› 16 ‹

1.9K 74 5
                                    

Am liebsten wäre ich tot.
Das Eisenkraut schwächte meinen Körper extrem und bereitete mir Schmerzen, doch das war nicht das Schlimmste.
Tristan hatte mit dem Pfahl meinen Brustkorb einmal durchstoßen und ich konnte spüren, wie das Holz direkt an meinem Herzen lag.
Mein Herz schlug noch, doch jeder Schlag bereitete mir mehr Schmerzen.
Die Ketten an meinen Handgelenken wäre wirklich nicht nötig gewesen; selbst mit freien Händen hätte ich es vermutlich nicht geschafft, das Holz aus meiner Brust zu entfernen.

"Lucille?"
Ich drehte meinen Kopf zu Lucien und sah ihn an.
In seinem Blick lag schon fast so etwas wie Sorge.
"Ich wollte nur wissen, ob du noch wach bist", murmelte er und ich nickte.
Zwar wäre es mir um einiges lieber gewesen, hätte ich das Bewusstsein schon verloren, doch als Vampir ging das nicht so schnell wie bei Menschen.

Auch wenn gerade vermutlich alles andere als ein guter Moment dafür war, erinnerte ich mich daran, was Tristan vorhin gesagt hatte. Dass ich Lucien etwas bedeutete.
Ich spürte, wie eine winzig kleine Hoffnung wie eine Knospe in mir aufblühte, erdrückte diese allerdings sofort wieder.
Der einzige Grund, aus dem ich ihm etwas bedeuten könnte war der, dass die Mikaelsons Aurora töten würden, wenn Tristan mir das Leben nahm.
Aber wieso hätte Tristan dann so etwas gesagt?
Zwar gab es wichtigere Probleme, aber der Gedanke ließ mich nicht los.

"Was hat-", begann ich, konnte allerdings nicht weiter sprechen, da eine warme Flüssigkeit meine Speiseröhre hinauf kroch.
Ich hustete Blut und hätte dabei am liebsten vor Schmerzen geschrien.
Tränen rannen mir stumm über die Wangen, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.
Nach einiger Zeit ging mein Atem wieder normal.

"Was hat Tristan damit gemeint?", fragte ich.
Lucien sah mich an und wirkte dabei irgendwie schockiert.
"Was meinst du?", erwiderte er, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, er schien zu wissen, wovon ich sprach.
"Er meinte ich würde dir etwas bedeuten", sagte ich leise.
Lucien lachte kurz auf, allerdings lag ein schmerzvoller Ausdruck in seinen Augen.

"Du sitzt halb tot vor mir und das ist, worüber du reden willst?"
Ich sah ihn giftig an, bevor ich von einem erneuten Hustenanfall gepackt hatte.
Jedes Mal wenn mein Oberkörper sich bewegte rieb das Holz an meinem Herzmuskel und verursachte so nur noch größere Schmerzen.
Mehr Tränen rannen mir über die Wangen und ich schluckte.
Ich konnte das nicht mehr lange aushalten.

"Cece?"
Wieder nannte er mich so und brachte mein Herz so auf eine andere Art zum schmerzen als es der Pfahl tat.
"Hm?", murmelte ich geschwächt. Sätze die länger als zwei Wörter waren, kosteten mich wohl eindeutig zu viel Kraft.
"Tristan wird hierfür leiden. Das verspreche ich dir."
Ich wollte es doch wirklich schwer hoffen. Gott, wie gerne ich diesem Bastard einfach das Herz aus der Brust reißen würde.

Auf einmal hörte ich ein Knacken und sah zu ihm. Lucien hatte mit einer Hand die Lehne des Stuhls so fest umklammert, dass sich ein Riss im Holz gebildet hatte.
Allerdings schien ihm selbst das nicht einmal wirklich aufgefallen zu sein.
Das konnte unsere Möglichkeit sein hier herauszukommen!
"Lucien", krächzte ich und nickte mit dem Kopf zu seiner Hand.
Erst jetzt schien er zu bemerken, was er getan hatte.

