? Sollte ich das auch alles mitbekommen? Das ist immerhin euer Familiending, das geht mich eigentlich nichts an."
"Ach", machte Esmera schmunzelnd, "du bist ja süss." Sie klimperte spielerisch mit ihren Augenlidern, ehe sie wieder ernst wurde. "Stell dich nicht so an, Dean. Du steckst da jetzt eh schon mit drin."
"Sie hat Recht", stimmte ich ihr zu, nahm ihm das oberste Tagebuch aus der Hand und begann zu lesen.
Nun war es erst mal eine Zeit lang ruhig. Esmera blätterte die Fotoalben durch, Dean und ich lasen in ihren Tagebüchern. Obwohl der Boden staubig war, hatte ich mich niedergelassen, da mich meine Beine nicht länger Tragen konnten. So viel, wie ich in der letzten Zeit gelaufen bin, war das ja kein Wunder.
"Ich glaube, ich hab' was", sagte Dean nach zwanzig Minuten und begann vorzulesen: "Nach einem fürchterlichen Streit mit Amanda, bin ich abgehauen, und habe mich in einer Bar wiedergefunden. Da bin ich L. zum ersten Mal begegnet. Er hat mir einen Drink ausgegeben und mich so in ein Gespräch verwickelt. Noch nie habe ich mich so lebendig gefühlt, wie mit ihm. Stundenlang sassen wir einfach nur da und haben uns über alles mögliche unterhalten. Er hat mir erzählt, dass er noch nicht lange in Endola ist und er auch nicht hier zur Schule gegangen ist. Mehr wollte er mir über seine Vergangenheit nicht erzählen. Ich erzählte ihm von dem Streit mit meiner Mutter und von meiner Zeit in Emiva. Als es dann jedoch spät wurde, wurden wir von der Besitzerin der Bar rausgeworfen. Zu gerne hätte ich noch mehr Zeit mit ihm verbracht. Wir haben uns verabschiedet und er hat mich geküsst. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder."
"Igitt", Esmera würgte, "Mama hat sich beinahe in einer Bar abschleppen lassen."
"Hier steht es also nochmals schwarz auf weiss. Mama ist eine Erstgeborene und war in Emiva. L muss dann also für Luzifer stehen."
Unten wurde die Haustür aufgeschlossen. "Esmera?", erklang Mamas Stimme und wir zuckten zusammen.
"Warum sind die schon da?", flüsterte Esmera geschockt.
"Geh nach unten", befahl ich ihr, "Dean und ich räumen hier noch kurz auf."
Esmera verschwand und ich räumte hastig Tagebücher und Alben zurück in die Kiste. Dean half mir dabei. Dann gingen auch wir die Treppen runter.
Arladas Lächeln verschwand schlagartig, als sie mich sah.
***
Das nächste Kapitel wird für definitive Klarheit sorgen :)
Sitze gerade im Auto, in zwei Stunden sind wir zu Hause. Ich könnte schlafen - bin aber nicht müde.... Ich könnte für die Schule lesen - hab aber keine Lust :)
DESHALB: Das Kapitel für euch!Hab euch lieb, passt auf euch auf...
Eure Lousssy
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Die Erstgeborenen | ✔️
FantasyIn der magischen Welt Endola gelten Erstgeborene als elitär. Sie besitzen besondere Fähigkeiten die mit sechzehn Jahren in Kraft treten. Aurelia Cohan ist die Erstgeborene und erbt somit das magische Gen ihrer Familie, welches sie in der "Emiva" Sch...