Siebenundzwanzigstes Kapitel

73 6 6
                                    

Am nächsten Tag fehlte auch beim Frühstück jede Spur von Cosmo. Der Platz gegenüber von mir war leer.

Lustlos stocherte ich in meinem Rührei herum. Nova fasste nach meiner freien Hand. "Kopf hoch, Aurelia. Der beruhigt sich schon wieder."

Ich seufzte. "Das glaube ich nicht. Du hättest mal seinen Blick sehen sollen. Das ist nicht so, wie es bei unseren kleinen Streitereien immer ist, wo er nach zwei Tagen wieder angekrochen kommt. Diesmal habe ich ihn wirklich verletzt."

"Sowas dauert halt. Du hast ihm das Herz gebrochen."

Ich liess die Gabel geräuschvoll fallen. "Aber das wollte ich doch gar nicht!"

"Natürlich nicht", entgegnete Nova, "aber du musst ihm trotzdem Zeit geben. Ein gebrochenes Herz braucht seine Zeit, damit es sich erholen und heilen kann. Gib ihm diese Zeit einfach und gib ihm auch zu verstehen, dass dir eure Freundschaft wichtig ist. Er soll schliesslich nicht denken, dass jetzt alles vorbei ist."

Nova hatte Recht. Cosmo würde sich schon wieder beruhigen und ich war bereit, ihm alle Zeit der Welt zu geben. So viel, wie er eben brauchen würde. Und wenn er bereit war, mit mir zu reden, dann würde ich da sein.

Ich erhob mich, ohne mein Rührei fertig zu essen. "Ich muss jetzt los", sagte ich zu Nova, die mich überrascht ansah, "ich wollte vorher noch bei der medizinischen Station vorbei und nach Elliot sehen. Er war schon etwas länger nicht mehr im Unterricht."

"Oh, der Arme, richte ihm gute Besserung von mir aus."

"Mach ich."

Ich war noch nie in der medizinischen Station gewesen. Es war ein kleines Gebäude. Der Linoleumboden und die Wände hatten die gleiche weisse Farbe. Alles war sehr schlicht und in hellen Tönen gehalten.

Eine Frau mittleren Alters kam auf mich zu. Ich hatte sie gar nicht bemerkt. "Kann ich Ihnen weiterhelfen?", fragte sie. Ihr Gesicht sah freundlich aus. Mit grossen, erwartungsvollen, braunen Augen schaute sie mich an.

"Ich würde gerne Elliot Mosley besuchen."

Die Frau, Rose, wie es an einem kleinen Schild an ihrem Kittel geschrieben war, schaute mich verwundert an.

"Mr Mosley liegt nicht mehr bei uns auf der Station."

Ich schaute sie ebenso verwundert an. "Wie bitte?"

"Ja", Rose nickte, "wir haben ihn schon entlassen, bevor die Schule vorübergehend schliessen musste."

"Aha", machte ich. Wie konnte das sein? Wo steckte Elliot nur? "Wissen Sie denn wo er jetzt ist? Er kam schon länger nicht mehr in den Unterricht."

"Tut mir leid, dafür bin ich leider nicht zuständig. Ich weiss nicht wo er sich aufhält. Vielleicht fragen Sie mal ein paar Freunde von ihm, womöglich können die Ihnen weiterhelfen."

"Ich bin eine Freundin von ihm", murmelte ich abwesend. Warum hatte mir Elliot nicht Bescheid gesagt?

Ich fasste mich wieder. "Naja, vielen Dank."

"Keine Ursache", entgegnete Rose freundlich, "tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann. Ich hoffe, Sie finden Ihren Freund wieder."

"Ja, das hoffe ich auch."

***

Nach ein paar Tagen liess sich Cosmo wieder blicken. Jedoch nicht bei uns. Eine gute Woche schon, sass er zu den Mahlzeiten bei einigen anderen Erstgeborenen, die sehr wahrscheinlich mit ihm in eine Klasse gingen.

"Das ist doch nicht sein Ernst", sagte ich kopfschüttelnd zu Nova, meinen Blick quer durch den grossen Saal auf Cosmo gerichtet, "so kenne ich ihn ja gar nicht, so nachtragend."

Die Erstgeborenen | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt