Dreiundzwanzigstes Kapitel

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Cosmo hatte mir ein zweites Mal meinen ersten Kuss gestohlen. Und das Schlimmste war, dass sich der Kuss sogar gut angefühlt hatte.

Nach dem Cosmo gegangen war, klopfte ich an Esmeras Zimmertür. Ich hatte das dringende Bedürfnis ihr davon zu erzählen.

Sie sass im Schneidersitz auf ihrem Bett und blätterte in einer Modezeitschrift. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als ich meinen Kopf in ihr unordentliches Zimmer streckte.

"Darf ich rein kommen?", fragte ich bedrückt.

"Na klar", sie klopfte neben sich auf die Matratze und deutete mir so, mich zu setzten. Ich zog sachte die Tür hinter mir zu.

"Ist alles in Ordnung?", fragte sie besorgt.

Ich schüttelte den Kopf. "Cosmo war gerade bei mir. Er hat mich geküsst."

Esmera schaute mich verwirrt an, als wäre das nichts Neues und überhaupt nicht überraschend für sie. "Ich habe dir doch schon längst gesagt, dass er auf dich steht. Ich dachte eigentlich auch immer, dass du auch Gefühle für ihn hast und sie einfach nicht zeigen willst."

"Das ist ja das Problem", gab ich zu, "ich glaube zwar nicht, dass ich Gefühle für ihn habe, aber ich weiss es ehrlich gesagt gar nicht. Ich weiss nicht, wie sich sowas anfühlt. Ich war doch noch nie verliebt."

"Wenn du es bist, dann weisst du es."

"Warst du denn schonmal verliebt?", fragte ich.

Sie lehnte sich zurück und stützte sich auf beiden Handflächen ab.

"Archie Cline."

Ich verzog das Gesicht und schaute sie angewidert an. "Wie bitte? Das kann doch nicht dein Ernst sein. In den Schmarotzer warst du verliebt?"

Esmera nickte beschämt. "Wann?", wollte ich wissen.

"Vor einem Jahr circa. Eigentlich war das sogar eine ziemlich ernste Sache zwischen uns. Ich hatte auch mein erstes Mal mit ihm."

Ich schnappte nach Luft. "WAS?!" Sie nickte und tat nichts dergleichen.

Mein Blick fiel auf ihr Bett, auf dem wir gerade sassen. Wortlos und mit hochgezogenen Augenbrauen deutete ich mit dem Finger darauf. Esmera schüttelte geschockt den Kopf und boxte mich in den Arm. "Spinnst du? Doch nicht hier. Mama und Papa wären ausgerastet."

"War es denn... gut?"

"Es war schrecklich", gab sie zerknirscht zu, "er hat die ganze Zeit wie ein Hund gehechelt."

Einen Moment lang schauten wir uns an, ehe wir in lautes Gelächter ausbrachen.

"Das hört sich alles andere als romantisch an", keuchte ich, immer noch lachend.

"Es war auch nicht romantisch."

Ich überlegte. Bis jetzt hatte ich noch keinen einzigen Gedanken an mein erstes Mal verschwendet. Ich wusste, dass Nova ihr erstes Mal auch noch nicht gehabt hatte. Und eigentlich war ich bis heute felsenfest überzeugt gewesen, dass es bei Esmera das Gleiche war.

"Wart ihr denn ein Paar?"

"Ja", nickte sie, "aber nicht lange. Ich habe erkannt, dass er ein Idiot ist."

Das war er wirklich. Archie Cline war ein Jahr älter als wir. Vermutlich kannte ihn ganz Endola. Er hatte den Ruf eines Jungen, der sich selbst für den Besten der Besten hielt und ziemlich eingebildet war. Ich kannte ein paar Mädchen, die auf solche Art von Typen standen, doch ich gehörte definitiv nicht dazu.

"Zurück zu dir und Cosmo", sagte Esmera und lenkte die Aufmerksamkeit auf das Thema, weswegen ich eigentlich bei ihr war.

Esmera und ich unterhielten uns so lange, dass mir irgendwann die Augen zu fielen. Ich hatte noch nie bei ihr geschlafen und sie auch nicht bei mir. Es war schliesslich kein Geheimnis, dass es zwischen ihr und mir einige Spannungen gab. Doch nun hatte ich das Gefühl, dass wir diese Hürde irgendwie überwunden hatten und wir nun wie richtige Schwestern sein konnten, die sich liebten.

Meine Liebe zu Cosmo, war nicht die gleiche, wie die, die er für mich empfand. Das war mir durch unseren Kuss und durch das Gespräch mit Esmera klar geworden.

Zwar fühlte ich mich wohl, wenn ich in Cosmos Nähe war und ich genoss auch jede unserer Umarmungen, doch wenn ich an die Zukunft dachte, sah ich Cosmo nicht an meiner Seite. Cosmo würde immer einen besonderen Platz in meinem Leben und in meinem Herzen haben. Aber nicht als Partner.

Mir war auch klar geworden, dass Cosmo die ganze Sache anders als ich interpretierte. Ich wusste, dass ich so schnell wie möglich mit ihm darüber sprechen musste, doch ich hatte Angst.

Ich wollte ihm nicht das Herz brechen. Was, wenn er wütend auf mich sein würde? Was, wenn er Abstand von mir brauchen würde und mich nicht mehr sehen wolle?

Ein Leben ohne Cosmo war unvorstellbar. Eine lange Zeit war er mein einziger Freund gewesen. Dann stiess Logan zu uns und kurze Zeit später auch Ava. Mit ihr hatte ich mich für morgen verabredet, doch ich würde ihr nichts von Cosmo und mir erzählen.

Erstens wollte ich es privat halten und zweitens fand ich es unfair Cosmo gegenüber. Das musste nicht jeder wissen und ich war mir sicher, dass dies auch in seinem Interesse lag.

***

"Hey, träumst du etwa?", holte mich Novas Stimme in die Realität zurück.

Seit gestern waren wir wieder in Emiva. Insgesammt waren wir nur drei Tage zuhause gewesen. Ich hatte angenommen, dass es länger dauern würde, doch ich war froh wieder hier oben zu sein.

"Ein bisschen", gab ich zu.

"Cosmo?", sie schaute mich mit einem mitleidenden Lächeln an. Ich nickte.

Selbstverständlich hatte ich Nova in alles eingeweiht. Auch sie war der Meinung, dass ich so schnell wie möglich das Gespräch mit Cosmo suchen sollte.

"Am besten redest du noch heute mit ihm." Sie zuckte mit den Schultern und fuhr fort, als sie meinen zerknirschten Gesichtsausdruck bemerkte. "Ich weiss, dass das blöd ist, Aurelia. Aber es muss sein. Du musst Cosmo sagen, dass du nichts für ihn fühlst. Je länger du es hinauszögerst, desto schlimmer wird es. Er merkt doch sowieso schon, das etwas nicht stimmt und du ihm aus dem Weg gehst."

Das stimmte. Ich ging Cosmo so gut es ging tatsächlich aus dem Weg. Beim Essen versuchte ich ihn so wenig wie möglich anzusehen und verwickelte Nova immer in ein angestrengtes Gespräch, so dass er gar nicht wirklich die Möglichkeit hatte, mit mir zu sprechen.

Ein Räuspern hinter uns liess uns erschrocken zusammenzucken. Mein erster Gedanke war, dass Cosmo hinter uns stand und alles mit angehört hatte.

Doch es war Dean.

Dean.

Seine Haare waren lang geworden und er sah schrecklich müde und erschöpft aus. Hatte er abgenommen?

"Ich wollte nicht stören", sagte er und warf Nova einen kurzen Blick zu.

"Ach, du störst nicht", sagte Nova und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Wir sehen uns später Aurelia. Ich muss jetzt sowieso los. Hab noch einiges zu erledigen."

Ich nickte, ohne meine Augen von Dean abzuwenden.

"Hast du kurz Zeit?", fragte er und steckte seine Hände in die Vordertasche seines Pullovers.

Wieder nickte ich.

"Sehr gut. Ich habe nämlich mit Trevor und Lennard gesprochen. Du hast bestimmt viele Fragen."

Ja, hatte ich. Ich hatte unglaublich viele Fragen.

"Ich glaube, ich schulde dir einige Antworten."

**********

In diesem Kapitel ist leider nicht so viel passiert, aaaabeeerr. dafür kriegt ihr im nächsten Kapitel ein paar Antworten hihi :) Ich hoffe ihr freut euch!!!

Mir war es dennoch wichtig, Esmera und Aurelia wieder etwas näher zueinander zu bringen. Sind ja schliesslich Zwillingsschwestern <3

Frage: Habt ihr Geschwister oder seid ihr Einzelkind? Ich habe eine Schwester, die sechs Jahre älter ist.

Bleibt gesund und bis zum nächsten Kapitel,

Lousssy

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