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Ich blinzelte.
Mein Nacken schmerzte ein wenig, doch an sich ging es mir gut.
Immerhin lag ich bequem auf etwas Weichem und nicht mehr auf der Straße, wie...
Ich realisierte, dass ich wieder den Traum gehabt hatte.
Wie jedes mal, wenn mir jemand das Genick brach.

Wo war ich hier?
Ich öffnete die Augen ganz und sah mich um.
Ich lag auf einem Sofa und irgendwer hatte mir sogar die Schuhe ausgezogen und mich zugedeckt.
Oh Gott. Das konnte nicht wahr sein, wirklich.
Ich lag auf Luciens Couch, also musste er mich irgendwie gefunden hatten, nachdem seine Ex-Freundin mir den Hals umgedreht hatte.

"Guten Morgen, Sonnenschein."
Ich setzte mich auf. Am liebsten hätte ich etwas Giftiges erwidert, doch da er mich offenbar nicht einfach auf der Straße hatte liegen lassen, ließ ich es bleiben.
Lucien saß auf einem Sessel gegenüber des Sofas und lächelte mich an.
"Was ist passiert?", fragte ich etwas verwirrt.
Er seufzte.
"Das wollte ich dich gerade fragen. Hier, das ist null negativ, sollte dich etwas auf die Beine bringen", meinte er und schob ein mit Blut gefülltes Glas über den Couchtisch, der zwischen uns stand.
"Danke", sagte ich und trank davon. Er hatte Recht, ich fühlte mich augenblicklich etwas weniger schwach.
"Also, was ist passiert?", fragte er dann und sah mich erwartungsvoll an.

"Aurora hat mich abgefangen und mir das Genick gebrochen. Sie war wohl wütend, weil ich sie gepikst habe", meinte ich, woraufhin er lachte.
"Du hast ihr einen Holzpfahl in den Bauch gerammt."
Ich verdrehte die Augen, musste jedoch kurz lächeln.
"Das ist Interpretationssache."
Dann schoss mir durch den Kopf, was sie noch gesagt hatte und ich zögerte einen Moment, Lucien einzuweihen.
Auch wenn er mir geholfen hatte war ich mir nicht sicher, ob ich ihn trauen konnte.
"Hat sie noch etwas gesagt?", fragte er, als könnte er meine Gedanken lesen.
Na gut, im Endeffekt schadete es niemandem, wenn ich Lucien davon erzählte. Außerdem konnte ich Aurora und ihren Bruder um einiges weniger leiden als ihn.

"Sie meinte ich soll mich von dir fern halten, weil sie dich noch braucht", erzählte ich und leerte das Glas mit dem Blut.
Er runzelte die Stirn.
Ich wusste von seiner Vergangenheit mit Aurora. Dass er sie seit einem Jahrtausend liebte.
Als sich unsere Wege getrennt hatten, war er sofort wieder zu ihr gegangen. Er war ihr einfach verfallen und sie war die Liebe seines Lebens.
Eine Zeit lang hatte ich daran geglaubt, etwas darn ändern zu können, doch dem war nicht so.

"Das ist typisch... natürlich dreht sich alles um sie", meinte er und sah mich dann an.
"Aurora hat mir gestern Abend noch Gesellschaft geleistet. Es hat fast gewirkt, als würde sie mich verführen wollen."
Und er war nicht darauf eingegangen? Bitte?
Fragend hob ich die Brauen.
"Und wieso bist du dann nicht bei ihr?"
Lucien hatte sie immer geliebt und über so gut wie alles andere gestellt. Also wieso war er gestern nicht einfach mit ihr gegangen?
"Weil ich nicht bei ihr sein will, Lucille", erwiderte er und leerte ebenfalls sein Glas.

Bitte?
Ich legte die Stirn in Falten und sah ihn verwundert an. Es fiel mir wirklich schwer zu glauben, dass er sich nicht sofort auf Aurora einließ.
"Ich wollte gestern nach Hause, aber dann habe ich dich auf der Straße liegen sehen. Ich dachte dir gefällt es hier vielleicht besser als auf dem Beton", meinte er und stand auf.
"Kaffee?", fragte er dann, als hätten wir gerade eine komplett normale Konversation geführt.
Auch wenn ich Kaffee normalerweise nie abgeneigt war schüttelte ich den Kopf.
"Ich will nach Hause", meinte ich. "Und Klaus von Aurora erzählen. Er kann das mit ihr doch wohl kaum ernst meinen."

"Moment", unterbrach er mich und schaltete die Kaffeemaschine ein, bevor er sich zu mir auf die Couch setzte.
"Ich habe dir geholfen, also bist du mir ein paar Antworten schuldig."
Ich stöhnte genervt auf.
"Bitte, Lucien, sind wir nicht-"
"Nein, was auch immer du sagen wolltest, das sind wir nicht", meinte er schmunzelnd.
Ich verdrehte die Augen.
"Schön, was ist?"

"Vor etwa sechzig Jahren, weißt du, was damals wirklich passiert ist?", fragt er und sah mir in die Augen.
Gott, wie ich diese Augen einmal geliebt hatte. Ich hätte mich damals stundenlang in ihnen verlieren können, doch inzwischen wollte ich einfach nur noch weglaufen, wenn er mich so ansah.

"Ja", erwiderte ich kühl und zog meine Schuhe an, die neben der Couch standen.
"Und das wäre?", fragte er weiter.
Ich seufzte.
"Lucien, müssen wir diese Geschichte-"
"Du wolltest mir antworten", unterbrach er mich.
"Wir hatten... irgendetwas, ich habe bis heute keine Ahnung was es war", sagte ich. "Und dann kam Aurora. Du hast sie geliebt, wie du es schon seit einem Jahrtausend tust und bist wieder zu ihr."
Ich stand auf.
"Kann ich jetzt gehen?", fragte ich gereizt.
Ich wusste nicht, wieso mich dieses Thema so aufregte.
In den Fünfzigern hatten Lucien und ich einige One Night Stands gehabt und ob mehr dahinter gewesen war hatte ich nie gewusst.
Ich wusste nur, dass ich extrem verletzt gewesen war, als er wieder zu Aurora gegangen war und mich einfach links liegen gelassen hatte.

Er sah mich an und zum ersten Mal, seit wir uns vor Längerem wieder getroffen hatten, hatte ich das Gefühl ihm wäre etwas wirklich wichtig.
"Du täuschst dich, Cece."
Schon wieder nannte er mich bei diesem Namen.
Ich schüttelte nur den Kopf.
Vor dreiundsechzig Jahren hatte ich mir geschworen, Lucien Castle nie mehr zu vertrauen, und nur weil er mich nicht auf der Straße hatte liegen lassen, würde ich dieses Versprechen an mich selbst nicht brechen.

"Tut mir leid, Lucien", meinte ich kühl.
"Aber das glaube ich kaum."
Mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ das Penthouse.

Guten Morgen:)
Oder wann auch immer ihr das lest haha
Ich hoffe euch geht's gut, lasst gern Feedback da:)

Lucille St. John - Little VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt