Der Abend mit meiner Familie war wunderschön gewesen. Valentin hatte ausgezeichnet gekocht, sogar Amanda, hatte nichts daran auszusetzen gehabt und das hatte sie eigentlich ziemlich oft, wenn es Valentin betraf.
Die Sache mit Dean beschäftigte mich allerdings immer noch. Sie wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Was, wenn Dean wirklich ein Sträfling war?
Ja, was dann? Eigentlich änderte sich doch gar nichts, oder?
Er war immer noch der gleiche Dean, den ich das erste Mal im Department gesehen hatte, und in Emiva wieder getroffen hatte. Daran würde sich nichts ändern und mir wurde schlagartig bewusst, dass es auch nichts an meinen Gefühlen für Dean ändern würde. Gar nichts.
Dabei wusste ich doch gar nicht, was für Gefühle das waren? Gefühle der Sorge? Wahrscheinlich redete ich mir meine echten Gefühle für ihn nur aus, und wollte sie erst gar nicht wahrhaben, denn momentan hatte ich überhaupt keine Zeit für Gefühle.
Nach langem Wachliegen war ich dann endlich eingeschlafen, nur um mitten in der Nacht wieder aufzuwachen.
Im ersten Moment war ich desorientiert, bis mir wieder einfiel, dass ich ja zuhause war und nicht mehr in meinem Zimmer in Emiva.
Ich seufzte und warf einen Blick auf den Wecker auf meinem Nachttisch. 02:10 Uhr.
02:10.
Da hatte ich ja total vergessen. Verfolgte mich das nun etwa auch? Kurz nachdem ich mein Gen erhalten hatte, wachte ich Nacht für Nacht zweimal auf. 02:10 und 04:07, wenn ich mich richtig erinnerte. In Emiva war das nicht so gewesen. Ich erinnerte mich daran, einmal aufgewacht zu sein, doch da hatte ich nicht auf die Uhr geschaut.
Ich verspürte ein Kratzen in meinem trockenen Hals und schwang meine Beine aus dem Bett. Ich brauchte dringend Wasser.
Ich öffnete dir Zimmertür und tappte blind und auf leisen Füssen den Flur entlang, um niemanden zu wecken. Zu meiner Überraschung, war das gar nicht nötig, denn in der Küche brannte noch Licht und es waren gedämpfte Stimmen zu hören. Es waren Amanda und Aralda.
Sofort hatte ich ein Déjà-vu. Ich erinnerte mich, die Beiden schon einmal bei einem Gespräch belauscht zu haben. Ich vergass das Wasser, welches ich mir holen wollte und ging leise die Treppe runter.
„Wir hätten es wissen müssen", sagte Amanda. Ich traute mich nicht, einen Blick in die Küche zu werfen, weshalb ich an der Wand gelehnt stehen blieb und einfach lauschte.
"Valerie hat mir versprochen, ein Auge auf sie zu werfen."
Moment mal. Valerie? Valerie Hawking? Die Schulleiterin der Emiva?
"Trotzdem sind sie ihr zu nahe gekommen. Vorallem er." Araldas Stimme war leise. "Aber sie hat ihr Bestes getan, Aralda. Sie kann nicht alles verhindern. Vieles, aber eben nicht alles."
"Wie lange sollen wir denn noch stillschweigend zusehen, Mutter?"
"Ich verspreche dir, dass er Aurelia nicht kriegen wird."
Wer wird mich nicht kriegen? Das soll wohl ein schlechter Scherz sein. Sie machten mir Angst, wenn sie so sprachen.
Nur zu gerne würde ich in die Küche platzen und die Beiden zur Rede stellen, doch ich wusste, dass das nichts bringen würde. Es handelte sich hier um etwas Ernstes, um etwas, dass mir, warum auch immer, verschwiegen wurde. Wahrscheinlich schon mein ganzes Leben lang. Sie würden jetzt nicht einfach so mit der Wahrheit rausrücken. Ich musste selbst dahinter kommen, ich kannte Aralda und Amanda.
In diesem Augenblick. Hier, mitten in der Nacht auf der Treppe stehend und lauschend, schwor ich mir, dahinter zu kommen. Und zwar schon bald.
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Die Erstgeborenen | ✔️
FantasyIn der magischen Welt Endola gelten Erstgeborene als elitär. Sie besitzen besondere Fähigkeiten die mit sechzehn Jahren in Kraft treten. Aurelia Cohan ist die Erstgeborene und erbt somit das magische Gen ihrer Familie, welches sie in der "Emiva" Sch...