Doch bevor er mir antworten konnte, betraten zwei Vampire der Strix den Raum.
"Oh, will Tristan jetzt nicht mehr persönlich mit uns reden?", fragte Lucien zynisch.
Einer der beiden kam direkt auf mich zu, während der andere sich eher im Hintergrund hielt.
"Das kann er nicht mehr. Deswegen haben wir den Auftrag erhalten, das Mädchen sofort zu töten."
Oh nein. Auch wenn das bedeutete, dass der Plan von Freya vermutlich aufgegangen war, verhieß das nichts Gutes für mich.

Der Vampir befand sich gerade einen Schritt von mir entfernt, als ich Holz neben mir splittern hörte; Lucien hatte es geschafft, sich aus den Fesseln zu befreien.
Ehe der Vampir mich nur berühren konnte, stand er vor ihm und riss ihm das Herz heraus.
"Oh, willst du es wirklich versuchen?", fragte Lucien dann an den anderen Vampir gewandt, der auf ihn zugeschritten kam.
Dieser blieb stumm und schien sich von seinen Worten nicht aufhalten lassen zu wollen, was sich für ihn in kurzer Zeit als Fehler herausstellen würde.

Einen kurzen Augenblick später kniete Lucien vor mir und zerriss mit beiden Händen jeweils die Metallketten, mit denen meine Handgelenke fixiert waren.
"Das wird gleich weh tun", meinte er und griff nach dem Pflock, der in meiner Brust steckte.
Gerade, als er ihn herausziehen wollte, nahm ich eine Gestalt hinter ihm war.
"Lucien", warnte ich ihn und sah den Vampir an, der hinter ihm stand.
Er stand sofort auf und drehte sich um.
"Gott, Tristan scheint wirklich einige suizidale Anhänger zu haben", meinte er.
Erst jetzt fiel mir auf, dass es nicht einer, sondern drei weitere Vampire waren.
Ich wusste, dass Lucien abgesehen von den Urvampiren einer der Stärksten seiner Art war, aber mit drei Gegnern konnte es vielleicht etwas eng werden.

Ich umgriff den Pflock und zog daran.
Wieder hätte ich wegen der Schmerzen beinahe geschrien, denn das Brennen verstärkte sich und ich hatte das Gefühl wortwörtlich von innen zerrissen zu werden.
Ich blickte auf. Es war nicht all zu viel Zeit vergangen, doch zwei der Vampire lagen inzwischen tot auf dem Boden.
Allerdings schien Lucien ein Problem zu haben, denn ihm wurde von dem Dritten ein Stück Holz gegen die Brust gepresst. Auch wenn er ein Idiot war, ich musste ihm einfach helfen.
Als es mir endlich gelang, das Holz komplett aus meinem Fleisch zu ziehen, stand ich sofort auf und schoss in Vampirgeschwindigkeit zu den beiden hinüber.
Ohne zu zögern rammte ich Luciens Gegner den Pfahl, der eben noch in meiner Brust gesteckt hatte, in den Rücken und bohrte ihn durch sein Herz.

Der Körper des Vampirs sackte leblos zwischen uns zu Boden.
Obwohl ich nicht mehr halb erstochen herumsaß, hatte ich unglaubliche Schmerzen; das Eisenkraut verlangsamte die Heilung meiner Wunde und ich fühlte mich so schwach, dass ich nicht wusste, wie lange ich mich noch auf den Beinen halten konnte.

"Bist du okay?", fragte Lucien und musterte mich von oben bis unten.
Ich nickte nur kurz.
"Ich will nach Hause", murmelte ich und wollte mich umdrehen, doch stattdessen gaben meine Knie nach und ich fiel fast zu Boden.
Allerdings stand Lucien bald genug bei mir und stützte mich.
"Du warst schon immer eine schlechte Lügnerin, Süße", bemerkte er sarkastisch und hob mich hoch.
"Ich kann auch gehen, du musst-"
"Ich habe dir doch gerade gesagt, dass du nicht lügen kannst und du machst einfach genauso weiter", unterbrach er mich in gespielt tadelndem Ton.

"Keine Sorge, diesmal kommst du nach Hause, ohne dass dir jemand fast den Kopf abreißt."

Ich hoffe ihr habt gut geschlafen,
habt nen schönen Tag:)

Lucille St. John - Little VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt