Achtes Kapitel

125 15 16
                                    

Wie jede Nacht, bin ich zweimal aufgewacht. Einmal 02:10 Uhr und einmal 04:07 Uhr. Danach war ich so hellwach und nervös gewesen, dass an Schlaf gar nicht mehr zu denken war. Sinnlos habe ich mich bis kurz vor sechs im Bett umher gewälzt und bin anschliessend für zwanzig Minuten unter die Dusche gesprungen. Danach habe ich meine Zähne geputzt, mich angezogen und meine Haare gekämmt. Obwohl ich mir extra Zeit gelassen habe, bin ich viel zu früh fertig gewesen.

Ich habe mein Gepäck, welches aus einer Reisetasche und einer Stofftasche bestand, die Treppen runtergetragen. Aralda war schon weg gewesen. Sie hatte sich gestern innig, sehr innig mit tausend Küssen und Umarmungen von mir verabschiedet. Ich musste versprechen so oft wie möglich zu schreiben und mich sofort zu melden, wenn ich angekommen war.

Obwohl ich nicht hungrig gewesen bin, habe ich mir Rührei gemacht, was Esmera schliesslich mit Freude gegessen hat. Amanda ist gekommen, ich habe mich von Valentin und Esmera verabschiedet und mich mit Amanda auf den Weg gemacht.

Nun stand ich hier in einer elend langen Warteschlange und wartete darauf, bis ich an der Reihe war um mich anzumelden. Amanda zu meiner Linken. Jungen und Mädchen in meinem Alter und dessen Familienangehörigen um uns herum. Weiter vorne hatte sich ein Mann auf einem erhöhtem Podest positioniert, was allerdings nicht wirklich viel bewirkte, da er immer noch klein war und kaum den Überblick über die vielen Leute behalten konnte.

Mit einem Klemmbrett schwirrte er ziellos umher und sah ziemlich überfordert aus. Mein Gepäck hatte ich, wie alle anderen auch, bereits abgegeben. Es würde für uns zum Schulgelände gebracht werden.

Ich liess meinen Blick durch die Gegend schweifen. Um uns herum standen viele Bäume, die die Sicht aus etwas anderes komplett versperrten. Weiter hinten ragte ein Berg in die Höhe, dessen Spitze unter der den tiefen Wolken verschwand. Ein kleines Bächlein floss am Rand des Waldes entlang. Wir hatten Endola verlassen und waren nun etwa zwanzig Minuten von der Grenze entfernt. Ich füge hinzu, dass Amanda und ich alles zu Fuss gegangen waren, was nicht meine Idee gewesen war.

"Wo ist denn nun diese Schule", fragte ich meine Grossmutter und sah mich noch einmal um, "hier ist weit und breit nichts zusehen, was einer Schule ähneln könnte."

Meine Grossmutter deutete mit dem Zeigefinger auf den Berg hinter den Bäumen, dessen Spitze in einer Wolken decke verschwand. "Hinter dem Berg?", seufzte ich, wissend, noch weiter laufen zu müssen.

Amanda schüttelte leicht den Kopf. "Nicht hinter dem Berg, auf dem Berg."

Meine Enttäuschung und meine Verzweiflung wurde grösser. "Dort oben?", schnappte ich nach Luft. Amanda kräuselte ihren Mund zusammen und sagte: "Na was dachtest du denn? Emiva ist nichts für schwache Seelen und schon gar nicht für Faulpelze. Du wirst noch staunen, wie sehr dein Körper gefordert sein wird. Emiva legt grossen Wert darauf, die Erstgeborenen in ihrer körperlichen Leistung voranzutreiben und an die absoluten Grenzen zu bringen."

"Dann haben die wohl irgendeinen Fehler gemacht und mich der falschen Schule zugeteilt", brummte ich genervt. Sport und ich war etwas, dass sich nie verstanden hatte. Was nicht heissen soll, dass ich nur in meinem Bett rumlümmelte. Ich bewegte mich durchaus, halt nur nicht mit grosser Anstrengung.

"Also laufen wir da alle nachher hoch?", fragte ich mit Bedenken, "die Spitze ist nicht mal zu sehen, wie lange soll das denn bitte gehen?"

"Ich komme nicht mit", sagte Amanda schnell und deutete auf ihre rosa Stöckelschuhe, "und so lange dauert das nun auch wieder nicht. Das haben schon tausende Erstgeborene vor dir geschafft."

Das Mädchen vor mir trat nach links und ich war an der Reihe. Der Mann mit dem Klemmbrett tupfte sich eilig mit einem roten Tuch den Schweiss von der Stirn und sah mich schliesslich an. "Name?"

Die Erstgeborenen | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt